1913 - Det danske Fredsakademi
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DIE FßlEDENS-WABTE §><br />
seits. Die geringere Höhe der militärischen<br />
Belastungsziffer ist sogar im Gegenteil ein<br />
Beweis für die größere Schwere, mit der<br />
die Rüstungsausgaben auf Deutschland ruhen<br />
weil nämlich Deutschland seiner höheren<br />
Geburtenziffer (30 Geb. jährl. auf 1000 Einw.)<br />
entsprechend relativ viel mehr Kinder zu ernähren<br />
und zu erziehen hat als Frankreich<br />
(19 Geb.) und England (25 Geb.). Alle Erziehungskosten<br />
aber sind volkswirtschaftlich<br />
zunächst unproduktiv und müssen daher jede<br />
steuerliche Belastung, ihrerHöhe entsprechend,<br />
doppelt empfinden lassen. Noch drückender<br />
aber wird diese Belastung für Deutschland<br />
durch den Umstand, daß in ihm, dem erst<br />
in den letzten Jahrzehnten reich gewordenen<br />
Lande, das Volksvermögen ganz anders<br />
verteilt ist als in Frankreich und in England:<br />
in diesen beiden Ländern konnte bei<br />
ihrem Jahrhunderte alten Handel die Zahl<br />
der mittleren Vermögen viel größer werden,<br />
d. h. das Nationalvermögen konnte sich viel<br />
günstiger verteilen als bei uns, wo sich der<br />
größte Teil des in dem plötzlichen wirtschaftlichen<br />
Aufschwung nach 1870 gewonnenen<br />
Reichtums zu einer verhältnismäßig kleinen<br />
Zahl großer und sehr großer Vermögen zusammengeballt<br />
hat. Und was außer diesen<br />
beiden erschwerenden Umständen des ungünstigen<br />
Altersaufbaus und der ungünstigen<br />
Vermögensverteilung die Militärlast für die<br />
deutsche Volkswirtschaft nun noch schlimmer<br />
gestaltet, ist vor allem die ungerechtere Art<br />
ihrer Verteilung, welche die Hauptlast derselben<br />
in der Form von indirekten, von<br />
Verbrauchs steuern, auf die Schultern<br />
der minderbesitzenden Klassen wälzt: kamen<br />
' doch, wie Plenge (S. 724) berechnet, im'<br />
Jahr 1906: auf jede Mark direkter Steuern<br />
indirekte Steuern<br />
in England .<br />
•.<br />
. . 1,47 M.,<br />
in Frankreich . . . 2,61 ,,<br />
in Deutschland . . 2,94 „I<br />
Zu dieser durch überwiegende Konsumsteuern<br />
bewirkten Erschwerung des Daseinskampfes<br />
unserer niederen und mittleren<br />
Klassen kommt aber noch die durch<br />
Schutzzölle auf Getreide hervorgerufene<br />
Verteuerung des Brotes hinzu, welche<br />
jedes Jahr 800 Millionen aus den<br />
Taschen der arbeitenden Bevölkerung in<br />
die der adligen Großgrundbesitzer fließen<br />
läßt und die natürlich eine noch größere<br />
Verteuerung der gesamten Lebenshaltung<br />
zur Folge haben muß. Wieviel schlechter<br />
daher die arbeitende Bevölkerung bei uns<br />
unter einer solchen brutalen Wirtschaftspolitik<br />
gestellt ist als die in Frankreich und<br />
England, das lehren die Untersuchungen von<br />
Lujo Brentano („Die deutschen Getreidezölle",<br />
1911), von Paul Mombert („Die Belastung<br />
des Arbeiterbudgets durch die Kornzölle",<br />
1904), von Wilh. Gerloff („Verbrauch<br />
und Verbrauchsbelastung kleiner und<br />
mittlerer Einkommen in Deutschland", 1907),<br />
170<br />
von Karl v. Tyszka („Die Lebenshaltung der<br />
arbeitenden Klassen i. d. bedeut. Industriestaaten",<br />
1912) und anderen eindringlich<br />
genug. Schließlich wird natürlich, wenn es<br />
sich um einen Vergleich der Rüstungsbudgets<br />
Englands und Deutschlands handelt, meist<br />
verschwiegen, daß Deutschland einen zahlenmäßig<br />
zwar schwer ausdrückbaren, aber<br />
nichtsdestoweniger vorhandenen riesigen<br />
Posten für Rüstungszwecke mehr ausgibt<br />
1<br />
als England : dieser Posten besteht<br />
in der Tatsache der allgemeinen<br />
We hrpficht. Es ist ein großer Unterschied,<br />
ob man, wie in England, aus mehr<br />
oder minder zweifelhaften und volkswirtschaftlich<br />
wenig wertvollen Individuen ein Söldnerheer<br />
bildet, oder ob man, wie bei uns, gerade<br />
den wirtschaftlich tüchtigsten jungen Leuten<br />
zwei Jahre ihrer Ausbildungszeit und später<br />
noch soundso viel Wochen und Monate an<br />
Uebungen fortnimmt, was, ganz abgesehen<br />
von dem direkten Lohnausfall, eine ständige<br />
Störung des ganzen beruflichen Lebens bedeutet.<br />
Und zuletzt ist noch zu berücksichtigen,<br />
daß Frankreich und England nicht<br />
so viele wirtschaftliche Betriebe vom Staat<br />
entzogen sind wie uns deren Reingewinn,<br />
wie z. B. der der Eisenbahnen, welcher<br />
ca. 900 Mill. im Jahre beträgt, sofort wieder<br />
für Rüstungsausgaben verloren geht, so daß<br />
auch hier ein zahlenmäßig nicht leicht feststellbarer<br />
aber darum1 nicht minder großer<br />
Verlust für die deutsche Volkswirtschaft<br />
entsteht. —<br />
Also erst unter Berücksichtigung dieser<br />
Faktoren der Bevölkerungszahl, des Altersaufbaus,<br />
der Vermögensverteilung, der Art der<br />
steuerlichen Belastung und des Betriebsentzuges,<br />
soweit es sich um England handelt,<br />
auch unter Berücksichtigung des Umstandes,<br />
daß dieses Land keine allgemeine Wehrpflicht<br />
hat: erst unter Berücksichtigung aller dieser<br />
Faktoren wird ein Vergleich der europäischen<br />
Militärbudgets Anspruch auf wissenschaftliche<br />
Richtigkeit erheben können, und wie sehr sich<br />
schon dann das Bild zuungunsten Deutschlands<br />
verschiebt, haben wir gesehen.<br />
Danach läßt sich nun leicht entscheiden,<br />
daß, wenn Deutschland obendrein auch noch<br />
die schnellste Steigerung seiner Rüstungsausgaben,<br />
verglichen mit der im gleichen Zeitraum<br />
vollzogenen Rüstungssteigerung anderer<br />
Länder zeigt, an der Tatsache nicht mehr anders<br />
als aus völliger Unkenntnis oder in der Absicht<br />
lügnerischer Entstellung zu rütteln ist: daß<br />
dieLastderRüstungenaufDeutschland<br />
schwerer ruht als auf allen<br />
anderen Ländern. Und tatsächlich ist<br />
das denn auch der Fäll : die Rüstungsausgaben<br />
vom Jahre 1906 standen nach Plenges genauer<br />
Berechnung zu denen von 1875 und zu denen<br />
von 1893 in folgendem Verhältnis:<br />
Setzt man die Rüstungsausgaben voi<br />
- 1875 = 100, so waren sie im Jahre 1906 ge<br />
stiegen auf: