1913 - Det danske Fredsakademi
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es notgedrungen anderswo Ersatz suchen; es<br />
durfte ihm jedenfalls nicht das nackte<br />
Nationalitätsprinzip entgegengestellt werden,<br />
das in diesen interessanten Gegenden so unklar<br />
und verworren wie nur möglich ist.<br />
Nationalitäten sind hier erst im Entstehen<br />
begriffen. Dazu kommt, daß gerade Serbien<br />
weit mehr als die anderen Staaten des Balkan<br />
in seiner Vereinzelung ein unfertiges Staatsgebilde<br />
ist, wie einst Piemont, wie einst<br />
Brandenburg-Preußen! Es muß entweder<br />
untergehen oder sich ausdehnen! Die Politik<br />
Oesterreichs ihm gegenüber ist voll der folgenschwersten<br />
Fehler, weil sie nicht weiß, was<br />
sie will. Sie müßte Serbien verschlucken,<br />
oder es zum Freunde gewinnen.<br />
Ueberall unter den sogenannten Sachverständigen<br />
Europas hat man die militärischen<br />
Erfolge der Bulgaren überschätzt, die der<br />
Griechen und Serben unterschätzt. Kein<br />
Wunder, daß jene selbst der gleichen Meinung<br />
waren. In Wahrheit aber hatten sie ein unfertiges<br />
Türkenheer mehr überrannt als eigentlich<br />
geschlagen; die fortifikatorisch nicht eben<br />
großartige Stellung von Tschadtaldja hatten<br />
sie nicht mehr zu stürmen vermocht. Andererseits<br />
hatten die Serben sich bei Kumanowo<br />
und bei Monastir ernsthaft und tüchtig geschlagen,<br />
während die Griechen, die allerdings<br />
leichtere Arbeit vorfanden, mindestens<br />
strategisch sehr gut geführt waren. Aber die<br />
falsche Beurteilung der gegenseitigen Kraftverhältnisse<br />
durch die Bulgaren ist ein klassisches<br />
Beispiel dafür, wie schwer es ist,<br />
sich von dem wahrscheinlichen Ausgang eines<br />
großen Krieges, von dem Werte feindlicher<br />
Armeen vor dem Gottesgerichte der Schlacht<br />
ein irgendwie zutreffendes Bild zu machen.<br />
Der Ausgang eines jeden großen Krieges liegt<br />
immer erst nachträglich in seiner Bedingtheit,<br />
in seinen Ursachen klar vor unsern Augen.<br />
Vorher ist er das größte Hasardspiel; und<br />
man mag eher hoffen, die Bank von Monako<br />
zu sprengen, als in einem Kriege mit einem<br />
der großen Militärstaaten Sieger zu bleiben.<br />
Wenn unsere Diplomaten einige Fähigkeit in<br />
ihrem Berufe und einige Gewissenhaftigkeit<br />
besitzen, muß gerade diese Erfahrung sie<br />
friedliebend stimmen und dem Gedanken der<br />
Schiedsgerichte geneigt machen. Auch vor<br />
einem Gerichtshofe mag das Recht nicht<br />
immer zum Siege gelangen, aber niemals gibt<br />
es dort ein Lotto, wie es das Schlachtfeld<br />
ist; niemals die blutige Größe des Einsatzes!<br />
Zu der Ueberschätzung ihres eigenen militärischen<br />
Wertes kam dann, wie es unter<br />
solchen Umständen und bei einer an sich<br />
kurzsichtigen und zugleich abenteuerlichen<br />
Politik immer zugehen pflegt, der schwere<br />
Fehler einer falschen Versammlung der<br />
Hauptkräfte. Ihre Anhäufung an der serbischen<br />
Südostgrenze mit der demonstrativen<br />
Bedrohung von Belgrad war nur dann gerechtfertigt,<br />
wenn man dort auf rasche Erfolge<br />
hoffen konnte, ehe die verhältnismäßig<br />
schwache Aufstellung in Mazedonien überwältigt<br />
wurde. Aber man rechnete freilich<br />
auch hier auf den Sieg, weil man die Energie<br />
der griechischen Heerführung bei weitem<br />
zu gering, die Schwierigkeiten des Landes<br />
und der Verpflegung bei weitem zu hoch<br />
einschätzte. Man glaubte, die Serben durch<br />
einen Flankenangriff von Süden her aufrollen<br />
zu können, ehe die griechische Einwirkung<br />
zur Geltung käme. Dieser Fehler im<br />
Kalkül ist nahezu unverzeihlich, weil die<br />
Erfahrung des Winterfeldzuges für eine hohe<br />
Entschlossenheit und Gewandtheit der griechischen<br />
Heeresleitung zeugte. Auch die smarte<br />
und rasche Art, wie man ihnen Saloniki vor<br />
der Nase wegschnappte, hätte den hochmütigen<br />
Bulgaren zu denken geben sollen.<br />
Im ganzen genommen, ist der Feldzug<br />
von ihnen schlecht eingeleitet und schlecht geführt<br />
worden; hoffnungslos aber wurde er, als<br />
die Rumänen eingriffen. Ohne sie wäre der<br />
Kampf wahrscheinlich ohne endgültige Entscheidung<br />
an den alten bulgarischen Grenzen<br />
zum Stillstand gekommen, und die allgemeine<br />
Erschöpfung hätte dem zwecklosen<br />
Morden ein schließliches Ziel gesetzt. Nun<br />
ist Bulgarien so gebeugt, wie wohl noch nie<br />
ein Land nach glänzenden Siegen; noch nie<br />
wohl ist einem meteorgleichen Aufstieg so<br />
rascher Fall gefolgt! Des alten Aeschiylus<br />
Erfahrung wird aufs neue bestätigt:<br />
— „daß nicht zu hoch der Mensch das<br />
Haupt erhebe I<br />
Blühender Uebermut trägt schon die Aehre<br />
Der Schuld, zu tränenreicher Ernte reif!"<br />
Das arme, vielgeprüfte Volk, für das ein<br />
Menschenopfer von angeblich 100 000 blühenden<br />
Leben einen ungeheuren Aderlaß bedeutet<br />
(als ob Deutschland im Feldzuge von<br />
1870 die Zahl von einer Million Männer verloren<br />
hätte!), hat nur den einen Trost<br />
und die eine Hoffnung, daß für die Großmächte<br />
seine Erhaltung eine Notwendigkeit<br />
bedeutet. Ein Großserbien an seiner Stelle<br />
würde den sofortigen europäischen Krieg<br />
zur Folge haben. Bulgarien wird also<br />
verhältnismäßig gnädig davonkommen, mag<br />
vielleicht sogar Adrianopel wieder gewinnen —<br />
vielleicht! Aber der Traum von seiner Vormachtstellung<br />
auf dem Balkan ist ausgeträumt;<br />
und diese Enttäuschung wird am besten Marke<br />
1<br />
des Landes zehren und es zu<br />
einer steten Quelle<br />
der Besorgnis für Europa machen. Erstjetzt<br />
wird die Lage auf dem Balkan wirklich bedrohlich,<br />
gerade weil an einen Balkan b und<br />
nicht mehr zu denken ist. Und weil alles<br />
von neuem in Frage gestellt ist! Wer kann<br />
die Türken anklagen, nachdem die Bulgaren<br />
mit so schlechtem Beispiel vorangegangen<br />
sind? Und wer schließlich die Bulgaren<br />
verurteilen, da ja die Großmächte<br />
Europas einig immer nur in der Negative,<br />
in der Passivität waren. Der Ehrgeiz des<br />
kleinen Landes ist durch die eine klare<br />
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