1913 - Det danske Fredsakademi
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Die Sünden Bulgariens.<br />
Von Richard Gädke, Berlin-Steglitz,<br />
früher Oberst und Regimentskommandeur.<br />
Die gegenwärtige Lage Bulgariens ist<br />
ein Schulbeispiel für die Folgen einer chauvinistischen,<br />
imperialistischen Politik, die alles<br />
auf die Schärfe des Schwertes stellt und den<br />
internationalen Zusammenhang der Dinge<br />
übersehen zu können glaubt. Vielleicht niemals<br />
ward eine anfänglich überaus günstige<br />
Lage derart verdorben und in ihr Gegenteil<br />
verkehrt durch eine kurzsichtige Habgier, die<br />
den Nachbarn nichts gönnte und mit einem<br />
Schlage auf dem Wege brutalster Gewalt die<br />
Vorherrschaft des eigenen Staates gewinnen<br />
wollte. Hätten die Staatsmänner Bulgariens<br />
auch nur ein mittleres Maß von Einsicht und<br />
Vernunft besessen, so lag in der Tat ein<br />
militär-politischer Bund der Balkanstaaten<br />
nicht außerhalb des Bereichs der Möglichkeit.<br />
Und damit konnte eine neue Großmacht entstehen,<br />
die durch die Art ihrer Organisation<br />
selbst eine Gewähr für den Frieden Europas<br />
gewesen wäre. Es konnte ein dauerndes<br />
Staatengebilde sich erheben, das eine der<br />
größten Quellen aller Beunruhigung verstopft<br />
hätte. Die gegenseitigen Eifersüchte-<br />
leien der Großmächte gerade auf diesem vulkanischen<br />
Boden wurden beseitigt; der<br />
Staatenbund wäre mächtig genug gewesen,<br />
sich in voller Unabhängigkeit zwischen Oesterreich<br />
und Rußland zu behaupten. Sogar<br />
der Bestand der asiatischen Türkei konnte<br />
gesichert, ihr Zeit und Möglichkeit für eine<br />
grundlegende Erneuerung geboten werden.<br />
Welche Aussichten! Welch Glück für den<br />
dauernden Frieden Europas<br />
Wie hat sich das jetzt geändert !<br />
Es<br />
ist<br />
nur ein magerer Trost, wenn durch die Bemühungen<br />
der Diplomaten diesmal vielleicht<br />
der allgemeine Frieden noch wird erhalten<br />
werden, hauptsächlich darum, weil die Furcht<br />
vor den Folgen eines großen Zusammenstoßes<br />
in friedlichem Sinne wirkt, und<br />
weil beinahe alle maßgebenden Staaten<br />
sich inmitten neuer gewaltiger Rüstungen befinden.<br />
Laßt sie erst vollendet sein, und ihr<br />
werdet sehen, wie der Wetterwinkel am<br />
Balkan und in Kleinasien seine unheilvollen<br />
Wirkungen äußert, bereit alles, was gesittete<br />
Männer im Laufe langer Jahre mit unendlicher<br />
Mühe und Geduld aufbauen, mit einem<br />
einzigen Sturmeshauche zu zerstören. Denn<br />
es ist ja nicht der große Gegensatz zwischen<br />
den beiden Teilstaaten des alten Reiches<br />
Karls des Großen, von dem aus der verheerende<br />
Kriegssturm ausgehen wird. Dazu<br />
sind denn doch die Staatsmänner und die<br />
Parlamente auf beiden Seiten der Vogesen<br />
zu gewissenhaft und besonnen, die chauvinistischen<br />
Schreier und kriegslüsternen Generale<br />
bei weitem nicht mächtig genug, um<br />
so aus dem Handgelenke, ohne einen Grund,<br />
der die Massen in ihren Tiefen aufregt, einen<br />
I geben.<br />
Kriegsbrand zu entfesseln. Wo aber sind denn<br />
die großen Interessengegensätze zwischen<br />
Frankreich und Deutschland? In Afrika ist<br />
die Kolonialfrage auf absehbare Zeit geordnet;<br />
Frankreich hat Marokko, auf das<br />
sein moralisches Anrecht — sit venia verbo —<br />
jedenfalls größer war als das unsrige; und<br />
w i r haben die Fiebersümpfe am Kongo<br />
als Lohn einer wenig umsichtigen, wenig<br />
zielbewußten Politik. Ich sehe nirgends<br />
Reibungsflächen, aus denen hier noch neue<br />
Konflikte entstehen könnten. Um Elsaß -Lothringen<br />
zurückzugewinnen, werden die<br />
Franzosen schwerlich einen Krieg vom Zaune<br />
brechen. Dies Symbol ist prächtig, um das<br />
Volk zu militärischen Opfern willig zu machen,<br />
aber es hat bei der lebenden Generation<br />
längst nicht mehr die Wirkung, um es der<br />
Rache wegen in einen gefährlichen Krieg zu<br />
stürzen. Unsere angebliche Absicht aber<br />
auf Belgien ist eine ausschweifende Phantasie,<br />
von der sich nur besonders törichte Franzosen<br />
umnebeln lassen. Frankreich und Deutschland<br />
sind gewiß durch manche Erinnerung und<br />
durch die schwere Demütigung von 1870<br />
getrennt, aber ohne großen äußeren Anlaß<br />
wird die Abneigung, die daraus hervorgeht,<br />
schwerlich zu einem Kriege zwischen<br />
beiden Völkern führen. Diesen äußeren Anlaß<br />
kann nur, soweit wir irgend die Lage zu<br />
überblicken vermögen, die Entwicklung der<br />
Dinge auf dem Balkan und in Kleinasien<br />
Auch sie nicht einmal unmittelbar;<br />
sondern weil hier die großen Interessengegensätze<br />
zwischen den beiderseitigen Verbündeten<br />
bestehen, die die beiden größten Militärstaaten<br />
der Welt, Selbst widerwillig, in ihren<br />
verderblichen Strudel zu ziehen vermögen.<br />
Ein Balkanbund, besonders unter Einschluß<br />
der Türkei, konnte diese Interessengegensätze<br />
mildern, selbst beseitigen, weil er,<br />
wie ich oben gesagt, ein lebensfähiges Gebilde<br />
war, das den Appetit der Nachbaren in seine<br />
Grenzen zurückwies. Der Zustand aber, wie<br />
er höchstwahrscheinlich aus den Konferenzen<br />
von Bukarest hervorgehen wird, ist voll der<br />
größten Gefahren. Er kann höchstens ein<br />
labiles<br />
geben.<br />
aber kein stabiles Gleichgewicht er-<br />
Unmittelbar nach dem Friedensschlüsse<br />
werden die Rüstungen und die Intriguen<br />
von neuem beginnen, und man wird versuchen,<br />
die vorläufige Entscheidung durch<br />
eine endgültige zu ersetzen. Nicht friedliches<br />
Nebeneinanderleben von Staaten, die den Fortschritten<br />
der Kultur zustreben wollen, wird<br />
die Folge sein, sondern gegenseitige Eifersucht,<br />
vermehrte Gegensätze, Anziehung der<br />
Rüstungsschraube, Ehrgeiz, der anstatt des<br />
Glückes der Bürger die Machterweiterung"<br />
durch das Schwert sucht !<br />
Und in dieses gegen-<br />
seitige Intriguenspiel werden Rußland und<br />
Oesterreich, Italien und Frankreich, Deutschland<br />
und England hineingezogen werden.<br />
Denn die traurige Entwicklung der Dinge läßt<br />
ihnen die Möglichkeit eigener Machter-<br />
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