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1913 - Det danske Fredsakademi

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DfE FRIEDENS -WARTE 19<br />

wichts in Nordafrika gemerkt; erst der heilige<br />

Giuliano war auf diesen Einfall gekommen,<br />

daß dort etwas nicht in Ordnung sei. Wie<br />

aber, wenn eines Tags Großgriechenland auf<br />

die Idee käme, daß es jenseits des Mittelmeers<br />

sehr wichtige Interessen (Lebensinteressen<br />

nennt man das in der Sprache der<br />

Diplomatie) zu vertreten habe und daß das<br />

dortige Gleichgewicht zu seinen Ungunsten<br />

gestört sei; wenn es also eine Kriegsflotte<br />

mit einer Expedition für die nordafrikanische<br />

Küste ausrüstete? Ach, das wäre natürlich<br />

etwas ganz anderes und nicht zu vergleichen<br />

mt der geschichtbildenden Tat San Giulianos.<br />

Es ist aber wirklich reizend zu sehen,<br />

welche Liebenswürdigkeit, welche bezaubernde<br />

Bonhommie dieser Staatsmann der Türkei gegenüber<br />

an den Tag legt, nachdem er sein<br />

Schäfchen ins Trockene gebracht hat. Er<br />

hat zwar der Türkei Libyen genommen, er<br />

hat den Balkanstaaten erlaubt, die europäischen<br />

Besitzungen des osmanischen Reiches unter<br />

sich zu teilen ; aber nun sagt er dem beraubten<br />

Wanderer, dem er das Hemd über<br />

den Kopf gezogen hat: Soyons amisl „Wir<br />

haben", sagt er wörtlich, „das Vertrauen, daß<br />

die Türkei in der wirtschaftlichen Tätigkeit<br />

Italiens einen Faktor des Fortschritts erblicken<br />

wird, welcher ihr keinen Verdacht einflößen<br />

wird, als ob wir zu ihrem Schaden territoriale<br />

Absichten hegten. Wenn die Türkei in loya-<br />

ler Weise den Vertrag von Lausanne erfüllt . .<br />

findet sie in Italien einen zuverlässigen<br />

Freund." Es geschehen noch Wunder und<br />

Zeichen, der italienische Wolf liegt neben dem<br />

halbzerfleischten Lamm und hilft ihm sogar<br />

durch „greifbare Beweise seiner Freundschaft",<br />

daß ihm ferner die Wolle nicht mehr geschoren<br />

werde. Italien setzt sich für die Unverletzbarkeit<br />

des osmanischen Besitzes in<br />

Asien ein : „Die Integrität der asiatischen Türkei",<br />

sagt San Giuliano, „die Entwicklung der<br />

Wohlfahrt und die Verbesserung der Lebensbedingungen<br />

ihrer Völkerschaften, bilden für<br />

Italien ein Interesse erster Ordnung." Wie<br />

edel und großherzig ist das gedacht — wenn<br />

nur nicht der Pferdefuß macchiavellistischer<br />

Diplomatenschlauheit gar zu deutlich herausschaute.<br />

Was wird San Giuliano tun, wenn<br />

nun wider alle diplomatische Erwartung in<br />

absehbarer Zeit die asiatische Türkei auch<br />

zerfällt ; und wenn dann gewisse andere Mächte<br />

zugreifen, und die Adler niederstoßen auf das<br />

Aas ? Wahrscheinlich wird er dann das Gleichgewicht<br />

des Mittelmeers für gestört angesehen<br />

und seinerseits auch zugreifen, um sich ein<br />

Stück der Beute zu sichern. Aber bis dahin<br />

ist er ein<br />

Es ist<br />

zuverlässiger Freund der Türkei.<br />

aber wirklich lehrreich, sich nicht<br />

nur die Geschichte von der Eroberung Libyens,<br />

sondern auch die Geschichte des Balkankonflikts<br />

von San Giuliano erzählen zu lassen.<br />

„Hundert Jahre lang", sagte er, „hat man<br />

die Formel des Status quo auf die Zustände<br />

des Türkenreiches angewandt"; natürlich,<br />

86<br />

wie er glauben machen will, aus reiner Fürsorge<br />

für die Bewohner des nahen Orients,<br />

in Wahrheit nur, weil die europäischen Kabinette<br />

mit größter Eifersucht einander bewachten,<br />

daß doch ja keines dem andern<br />

zuvorkomme und sich um ein Beutestück bereichere,<br />

das dem anderen ebenso sehr in die<br />

Augen geleuchtet hätte. Aber das „lange und<br />

treue" ( ! ) Festhalten an dieser Formel hat<br />

— nach San Giuliano — für die Türkei die<br />

Wirkung gehabt, den Verlust ihrer europäischen<br />

Provinzen bis zu dem Tage zu verzögern,<br />

wo die Balkanvölker reif waren, die<br />

Erbschaft anzutreten." Wie reif sie waren,<br />

davon können dieAlbanesen mit ihren Frauen<br />

und Kindern erzählen; aber die „lange Aufrechterhaltung<br />

der provisorischen Formel<br />

vom Status quo hat heute die Anwendung der<br />

der Balkan den Balkan-<br />

definitiven Formel :<br />

völkern, ermöglicht." Schade, daß die europäischen<br />

auf diese<br />

Großmächte nicht schon länger<br />

definitive Formel gekommen sind;<br />

sie hätten, wenn sie die durch den Berliner<br />

Vertrag den Mazedoniern vor 34 Jahren zugewilligte<br />

Selbstverwaltung durchgeführt<br />

hätten, den „reifen" Balkanvölkern viel Blutvergießen<br />

erspart. San Giuliano sieht in der<br />

Formel : der Balkan den Balkanvölkern, eine<br />

endgültige Lösung des Problems, die den<br />

Frieden für die Balkanhalbinsel und für<br />

Europa auf viele Jahre sichert. Aber was ist<br />

das für ein Frieden, der immer nur auf viele<br />

Jahre, statt auf die Dauer gesichert wird, und<br />

der nur durch den wahnsinnigsten Zer-<br />

störungsaufwand aufrechterhalten werden<br />

kann ! Welche Gefahren diesem Frieden<br />

drohen, das hat der italienische Minister<br />

des Auswärtigen in einer etwas dunklen und<br />

doch sehr bezeichnenden Stelle seiner Rede<br />

angedeutet; ich meine die Stelle, in der er<br />

von! Mittelmeer handelt. Es ist zwar eine<br />

sehr vernünftige Ansicht, die er in den<br />

hat das Recht,<br />

Worten ausspricht : „Niemand<br />

das Mittelmeer ein mare nostrum zu nennen.<br />

Es ist und muß die freie Bahn der Nationen<br />

bleiben, wo keine Nation die Herrschaft haben<br />

kann und darf, aber alle daran Anteil haben<br />

dürfen." Was soll es dann aber heißen, daß<br />

San Giuliano dennoch erklärt : „Wenn<br />

durch<br />

die Macht der Ereignisse und gegen unseren<br />

Willen und gegen den aller Großmächte<br />

früher oder später erhebliche territoriale Veränderungen<br />

im Mittelmeer eintreten sollten,<br />

könnte ItaÜen dabei kein müßiger Zuschauer<br />

bleiben, sondern müßte verlangen, daß seine<br />

Stellung als Mittelmeergroßmacht von jedermann<br />

gebührend berücksichtigt werde." Wer<br />

sollte nun aber diese territoriale Veränderung<br />

herbeiführen, wenn die Großmächte darin<br />

einig sind, sie zu verhindern ? Sollte das<br />

etwa die unpersönliche Macht der Geschichte<br />

tun, von der San Giuliano so große Stücke<br />

hält, daß er erklärt, die europäische Diplomatie<br />

könne sich nicht an die Stelle der<br />

großen, bestimmenden Kräfte der Geschichte

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