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1913 - Det danske Fredsakademi

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DIE FRIEDENS -V&BTE ;s><br />

Lessings sagt: „Schadet nichts! Der Jude<br />

wird verbrannt."<br />

Aehnlich abstrakt wie sie, nur gegenteilig,<br />

dachte jene Waschfrau, zu der ihre Nachbarin<br />

sagte: „Haben Sie schon gelesen, Frau<br />

Müllern? Ostern soll die Welt untergehen."<br />

„Ach! das geht mich nichts an," antwortete<br />

die kluge Müllern, „denn ich reise zu Ostern<br />

nach Stettin zu meiner Tochter." Wie jene<br />

abstrakt nur an das Ganze denken, so denkt<br />

diese abstrakt nur an den Teil, auf dem sie<br />

gerade steht; beide könnten sich aber nicht<br />

über das handgreiflich Einzelne erheben.<br />

Ihnen gleichen Sie, meine Herren, die<br />

nur das Einzelne des großen Ganzen der Geschichte<br />

sehen, nicht die ganze Summe, die<br />

Bäume wohl, nicht aber den Wald, auch nur<br />

immer ein Merkmal abstrakt betrachten, nicht<br />

alle in concreto, allenfalls nach voreiligem<br />

Induktionsschluß urteilen, wo nicht gar den<br />

Wunsch den Vater des Gedankens sein lassen,<br />

so ähnlich auch, wie das Weib Emilie in<br />

Shakespeares Othello. Diese meint nämlich,<br />

daß man das Verbrecherische nur gesetzlich<br />

zu sanktionieren brauche, damit es den Charakter,<br />

verbrecherisch zu sein, verliere. Aehnlich<br />

verfährt von<br />

einfach „heiligt".<br />

Treitschke,<br />

„Bis an das<br />

der den Krieg<br />

Ende der Geschichte<br />

werden die Waffen ihr Recht behalten",<br />

sagt er; „und darin liegt die<br />

Heiligkeit des Krieges. Die Größe des<br />

Krieges liegt gerade in jenen Zügen, welche<br />

die flache Aufklärung ruchlos findet".<br />

Armer Kant ! Wie bist du doch ein flacher<br />

Aufklärer in Herrn v. Treitschkes Augen, der<br />

du geglaubt hast, die Eliminierung des Krieges<br />

aus dem Staatenleben zum letzten Schluß<br />

deiner Weisheit machen zu müssen! Doch,<br />

mein verehrtester Kant, du brauchst dich nicht<br />

zu schämen, am wenigsten vor Herrn von<br />

Treitschke, zumal du in Herrn Goethe einen<br />

guten Eideshelfer deines Glaubens gefunden<br />

hast, der gleich dir an verständige Menschen<br />

appelliert hat. „Schon wieder Krieg!" sagt<br />

er (Faust IL Akt. 4)*). „Der Kluge hört's<br />

nicht gern."<br />

Mephistopheles, hierin ein Eideshelfer des<br />

Herrn von Treitschke, erwidert im Ethos des<br />

„geistigen Tierreichs"**).<br />

Krieg oder Frieden — — klug ist das Be-<br />

Aus jedem Umstand<br />

mühen,<br />

seinen Vorteil<br />

ziehen.<br />

Man paßt, man merkt auf jedes günstige Nu;<br />

Gelegenheit ist da; nun, Fauste, greife zu."<br />

Für den im Reiche der Vernunft lebenden<br />

Faust sind<br />

Rätselkram<br />

das Rätselworte: „Mit solchem<br />

verschone mich! Und kurz und<br />

gut, was soll's? Erkläre dich."<br />

*) In Bielschowskis Goethe-Biographie ist<br />

dieser Akt nicht behandelt. Warum nicht? War<br />

der Stoff heißes Eisen ?<br />

**) Ausdruck Hegels.<br />

102<br />

Als dann Mephisto sich erklärt, indem<br />

er von der Tiefe seines „geistigen Tierreichs"<br />

Faust auf die Gelegenheit zu Landerwerb hinweist<br />

und mit der Lockung<br />

und Genuß zu gewinnen sucht,<br />

zu Herrschaft<br />

erwidert Faust<br />

aus der Gedankenhöhe seines geistigen Menschenreiches<br />

:<br />

„Ein großer Irrtum! Wer befehlen soll,<br />

Muß im Befehlen Seligkeit empfinden;<br />

Ihm ist die Brust von hohem Willen voll,<br />

So wird er stets der Allerhöchste sein,<br />

Der Würdigste — ; Genießen macht gemein."<br />

Darauf fährt Mephisto fort, indem er mit<br />

klugem Opportunismus ein typisches Bild, etwa<br />

nach dem Vorbild des heiligen römischen<br />

Reiches oder der französischen Revolution<br />

oder, gleichsam als hätte er es vorausgeahnt,<br />

von den Balkanwirren gegenwärtig (Okt.<br />

1912) malt und den Egoismus als Anbeter<br />

des Erfolges heranzieht.<br />

„Die Tüchtigen, sie standen auf mit Kraft<br />

Und sagten: „Herr ist, der uns Ruhe schafft.<br />

Der Kaiser kann's nicht, will's nicht — laßt<br />

uns wählen<br />

Den neuen Kaiser, neu das Reich beseelen,<br />

Indem er jeden sicherstellt,<br />

In einer frisch ^geschaffnen Welt<br />

Fried' und Gerechtigkeit vermählen."<br />

Bei dieser Sophistik des Erfolges erhebt<br />

sich Faust wiederum auf die Höhe wahrhaftigen<br />

Urteilens und sagt:<br />

„Das klingt sehr pfäffisch", denn Pfaffen<br />

Sind überall die sophistischen Apologeten*) des<br />

Erfolges, zumal sie ihren Lohn dabei<br />

nehmen.dahin-<br />

„Pfaffen waren's auch.<br />

Sie sicherten den, wohlgenährten Bauch<br />

Sie waren mehr als andere beteiligt,<br />

Der Aufruhr schwoll, der Aufruhr ward geheiligt,"<br />

Mephisto ist zwar doppelzüngig, hinterlistig,<br />

aber auch wahrhaftig, wenn's ihm<br />

Spaß macht, besonders wenn er andere verhöhnen<br />

kann, nachdem sie ihm Gelegenheit<br />

gegeben, Widerspruch zwischen hohen Intuitionen<br />

(Intuition mit Goethe) und nachfolgenden<br />

Taten ins Licht zu stellen. In diesem<br />

Sinne sagt er derb und geradezu auf Fäustens<br />

Frage, was es gebe: „Nein! Aber gleich Herrn<br />

Peter Squenz vom ganzen Praß die Quintessenz."<br />

Bei diesen Worten treten die drei<br />

Gewaltigen auf, zu denen sich bald ein vierter<br />

gesellt, die Typen des Krieges, deren Wesen<br />

Goethe durch ihre Namen allegorisiert hat,<br />

denn sie heißen Raufebold, Habebald, Haltefest<br />

und Eilebeute. Jeder schildert dann sein<br />

Wesen selbst gerade so ungefähr, wie die<br />

Königlein der Balkan-Halbinsel reden, die<br />

viel Gerede von hohen Intentionen machen T<br />

*) Goethes Gespräche mit Eckermann III,.<br />

Seite 33, 215 und 230 ff.

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