1913 - Det danske Fredsakademi
1913 - Det danske Fredsakademi
1913 - Det danske Fredsakademi
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
DIE FRIEDENS -V&BTE ;s><br />
Lessings sagt: „Schadet nichts! Der Jude<br />
wird verbrannt."<br />
Aehnlich abstrakt wie sie, nur gegenteilig,<br />
dachte jene Waschfrau, zu der ihre Nachbarin<br />
sagte: „Haben Sie schon gelesen, Frau<br />
Müllern? Ostern soll die Welt untergehen."<br />
„Ach! das geht mich nichts an," antwortete<br />
die kluge Müllern, „denn ich reise zu Ostern<br />
nach Stettin zu meiner Tochter." Wie jene<br />
abstrakt nur an das Ganze denken, so denkt<br />
diese abstrakt nur an den Teil, auf dem sie<br />
gerade steht; beide könnten sich aber nicht<br />
über das handgreiflich Einzelne erheben.<br />
Ihnen gleichen Sie, meine Herren, die<br />
nur das Einzelne des großen Ganzen der Geschichte<br />
sehen, nicht die ganze Summe, die<br />
Bäume wohl, nicht aber den Wald, auch nur<br />
immer ein Merkmal abstrakt betrachten, nicht<br />
alle in concreto, allenfalls nach voreiligem<br />
Induktionsschluß urteilen, wo nicht gar den<br />
Wunsch den Vater des Gedankens sein lassen,<br />
so ähnlich auch, wie das Weib Emilie in<br />
Shakespeares Othello. Diese meint nämlich,<br />
daß man das Verbrecherische nur gesetzlich<br />
zu sanktionieren brauche, damit es den Charakter,<br />
verbrecherisch zu sein, verliere. Aehnlich<br />
verfährt von<br />
einfach „heiligt".<br />
Treitschke,<br />
„Bis an das<br />
der den Krieg<br />
Ende der Geschichte<br />
werden die Waffen ihr Recht behalten",<br />
sagt er; „und darin liegt die<br />
Heiligkeit des Krieges. Die Größe des<br />
Krieges liegt gerade in jenen Zügen, welche<br />
die flache Aufklärung ruchlos findet".<br />
Armer Kant ! Wie bist du doch ein flacher<br />
Aufklärer in Herrn v. Treitschkes Augen, der<br />
du geglaubt hast, die Eliminierung des Krieges<br />
aus dem Staatenleben zum letzten Schluß<br />
deiner Weisheit machen zu müssen! Doch,<br />
mein verehrtester Kant, du brauchst dich nicht<br />
zu schämen, am wenigsten vor Herrn von<br />
Treitschke, zumal du in Herrn Goethe einen<br />
guten Eideshelfer deines Glaubens gefunden<br />
hast, der gleich dir an verständige Menschen<br />
appelliert hat. „Schon wieder Krieg!" sagt<br />
er (Faust IL Akt. 4)*). „Der Kluge hört's<br />
nicht gern."<br />
Mephistopheles, hierin ein Eideshelfer des<br />
Herrn von Treitschke, erwidert im Ethos des<br />
„geistigen Tierreichs"**).<br />
Krieg oder Frieden — — klug ist das Be-<br />
Aus jedem Umstand<br />
mühen,<br />
seinen Vorteil<br />
ziehen.<br />
Man paßt, man merkt auf jedes günstige Nu;<br />
Gelegenheit ist da; nun, Fauste, greife zu."<br />
Für den im Reiche der Vernunft lebenden<br />
Faust sind<br />
Rätselkram<br />
das Rätselworte: „Mit solchem<br />
verschone mich! Und kurz und<br />
gut, was soll's? Erkläre dich."<br />
*) In Bielschowskis Goethe-Biographie ist<br />
dieser Akt nicht behandelt. Warum nicht? War<br />
der Stoff heißes Eisen ?<br />
**) Ausdruck Hegels.<br />
102<br />
Als dann Mephisto sich erklärt, indem<br />
er von der Tiefe seines „geistigen Tierreichs"<br />
Faust auf die Gelegenheit zu Landerwerb hinweist<br />
und mit der Lockung<br />
und Genuß zu gewinnen sucht,<br />
zu Herrschaft<br />
erwidert Faust<br />
aus der Gedankenhöhe seines geistigen Menschenreiches<br />
:<br />
„Ein großer Irrtum! Wer befehlen soll,<br />
Muß im Befehlen Seligkeit empfinden;<br />
Ihm ist die Brust von hohem Willen voll,<br />
So wird er stets der Allerhöchste sein,<br />
Der Würdigste — ; Genießen macht gemein."<br />
Darauf fährt Mephisto fort, indem er mit<br />
klugem Opportunismus ein typisches Bild, etwa<br />
nach dem Vorbild des heiligen römischen<br />
Reiches oder der französischen Revolution<br />
oder, gleichsam als hätte er es vorausgeahnt,<br />
von den Balkanwirren gegenwärtig (Okt.<br />
1912) malt und den Egoismus als Anbeter<br />
des Erfolges heranzieht.<br />
„Die Tüchtigen, sie standen auf mit Kraft<br />
Und sagten: „Herr ist, der uns Ruhe schafft.<br />
Der Kaiser kann's nicht, will's nicht — laßt<br />
uns wählen<br />
Den neuen Kaiser, neu das Reich beseelen,<br />
Indem er jeden sicherstellt,<br />
In einer frisch ^geschaffnen Welt<br />
Fried' und Gerechtigkeit vermählen."<br />
Bei dieser Sophistik des Erfolges erhebt<br />
sich Faust wiederum auf die Höhe wahrhaftigen<br />
Urteilens und sagt:<br />
„Das klingt sehr pfäffisch", denn Pfaffen<br />
Sind überall die sophistischen Apologeten*) des<br />
Erfolges, zumal sie ihren Lohn dabei<br />
nehmen.dahin-<br />
„Pfaffen waren's auch.<br />
Sie sicherten den, wohlgenährten Bauch<br />
Sie waren mehr als andere beteiligt,<br />
Der Aufruhr schwoll, der Aufruhr ward geheiligt,"<br />
Mephisto ist zwar doppelzüngig, hinterlistig,<br />
aber auch wahrhaftig, wenn's ihm<br />
Spaß macht, besonders wenn er andere verhöhnen<br />
kann, nachdem sie ihm Gelegenheit<br />
gegeben, Widerspruch zwischen hohen Intuitionen<br />
(Intuition mit Goethe) und nachfolgenden<br />
Taten ins Licht zu stellen. In diesem<br />
Sinne sagt er derb und geradezu auf Fäustens<br />
Frage, was es gebe: „Nein! Aber gleich Herrn<br />
Peter Squenz vom ganzen Praß die Quintessenz."<br />
Bei diesen Worten treten die drei<br />
Gewaltigen auf, zu denen sich bald ein vierter<br />
gesellt, die Typen des Krieges, deren Wesen<br />
Goethe durch ihre Namen allegorisiert hat,<br />
denn sie heißen Raufebold, Habebald, Haltefest<br />
und Eilebeute. Jeder schildert dann sein<br />
Wesen selbst gerade so ungefähr, wie die<br />
Königlein der Balkan-Halbinsel reden, die<br />
viel Gerede von hohen Intentionen machen T<br />
*) Goethes Gespräche mit Eckermann III,.<br />
Seite 33, 215 und 230 ff.