1913 - Det danske Fredsakademi
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Januar <strong>1913</strong>.<br />
Es geht etwas vor in Europa, das sich,<br />
wohl zu unterscheiden scheint von den sonstigen<br />
diplomatischen Krisen. Es handelt<br />
sich nicht bloß um die Entwirrung eines<br />
augenblicklich gegebenen Konfliktes, um die<br />
Herstellung des gewohnten, durch einen<br />
Krieg in Schwankung geratenen Gleichge<br />
wichts. Die gegenwärtige Krise scheint vielmehr<br />
nur der Auftakt zu einer viel größeren<br />
zu werden, die sich nicht heute noch morgen<br />
beruhigen wird. Es ist so, als ob jetzt die<br />
Entscheidung über die Stellung Europas in<br />
der Welt fallen solle. Unsere Diplomaten<br />
haben jahrzehntelang vom „kranken Mann<br />
am Bosporus" gesprochen und haben dabei<br />
ganz übersehen, daß ganz Europa dieser<br />
kranke Mann ist. Krank an der internationalen<br />
Anarchie, zerfressen vom Chauvinismus<br />
und Militarismus, die an den Lebenssäften<br />
aller Nationen dieses unglücklichen<br />
Erdteils nagen. Bei allen Krankheiten gibt<br />
es ein Stadium der Krise, wo es sich zeigt,<br />
ob der Organismus stärker ist als die ihn<br />
bedrohenden Kräfte, oder ob diese die Oberhand<br />
erlangen. Zwischen Gesundung oder<br />
Vernichtung schwankt dann die "Wage.<br />
"Wir Pazifisten sind Optimisten. Wir<br />
glauben an die gesunde Logik: der Dinge,<br />
die wir erkannt haben, und deren Walten<br />
uns berechtigt, an die schließliche Gesundung<br />
dieses Erdteils zu glauben, dessen Bewohner<br />
trotz all der traurigen Perioden, die<br />
sie bereits durchlaufen haben, und unter<br />
deren Einflüssen sie noch leiden, der Menschheit<br />
die Kultur gegeben haben. Wir sind<br />
nicht Optimisten aus Bequemlichkeit oder<br />
aus Kurzsichtigkeit, sondern aus der Erkenntnis<br />
der Zusammenhänge heraus, auf<br />
Grund unseres unerschütterlichen Glaubens<br />
an eine Entwicklung der Menschheit. Die<br />
Gegner lassen sich vom Lärm des Tages<br />
betören und sprechen triumphierend vom<br />
„Bankrott des Pazifismus''. Sie sehen die<br />
Krise.<br />
Zusammenhänge nicht und nehmen die<br />
Krummlinie einer Episode für eine nach abwärts<br />
gerichtete Kurve. Nicht, daß sie<br />
meinen, Recht zu haben, betrübt uns, sondern<br />
daß sie dabei triumphieren erfüllt uns mit<br />
Schmerz. Die Resignation auf das Menschentum,<br />
die darin liegt, ist das Entsetzliche.<br />
Die Episode der Wirren und Greuel, die<br />
wir jetzt durchleben, kann die Richtlinie<br />
der Entwicklung erschüttern, aber nicht ablenken.<br />
Das Gesetz, das das Weltall beherrscht,<br />
beherrscht auch die Menschheit;<br />
sonst hätte sie den Aufstieg vom Kannibalen<br />
zu Kant und Goethe nicht zurücklegen<br />
können.<br />
Europa hat das blutige Gemetzel auf<br />
der Balkanhalbinsel über sich, ergehen lassen<br />
müssen, die Werte schaffende Menschheit<br />
hat das schädigende Gebaren jener Träumer,<br />
die an eine befruchtende Wirkung der Gewalt<br />
glauben, jener Spekulanten, die auf<br />
Strandgut hoffen, ertragen müssen. Noch<br />
sind Kräfte am Werke, die sich nicht<br />
scheuen, eine Uebertragung des Krieges auf<br />
Europa zu versuchen. Aber auch die<br />
Gegenkräfte sind am Werke. Im Momente<br />
der ärgsten Gefahr zeigte sich Europa<br />
wieder einmal als Organismus, als Gemeinschaft.<br />
Die Botschafterreunion in London<br />
ist mehr als eine zwanglose Diplomatensitzung.<br />
Sie ist die schüchterne Andeutung<br />
einer großen Entwicklung. Dort denkt,<br />
spricht und handelt der Wille zum Leben<br />
des unglücklichen Erdteils, sein Wille zum<br />
Aufbau, zur Höherentwicklung, zur Kultur.<br />
Dort festigt sich der neue Organismus unter<br />
den Krampfanfällen, die der Ansturm der<br />
Kräfte der Vernichtung des Rückfalles in die<br />
Tierheit verursachen. Wieder sehen wir, wie<br />
ganz ungewollt von den daran beteiligten<br />
Menschen aus jener Handlung eine andersgeartete,<br />
höhere Wirkung ausgeht; wieder<br />
der Beweis für die „Radioaktivität der ge-