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die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València

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Hyperion vergleicht sich selbst mit Empedokles, <strong>de</strong>r von seinen Mitmenschen nicht verstan<strong>de</strong>n<br />

und verspottet wur<strong>de</strong>, so dass er sich in <strong>de</strong>n Vulkan Ätna stürzte. Hyperion meint hier, dass er<br />

gerne Selbstmord begangen hätte, aber dann besinnt er sich und gibt zu, dass er sich nicht ungerufen<br />

in <strong>die</strong> Arme <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s werfen darf. Das Partizip „ungerufen“ präsupponiert hier, dass er es<br />

tun dürfte und sollte, wenn <strong>die</strong> Natur bzw. <strong>die</strong> Götter ihn rufen wür<strong>de</strong>n. Das heißt also, dass ein<br />

Mensch sich selbt töten wür<strong>de</strong>, wenn <strong>die</strong> Natur ihn riefe und seinen Tod verlangen wür<strong>de</strong>. Sprache,<br />

in <strong>die</strong>sem Fall <strong>die</strong> <strong>de</strong>r Natur bzw. <strong>de</strong>r Götter, kann also <strong>de</strong>n Tod von Menschen bewirken<br />

und in <strong>die</strong>sem Sinne einen entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Einfluss auf <strong>die</strong> Wirklichkeit ausüben.<br />

Genug! du kennst mich, wirst es gut aufnehmen, Bellarmin! Ich sprach in <strong>de</strong>inem Namen auch, ich sprach<br />

für alle, <strong>die</strong> in <strong>die</strong>sem Lan<strong>de</strong> sind und lei<strong>de</strong>n, wie ich dort gelitten. (Schmidt, 1994: 171)<br />

Hyperion schreibt an Bellarmin und hält <strong>die</strong> sogenannte Scheltre<strong>de</strong> an <strong>die</strong> Deutschen, <strong>die</strong> für ihn<br />

stumpfe Unmenschen sind und we<strong>de</strong>r Sinn für <strong>die</strong> Natur noch für <strong>die</strong> heilige Sprache haben.<br />

Das, was er gesagt hat, soll <strong>de</strong>n wenigen noch menschlichen Deutschen irgendwie helfen. Höl<strong>de</strong>rlin<br />

hat seinen Leser überre<strong>de</strong>n wollen, aber Hyperion, <strong>de</strong>r <strong>die</strong>s an Bellarmin schreibt, will seinen<br />

Freund nicht bekehren, weil <strong>die</strong>ser sowieso schon auf seiner Seite steht. Hyperion hat sich<br />

durch seine Worte für <strong>die</strong> seelenguten Deutschen einsetzen wollen. Insofern hat er es auf eine<br />

Wirkung in ihrer Wirklichkeit abgesehen. Er hat seine Worte in <strong>die</strong> Luft geschrien, um <strong>die</strong> Meinung<br />

<strong>de</strong>r Gesellschaft zu bil<strong>de</strong>n und eventuell <strong>die</strong> allgemeine Atmosphäre zu beeinflussen.<br />

B.II.a.1.2. Durch Sprache kann man einen Menschen dazu<br />

bringen, etwas zu tun<br />

Wir sagen das nicht um unsertwillen, rief ein an<strong>de</strong>rer jetzt etwas rascher, wir sagen es um euertwillen! Wir<br />

betteln um das Herz <strong>de</strong>s Menschen nicht. (Schmidt, 1994: 42)<br />

Die finsteren Freun<strong>de</strong> Alabandas versuchen, Hyperion mit ihren Worten zu überre<strong>de</strong>n, damit<br />

auch er sich ihnen anschließt und ihre düsteren Machenschaften mitmacht.<br />

Du musst an Diotima schreiben, gebot er mir, und musst ihr sagen, dass sie bald mit dir sich aufmacht, in<br />

ein leidlicher Land zu fliehn.<br />

[...]<br />

Und so lebe <strong>de</strong>nn wohl, du süßes Mädchen! lebe wohl! Ich möchte dir sagen, gehe dahin, gehe dorthin; da<br />

rauschen <strong>die</strong> Quellen <strong>de</strong>s Lebens. Ich möcht’ ein freier Land, ein Land voll Schönheit und voll Seele dir<br />

zeigen und sagen: dahin rette dich! Aber o Himmel! könnt’ ich <strong>die</strong>s, so wär’ ich auch ein andrer und so<br />

müsst’ ich auch nicht Abschied nehmen (Schmidt, 1994: 133)<br />

Alabanda empfiehlt Hyperion, <strong>die</strong>s zu tun, um sein persönliches Glück zu suchen, nach<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r<br />

Befreiungskrieg schiefgelaufen ist. Er geht davon aus, dass Diotima das tun wird, was Hyperion<br />

ihr sagt. Die Verben „schreiben“ und „sagen“ sind hier synonym. Und so scheibt er <strong>de</strong>nn an sie<br />

und möchte ihr sagen, dass sie <strong>die</strong>s und das tun soll. Er kann es zwar nicht sagen, weil er ein<br />

Ausgestoßener ist, aber wenn er könnte, dann wür<strong>de</strong> sie es tun, da ist Hyperion sich sicher.<br />

Fromme Seele! ich möchte sagen, <strong>de</strong>nke meiner, wenn du an mein Grab kommst. Aber sie wer<strong>de</strong>n mich<br />

wohl in <strong>die</strong> Meersflut werfen (Schmidt, 1994: 136)<br />

Dies schreibt Hyperion an Diotima. Er möchte es sagen, sagt es aber nicht, d.h. er meint es nicht,<br />

sie soll es also nicht tun. Wenn er aber ein Grab haben sollte, dann wür<strong>de</strong> er ihr sagen, dass sie<br />

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