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die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València

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Wir beschlossen, da zu übernachten. Wir saßen noch lange zusammen bei offnen Fenstern. Hohe geistige<br />

Stille+ umfing uns. Erd’ und Meer war selig verstummt+, wie <strong>die</strong> Sterne, <strong>die</strong> über uns hingen. Kaum, dass<br />

ein Lüftchen von <strong>de</strong>r See her uns ins Zimmer flog und zart mit unserm Lichte spielte, o<strong>de</strong>r dass von ferner<br />

Musik+ <strong>die</strong> gewaltigern Töne+ zu uns drangen, in<strong>de</strong>s <strong>die</strong> Donnerwolke sich wiegt’ im Bette <strong>de</strong>s Äthers,<br />

und hin und wie<strong>de</strong>r durch <strong>die</strong> Stille+ fernher tönte+, wie ein schlafen<strong>de</strong>r Riese, wenn er stärker atmet in<br />

seinen furchtbaren Träumen.<br />

Unsre Seelen mussten um so stärker sich nähern, weil sie wi<strong>de</strong>r Willen waren verschlossen gewesen. Wir<br />

begegneten einan<strong>de</strong>r, wie zwei Bäche, <strong>die</strong> vom Berge rollen, und <strong>die</strong> Last von Er<strong>de</strong> und Stein und faulem<br />

Holz und das ganze träge Chaos, das sie aufhält, von sich schleu<strong>de</strong>rn, um <strong>de</strong>n Weg sich zu einan<strong>de</strong>r zu<br />

bahnen, und durchzubrechen bis dahin, wo sie nun ergreifend und ergriffen mit gleicher Kraft, vereint in<br />

Einen majestätischen Strom, <strong>die</strong> Wan<strong>de</strong>rung ins weite Meer beginnen.<br />

Er, vom Schicksal und <strong>de</strong>r Barbarei <strong>de</strong>r Menschen heraus, vom eignen Hause unter Frem<strong>de</strong>n hin und her<br />

gejagt, von früher Jugend an erbittert und verwil<strong>de</strong>rt, und doch auch das innere Herz voll Liebe, voll<br />

Verlangens, aus <strong>de</strong>r rauen Hülse durchzudringen in ein freundlich Element; ich, von allem schon so innigst<br />

abgeschie<strong>de</strong>n, so mit ganzer Seele fremd und einsam unter <strong>de</strong>n Menschen, so lächerlich begleitet von <strong>de</strong>m<br />

Schellenklange+ <strong>de</strong>r Welt in meines Herzens liebsten Melo<strong>die</strong>n+; ich, <strong>die</strong> Antipathie aller Blin<strong>de</strong>n und<br />

Lahmen, und doch mir selbst zu blind und lahm, doch mir selbst so herzlich überlästig in allem, was von<br />

ferne verwandt war mit <strong>de</strong>n Klugen und Vernünftlern, <strong>de</strong>n Barbaren und <strong>de</strong>n Witzlingen – und so voll<br />

Hoffnung, so voll einziger Erwartung eines schönern Lebens –<br />

#*35*#Mussten so in freudig stürmischer Eile nicht <strong>die</strong> bei<strong>de</strong>n Jünglinge sich umfassen?<br />

O du, mein Freund und Kampfgenosse, mein Alabanda, wo bist du? Ich glaube fast, du bist ins unbekannte<br />

Land hinübergegangen, zur Ruhe+, bist wie<strong>de</strong>r gewor<strong>de</strong>n, wie einst, da wir noch Kin<strong>de</strong>r waren.<br />

Zuweilen, wenn ein Gewitter über mir hinzieht, und seine göttlichen Kräfte unter <strong>die</strong> Wäl<strong>de</strong>r austeilt und<br />

<strong>die</strong> Saaten, o<strong>de</strong>r wenn <strong>die</strong> Wogen <strong>de</strong>r Meersflut unter sich spielen, o<strong>de</strong>r ein Chor von Adlern um <strong>die</strong><br />

Berggipfel, wo ich wandre, sich schwingt, kann mein Herz sich regen, als wäre mein Alabanda nicht fern;<br />

aber sichtbarer, gegenwärtiger, unverkennbarer lebt er in mir, ganz, wie er einst dastand, ein feurig strenger<br />

furchtbarer Kläger+, wenn er <strong>die</strong> Sün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Jahrhun<strong>de</strong>rts nannte+. Wie erwachte da in seinen Tiefen mein<br />

Geist, wie rollten mir <strong>die</strong> Donnerworte+ <strong>de</strong>r unerbittlichen Gerechtigkeit über <strong>die</strong> Zunge+! Wie Boten <strong>de</strong>r<br />

Nemesis, durchwan<strong>de</strong>rten unsre Gedanken <strong>die</strong> Er<strong>de</strong>, und reinigten sie, bis keine Spur von allem Fluche+ da<br />

war.<br />

Auch <strong>die</strong> Vergangenheit riefen+ wir vor unsern Richterstuhl, das stolze Rom erschreckte uns nicht mit<br />

seiner Herrlichkeit, Athen bestach uns nicht mit seiner jugendlichen Blüte.<br />

Wie Stürme, wenn sie frohlockend, unaufhörlich fort durch Wäl<strong>de</strong>r über Berge fahren, so drangen unsre<br />

Seelen in kolossalischen Entwürfen hinaus; nicht, als hätten wir, unmännlich, unsre Welt, wie durch ein<br />

Zauberwort+, geschaffen, und kindisch unerfahren keinen Wi<strong>de</strong>rstand berechnet, dazu war Alabanda zu<br />

verständig und zu tapfer. Aber oft ist auch <strong>die</strong> mühelose Begeisterung kriegerisch und klug.<br />

Ein Tag ist mir beson<strong>de</strong>rs gegenwärtig.<br />

Wir waren zusammen aufs Feld gegangen, saßen vertraulich umschlungen im Dunkel <strong>de</strong>s immergrünen<br />

Lorbeers, und sahn zusammen in unsern Plato, wo er so wun<strong>de</strong>rbar erhaben vom Altern und Verjüngen<br />

spricht+, und ruhten hin und wie<strong>de</strong>r aus auf <strong>de</strong>r stummen+ entblätterten #*36*#Landschaft, wo <strong>de</strong>r Himmel<br />

schöner, als je, mit Wolken und Sonnenschein um <strong>die</strong> herbstlich schlafen<strong>de</strong>n Bäume spielte.<br />

Wir sprachen+ darauf Manches vom jetzigen Griechenland, bei<strong>de</strong> mit bluten<strong>de</strong>m Herzen, <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r<br />

entwürdigte Bo<strong>de</strong>n war auch Alabandas Vaterland.<br />

Alabanda war wirklich ungewöhnlich bewegt.<br />

Wenn ich ein Kind ansehe, rief+ <strong>die</strong>ser Mensch, und <strong>de</strong>nke, wie schmählich und ver<strong>de</strong>rbend das Joch ist,<br />

das es tragen wird, und dass es darben wird, wie wir, dass es Menschen suchen wird, wie wir, fragen+ wird,<br />

wie wir, nach Schönem und Wahrem, dass es unfruchtbar vergehen wird, weil es allein sein wird, wie wir,<br />

dass es – o nehmt doch eure Söhne aus <strong>de</strong>r Wiege, und werft sie in <strong>de</strong>n Strom, um wenigstens vor eurer<br />

Schan<strong>de</strong> sie zu retten!<br />

Gewiss, Alabanda! sagt’+ ich, gewiss es wird an<strong>de</strong>rs.<br />

Wodurch? erwi<strong>de</strong>rt’ er; <strong>die</strong> Hel<strong>de</strong>n haben ihren Ruhm, <strong>die</strong> Weisen ihre Lehrlinge verloren. Große Taten,<br />

wenn sie nicht ein e<strong>de</strong>l Volk vernimmt+, sind mehr nicht als ein gewaltiger Schlag vor eine dumpfe Stirne,<br />

und hohe Worte+, wenn sie nicht in hohen Herzen wi<strong>de</strong>rtönen+, sind, wie ein sterbend Blatt, das in <strong>de</strong>n Kot<br />

herunterrauscht. Was willst du nun?<br />

Ich will, sagt’+ ich, <strong>die</strong> Schaufel nehmen und <strong>de</strong>n Kot in eine Grube werfen. Ein Volk, wo Geist und Größe<br />

keinen Geist und keine Größe mehr erzeugt, hat nichts mehr gemein, mit an<strong>de</strong>rn, <strong>die</strong> noch Menschen sind,<br />

hat keine Rechte mehr, und es ist ein leeres Possenspiel, ein Aberglauben, wenn man solche willenlose<br />

Leichname noch ehren will, als wär ein Römerherz in ihnen. Weg mit ihnen! Er darf nicht stehen, wo er<br />

steht, <strong>de</strong>r dürre faule Baum, er stiehlt ja Licht und Luft <strong>de</strong>m jungen Leben, das für eine neue Welt<br />

heranreift.<br />

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