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die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València

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drücken 208 , versucht Höl<strong>de</strong>rlin in <strong>de</strong>r heiligen Sprache eine Synthese zu fin<strong>de</strong>n, mit <strong>de</strong>r er <strong>die</strong> Gegensätzlichkeit<br />

<strong>de</strong>r These – <strong>die</strong> normale Sprache sei unfähig, zur menschlichen Kommunikation<br />

und zur Vermittlung göttlicher Wahrheit zu <strong>die</strong>nen – und <strong>de</strong>r Antithese – <strong>die</strong> Sprache sei doch<br />

manchmal fähig dazu – überwin<strong>de</strong>n kann: Es muss eine erneute und verjüngte heilige Sprache<br />

gefun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, welche zwar immerhin eine menschliche Sprache ist, aber durch eine tiefgreifen<strong>de</strong><br />

gefühlsmäßige, philosophische, ästhetische, geistige und übernatürliche Reichweite charakterisiert<br />

ist, so dass sie in <strong>de</strong>r Regel imstan<strong>de</strong> ist, <strong>die</strong> alltägliche und irdische Ebene <strong>de</strong>s Menschen<br />

mit <strong>de</strong>r erhabenen und göttlichen Ebene <strong>de</strong>s Menschen zu verbin<strong>de</strong>n und zu vereinen.<br />

Höl<strong>de</strong>rlin wollte das antike gol<strong>de</strong>ne Menschenalter <strong>de</strong>r athenischen Blütezeit wie<strong>de</strong>rerlangen und<br />

verstand sich als Priester <strong>die</strong>ser neuen pantheistischen und aufgeklärten Religion <strong>de</strong>r Schönheit.<br />

Er beabsichtigte, <strong>die</strong>se geistige Erneuerung mittels <strong>de</strong>r Erschaffung einer neuen heiligen Sprache<br />

in <strong>die</strong> Wege zu leiten. Er war auf <strong>de</strong>r Suche nach einer erneuten Ursprünglichkeit und Echtheit<br />

<strong>de</strong>s menschlichen Wesens. Als kultivierter Mensch wusste er, dass <strong>die</strong> Dichtung <strong>de</strong>r westlichen<br />

Zivilisation in ihren Anfängen – d.h. bei <strong>de</strong>r griechischen Antike mit Homer – unauflöslich mit<br />

Musik verflochten war 209 . Auf <strong>die</strong>selbe Weise entstand etwa zwei tausend Jahre später <strong>die</strong> Dichtung<br />

<strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rnen westeuropäischen Kultur, als <strong>die</strong> mittelalterlichen Bar<strong>de</strong>n ihre Verse sangen.<br />

Deshalb verstand Höl<strong>de</strong>rlin sich hauptsächlich als Dichter und setzte <strong>die</strong>sen Beruf <strong>de</strong>m <strong>de</strong>s Sängers<br />

gleich; <strong>de</strong>swegen ist <strong>die</strong> heilige Sprache für ihn immer wie ein schöner Gesang; <strong>de</strong>mzufolge<br />

sollen <strong>die</strong> Akkor<strong>de</strong> <strong>die</strong>ser musikalischen Sprache <strong>de</strong>r göttlichen Harmonie ähneln und sie somit<br />

verständlich machen; darum gehört für ihn <strong>die</strong> Musik zum Prototyp <strong>de</strong>r Sprache und liegt so vielen<br />

Stellen zugrun<strong>de</strong>, in <strong>de</strong>nen von <strong>de</strong>r Sprache <strong>die</strong> Re<strong>de</strong> ist; aus <strong>die</strong>sem Grund pflegt er in seinen<br />

Gedichten <strong>die</strong> Strophengestaltung, das Versmaß und <strong>de</strong>n Rhythmus so akribisch.<br />

An<strong>de</strong>rerseits konnte mehrfach festgestellt wer<strong>de</strong>n, dass es be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> Unterschie<strong>de</strong> zwischen<br />

Lyrik und Prosa gibt. Da <strong>die</strong> bei<strong>de</strong>n analysierten Korpora zur gleichen Zeit entstan<strong>de</strong>n sind,<br />

muss <strong>die</strong>se Verschie<strong>de</strong>nartigkeit auf <strong>die</strong> jeweils an<strong>de</strong>re Gattungszugehörigkeit zurückgeführt<br />

wer<strong>de</strong>n. Da <strong>die</strong>se Tatsache sich mit Höl<strong>de</strong>rlins theoretischen Ausführungen <strong>de</strong>ckt, muss man zur<br />

Schlussfolgerung kommen, dass Höl<strong>de</strong>rlins poetologische Doktrin mit seiner praktischen schriftstellerischen<br />

Praxis übereinstimmt.<br />

208<br />

Martínez Marzoa, 1995: 48 u. 65.<br />

209<br />

Die Ilias war ein gesungenes o<strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st rezitiertes Versepos.<br />

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