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die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València

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Ich ging in einem Wal<strong>de</strong>, am rieseln<strong>de</strong>n Wasser hinauf, wo es über Felsen heruntertröpfelte, wo es harmlos<br />

über <strong>die</strong> Kieseln glitt, und mählich verengte sich und ward zum Bogengange das Tal, und einsam spielte<br />

das Mittagslicht im schweigen<strong>de</strong>n Dunkel – (Schmidt, 1994: 59)<br />

So beschreibt Hyperion Notaras Gut auf Kalaurea und <strong>die</strong> Natur dort. Das Adverb „leise“ steht<br />

hier für 'sanft'. Das Verb „schweigen“ hat hier seine zweite Be<strong>de</strong>utung: 'nicht (mehr) tönen, keine<br />

Klänge, Geräusche (mehr) hervorbringen', welche keinen Bezug zur Sprache hat.<br />

Hier – ich möchte sprechen können, mein Bellarmin! möchte gerne mit Ruhe dir schreiben!<br />

[...]<br />

O wer in <strong>die</strong> Stille <strong>die</strong>ses Auges gesehn, wem <strong>die</strong>se süßen Lippen sich aufgeschlossen, wovon mag <strong>de</strong>r<br />

noch sprechen? (Schmidt, 1994: 60)<br />

Dies sagt Hyperion in Bezug auf Diotima. Dass sie still war, impliziert, dass ihre Lippen sich<br />

nicht aufschließen, um zu sprechen, son<strong>de</strong>rn um ihn zu küssen. Die Fügung „mit Ruhe“ be<strong>de</strong>utet<br />

hier 'langsam, sorgfältig, ohne Eile' und hat somit nichts mit Sprache zu tun.<br />

Und du, du hast mir <strong>de</strong>n Weg gewiesen! Mit dir begann ich. Sie sind <strong>de</strong>r Worte nicht wert, <strong>die</strong> Tage, da ich<br />

noch dich nicht kannte –<br />

O Diotima, Diotima, himmlisches Wesen! (Schmidt, 1994: 62)<br />

Das Verb „weisen“ be<strong>de</strong>utet 'auf etwas zeigen, beibringen' und hat keinen direkten Bezug auf <strong>die</strong><br />

Sprache.<br />

Wie <strong>die</strong> Rosen sich mit goldnen Stäubchen erfreuen, sagten wir, so erfreue das hel<strong>de</strong>nmütige Sonnenlicht<br />

mit seinen Strahlen <strong>die</strong> Er<strong>de</strong>; sie sei ein herrlich lebend Wesen, sagten wir, gleich göttlich,<br />

[...]<br />

Gute Nacht, ihr Engelsaugen! dacht’ ich im Herzen, und erscheine du bald mir wie<strong>de</strong>r, schöner göttlicher<br />

Geist, mit <strong>de</strong>iner Ruhe und Fülle! (Schmidt, 1994: 63 f.)<br />

Hyperion verabschie<strong>de</strong>t sich für heute von Diotima. Die „Ruhe“ ist hier synonym für 'Seelenfrie<strong>de</strong>n'<br />

und hat somit nichts mit Sprache zu tun. Das Verb „sagen“ leitet hier <strong>die</strong> indirekte Re<strong>de</strong> ein.<br />

Nur, wenn sie sang, erkannte man <strong>die</strong> lieben<strong>de</strong> Schweigen<strong>de</strong>, <strong>die</strong> so ungern sich zur Sprach verstand.<br />

(Schmidt, 1994: 65)<br />

Das Verb „verstehen“ be<strong>de</strong>utet hier 'bereit sein' und hat nichts mit Sprache zu tun.<br />

Es ist wohl uns zuliebe so! sagt’ ich, ungefähr, wie Kin<strong>de</strong>r etwas sagen, we<strong>de</strong>r im Scherze noch im Ernste.<br />

Ich kann mir <strong>de</strong>nken, was du sagst, erwi<strong>de</strong>rte sie; ich <strong>de</strong>nke mir <strong>die</strong> Welt am liebsten, wie ein häuslich Leben,<br />

wo je<strong>de</strong>s, ohne gera<strong>de</strong> dran zu <strong>de</strong>nken, sich ins andre schickt, und wo man sich einan<strong>de</strong>r zum Gefallen<br />

und zur Freu<strong>de</strong> lebt, weil es eben so vom Herzen kommt.<br />

Froher erhabner Glaube! rief ich.<br />

Sie schwieg eine Weile.<br />

Auch wir sind also Kin<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Hauses, begann ich endlich wie<strong>de</strong>r, sind es und wer<strong>de</strong>n es sein.<br />

Wer<strong>de</strong>n ewig es sein, erwi<strong>de</strong>rte sie.<br />

Wer<strong>de</strong>n wir das? fragt’ ich.<br />

Ich vertraue, fuhr sie fort, hierinnen <strong>de</strong>r Natur, so wie ich täglich ihr vertraue.<br />

O ich hätte mögen Diotima sein, da sie <strong>die</strong>s sagte! Aber du weißt nicht, was sie sagte, mein Bellarmin! Du<br />

hast es nicht gesehn und nicht gehört.<br />

Du hast Recht, rief ich ihr zu (Schmidt, 1994: 67)<br />

Die Verben „fragen, rufen, sagen“ leiten hier <strong>die</strong> direkte Re<strong>de</strong> ein. Das Verb „hören“ be<strong>de</strong>utet,<br />

dass Bellarmin Diotimas Worte nicht selbst mit seinen eigenen Ohren vernehmen konnte. Das<br />

67

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