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die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València

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Ich wer<strong>de</strong> sein; ich frage nicht, was ich wer<strong>de</strong>. Zu sein, zu leben, das ist genug, das ist <strong>die</strong> Ehre <strong>de</strong>r Götter; und<br />

darum ist sich alles gleich, was nur ein Leben ist, in <strong>de</strong>r göttlichen Welt. (Schmidt, 1994: 158 ff.)<br />

Die große Trauer Diotimas, Hyperion tot geglaubt zu haben, lässt sie zur großen Erleuchtung<br />

kommen, wodurch sie verwelkt ist und sich nach <strong>de</strong>m Tod sehnt, weil <strong>die</strong>ser <strong>die</strong> Wie<strong>de</strong>rkehr ins<br />

All <strong>de</strong>r Natur be<strong>de</strong>utet. Wie das Leben <strong>de</strong>r Blumen muss Diotima sterben, um künftig in einer<br />

an<strong>de</strong>ren Gestalt wie<strong>de</strong>r blühen zu können.<br />

Gott lebt in <strong>de</strong>r Seele <strong>de</strong>s einzelnen Menschen:<br />

<strong>de</strong>n Gott in uns (Schmidt, 1992a: 188)<br />

<strong>die</strong> Götter waren / mir <strong>die</strong>nstbar nun gewor<strong>de</strong>n, ich allein / war Gott (Schmidt, 1994: 296)<br />

Empedokles fühlte, dass <strong>die</strong> Götter er, und er <strong>die</strong> Götter waren.<br />

Eine Welt ist je<strong>de</strong>r von euch, wie <strong>die</strong> Sterne <strong>de</strong>s Himmels / lebt ihr, je<strong>de</strong>r ein Gott (Schmidt, 1992a: 182)<br />

Je<strong>de</strong>r Mensch ist <strong>de</strong>mnach eine Welt, ein Stern bzw. ein Gott.<br />

Dichtung als einziges Ausdrucksmittel nach <strong>de</strong>r Wie<strong>de</strong>rkehr aus <strong>de</strong>r göttlichen Sprachlosigkeit:<br />

Das erste Kind <strong>de</strong>r menschlichen, <strong>de</strong>r göttlichen Schönheit ist <strong>die</strong> Kunst. In ihr verjüngt und wie<strong>de</strong>rholt <strong>de</strong>r<br />

göttliche Mensch sich selbst. Er will sich selber fühlen, darum stellt er seine Schönheit gegenüber sich. So<br />

gab <strong>de</strong>r Mensch sich seine Götter. Denn im Anfang war <strong>de</strong>r Mensch und seine Götter Eins, da, sich selber<br />

unbekannt, <strong>die</strong> ewige Schönheit war. – Ich spreche Mysterien, aber sie sind.–<br />

Das erste Kind <strong>de</strong>r göttlichen Schönheit ist <strong>die</strong> Kunst. (Schmidt, 1994: 90)<br />

Mit 'Kunst' meint Hyperion hier nicht nur <strong>die</strong> Dichtung, son<strong>de</strong>rn auch <strong>die</strong> an<strong>de</strong>ren, wie zum Beispiel<br />

<strong>die</strong> Musik und <strong>die</strong> bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Kunst.<br />

Priester sollst du sein <strong>de</strong>r göttlichen Natur, und <strong>die</strong> dichterischen Tage keimen dir schon. (Schmidt, 1994:<br />

163)<br />

Diesen Zustand soll Hyperion erreichen, nach<strong>de</strong>m er durch <strong>die</strong> Trauer um <strong>de</strong>n Tod seiner Geliebten<br />

zur höchsten Erleuchtung gekommen ist, genauso wie es bei Diotima <strong>de</strong>r Fall gewesen war.<br />

Auch sie hat ihm durch <strong>die</strong> Worte ihres Briefes ihre tiefsten Einsichten mitgeteilt.<br />

Da Höl<strong>de</strong>rlin nun alle <strong>de</strong>finitorischen Kriterien <strong>de</strong>r Mystik erfüllt, ist es gerechtfertigt, daraus zu<br />

folgern, dass er ein Mystiker war. Freilich kein christlicher Mystiker, son<strong>de</strong>rn ein pantheistischer<br />

Mystiker.<br />

Zur Bestätigung <strong>die</strong>ser Argumentation folgt hier <strong>die</strong> Meinung einiger Höl<strong>de</strong>rlinforscher:<br />

Für Gisela Dischner 193 kann man Höl<strong>de</strong>rlins Dichtung nur unter Berücksichtigung ihres mystisch­religiösen<br />

Charakters verstehen. Wie ein Orakel spricht <strong>de</strong>r Dichter Mysterien, <strong>die</strong> vom Leser<br />

erst entziffert wer<strong>de</strong>n müssen. Dann betritt <strong>de</strong>r Leser <strong>de</strong>n Initiationsweg, er nimmt aktiv an<br />

<strong>de</strong>r Be<strong>de</strong>utungsschöpfung <strong>de</strong>s Gedichtes teil, und <strong>die</strong> Wahrheit wird ihm durch <strong>die</strong> Katharsis <strong>de</strong>r<br />

Kunst offenbar, aber nicht allmählich, son<strong>de</strong>rn explosionsartig, aufblitzend, i<strong>de</strong>ntitätsgefähr<strong>de</strong>nd,<br />

ich­auflösend.<br />

193<br />

Dischner, 1996: 8 ff.<br />

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