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die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València

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Diotima schreibt an Hyperion und erzählt, wie sie sich anfangs in ihn verliebte. Mit Worten vermag<br />

sie nicht zu erklären, was für eine große Anziehungskraft er auf sie hatte.<br />

Lieber! rief er, lass uns still sein, wo <strong>die</strong> Worte nichts helfen! lass uns männlich en<strong>de</strong>n! Du ver<strong>de</strong>rbst <strong>die</strong><br />

letzten Augenblicke dir. (Schmidt, 1994: 156)<br />

Dies sagt Alabanda zu Hyperion, als <strong>de</strong>r Moment gekommen ist, wo sie sich für immer verabschie<strong>de</strong>n<br />

müssen, weil ein sicherer Tod auf Alabanda wartet.<br />

Nun lass mich schweigen. Mehr zu sagen, wäre zu viel. Wir wer<strong>de</strong>n wohl uns wie<strong>de</strong>r begegnen. (Schmidt,<br />

1994: 163)<br />

Dies schreibt Diotima an Hyperion in ihrem letzten Brief. Sie hat gera<strong>de</strong> erklärt, dass sie sterben<br />

wird, dass <strong>de</strong>r Tod aber nicht so wichtig ist. Angesichts <strong>de</strong>r außeror<strong>de</strong>ntlichen Tiefe ihrer bei<strong>de</strong>r<br />

Gefühle in <strong>die</strong>ser Situation fin<strong>de</strong>t sie es unangebracht, weiter darüber zu sprechen.<br />

B.I.a.3.4. Beson<strong>de</strong>rs starke Gefühle können sogar das<br />

Sprachvermögen blockieren<br />

Und ich, war ich nicht <strong>de</strong>r Nachhall seiner stillen Begeisterung? wie<strong>de</strong>rholten sich nicht <strong>die</strong> Melo<strong>die</strong>n seines<br />

Wesens in mir? Was ich sah, ward ich, und es war Göttliches, was ich sah. (Schmidt, 1994: 21)<br />

Hyperion erzählt von Adamas, seinem Lehrer. Die göttliche Begeisterung von Adamas war so<br />

groß, dass er <strong>de</strong>shalb still war, weil es keine Worte gibt, <strong>die</strong> ihr gerecht wer<strong>de</strong>n können.<br />

Zur nahen Grotte trat ich dann in meinen friedlichen Träumen, da hätte <strong>de</strong>r Alte, sagen sie, seine Ilia<strong>de</strong> gesungen.<br />

Ich fand ihn. Je<strong>de</strong>r Laut in mir verstummte vor seiner Gegenwart. (Schmidt, 1994: 27 f.)<br />

Hyperion verstummt aus Ehrfurcht vor Homers Grotte, <strong>de</strong>nn er verehrt ihn mehr als alle an<strong>de</strong>ren<br />

Dichter.<br />

Hol<strong>de</strong>r Himmel Ioniens! so war ich nie an dir gehangen, aber so ähnlich war dir auch nie mein Herz gewesen,<br />

wie damals, in seinen heitern zärtlichen Spielen. –<br />

Wer sehnt sich nicht nach Freu<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Liebe und großen Taten, wenn im Auge <strong>de</strong>s Himmels und im Busen<br />

<strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Frühling wie<strong>de</strong>rkehrt?<br />

Ich erhob mich, wie vom Krankenbette, leise und langsam, aber von geheimen Hoffnungen zitterte mir <strong>die</strong><br />

Brust so selig, dass ich drüber vergaß, zu fragen, was <strong>die</strong>s zu be<strong>de</strong>uten habe. (Schmidt, 1994: 52)<br />

Fraglich ist hier, wen Hyperion gefragt hätte, wenn er es nicht vergessen hätte. Wahrscheinlich<br />

<strong>de</strong>n hol<strong>de</strong>n Himmel Ioniens, <strong>de</strong>nn es gibt im Kontext sonst keinen Gesprächspartner. Das Adverb<br />

„leise“ ist hier synonym für 'wortlos, lautlos'.<br />

Ich war voll unbeschreiblichen Sehnens und Frie<strong>de</strong>ns. Eine frem<strong>de</strong> Macht beherrschte mich. Freundlicher<br />

Geist, sagt’ ich bei mir selber, wohin rufest du mich? nach Elysium o<strong>de</strong>r wohin?<br />

Ich ging in einem Wal<strong>de</strong>, am rieseln<strong>de</strong>n Wasser hinauf, wo es über Felsen heruntertröpfelte, wo es harmlos<br />

über <strong>die</strong> Kieseln glitt, und mählich verengte sich und ward zum Bogengange das Tal, und einsam spielte<br />

das Mittagslicht im schweigen<strong>de</strong>n Dunkel –<br />

Hier – ich möchte sprechen können, mein Bellarmin! möchte gerne mit Ruhe dir schreiben!<br />

Sprechen? o ich bin ein Laie in <strong>de</strong>r Freu<strong>de</strong>, ich will sprechen! (Schmidt, 1994: 59 f.)<br />

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