die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València
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Höl<strong>de</strong>rlins für <strong>die</strong> hellenische und formalistische Kunst <strong>de</strong>r Antike <strong>die</strong> nüchterne Natur <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rne<br />
als Kunstcharakter for<strong>de</strong>rt, während sie für <strong>die</strong> klassizistische Kunst <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rne <strong>die</strong> begeistern<strong>de</strong><br />
Natur hellenischer Art for<strong>de</strong>rt. Behre meint, dass <strong>die</strong>se Kunsttheorie im Text <strong>de</strong>r Gedichte<br />
Höl<strong>de</strong>rlins sichtbar ist 255 .<br />
Bart Philipsen erklärt, dass <strong>die</strong> späten Gedichte Höl<strong>de</strong>rlins, trotz großer Unterschie<strong>de</strong> zur früheren<br />
Dichtung, weiterhin <strong>de</strong>n Prinzipien <strong>de</strong>r Homburger Poetik folgen 256 . Herta Schwarz analysiert<br />
einige Gedichte <strong>de</strong>r späten Lyrik Höl<strong>de</strong>rlins und prüft sie auf ihre Kompatibilität mit seiner<br />
theoretischen Poetologie. Obwohl sie manchmal erhebliche Unterschie<strong>de</strong> fin<strong>de</strong>t, meint sie, dass<br />
<strong>die</strong> Homburger Poetologie als Grundlage für <strong>die</strong> Gedichte angesehen wer<strong>de</strong>n darf 257 .<br />
Dieter Burdorf weist darauf hin, dass <strong>die</strong> Homburger Poetik als eine später überwun<strong>de</strong>ne Phase<br />
von Höl<strong>de</strong>rlins poetologischen Äußerungen angesehen wer<strong>de</strong>n kann, <strong>de</strong>nn später hat Höl<strong>de</strong>rlin<br />
seine Reflexionen zur Dichtung kaum noch in theoretischer Prosa, son<strong>de</strong>rn vor allem in <strong>de</strong>n Gedichten<br />
selbst zum Ausdruck gebracht. Demzufolge könnte man von einer impliziten Poetik bei<br />
Höl<strong>de</strong>rlin sprechen, <strong>die</strong> nur aus <strong>de</strong>r Praxis seiner literarischen Texte zu entnehmen wäre. Für<br />
Burdorf wäre eine solche implizite Poetik durchaus legitim, auch wenn sie beachtliche hermeneutische<br />
Probleme aufwerfen wür<strong>de</strong>. Er stellt eine grundsätzliche Kongruenz zwischen <strong>de</strong>n impliziten<br />
und <strong>de</strong>n expliziten poetologischen Aussagen Höl<strong>de</strong>rlins fest, <strong>de</strong>nnoch vertritt er <strong>die</strong> These,<br />
dass <strong>die</strong> späten Gedichte Höl<strong>de</strong>rlins eine beson<strong>de</strong>rs differenzierte implizite Poetik enthalten,<br />
<strong>die</strong> nur aus <strong>de</strong>r genauen Einzelinterpretation <strong>de</strong>r Gedichte resultieren kann, <strong>die</strong> aber auch gleichzeitig<br />
als Orientierung zum Verständnis <strong>de</strong>s Gedichtes und an<strong>de</strong>rer Texte Höl<strong>de</strong>rlins hinzugezogen<br />
wer<strong>de</strong>n kann 258 . Ulrich Geier bemerkt ebenfalls, dass <strong>de</strong>r gebannte Blick auf <strong>die</strong> Homburger<br />
poetologischen Fragmente bei vielen Höl<strong>de</strong>rlinforschern <strong>die</strong> Wahrnehmung <strong>de</strong>r reichen Poetik<br />
Höl<strong>de</strong>rlins verhin<strong>de</strong>rt, über <strong>die</strong> er nicht geschrieben, <strong>die</strong> er jedoch mit offenbarer Konsequenz in<br />
seinen Dichtungen angewandt hat 259 .<br />
Jørn Erslev An<strong>de</strong>rsen erläutert, dass <strong>de</strong>r späte Höl<strong>de</strong>rlin eingesehen hat, dass es überheblich und<br />
vermessen ist, ein vollen<strong>de</strong>tes Gedicht schreiben zu wollen, wie er es in seinen poetologischen<br />
Schriften verlangt hatte. Deswegen behan<strong>de</strong>lt Höl<strong>de</strong>rlin in seinen dichterischen Texten Themen<br />
wie <strong>die</strong> Unmöglichkeit <strong>de</strong>r For<strong>de</strong>rung nach totaler I<strong>de</strong>alität und <strong>die</strong> Gefahr, <strong>die</strong> aus <strong>die</strong>sem Streben<br />
nach Vollkommenheit resultieren könnte. An<strong>de</strong>rsen meint, dass Höl<strong>de</strong>rlin <strong>die</strong> I<strong>de</strong>alfor<strong>de</strong>rung<br />
seiner poetologischen Texte in seinen dichterischen Texten umwen<strong>de</strong>t und wi<strong>de</strong>rlegt 260 .<br />
Friedbert Aspetsberger erklärt zwar, dass <strong>die</strong> Sprache für Hyperion <strong>die</strong> Verbindung zu Bellarmin<br />
und das Mittel zur Verän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Welt in eine bessere Zukunft ist, aber er zitiert auch einen<br />
Brief Höl<strong>de</strong>rlins an Neuffer, in <strong>de</strong>m es heißt: „Es ist auch immer ein Tod für unsere stille Seligkeit,<br />
wenn sie zur Sprache wer<strong>de</strong>n muss.“ Die Sprache, so Aspetsberger, muss in ihrem Grundcharakter<br />
als Vermittlung <strong>de</strong>fizient bleiben, <strong>de</strong>nn sie vermittelt Darzustellen<strong>de</strong>s, aber sie ersetzt<br />
es nicht. Diese wi<strong>de</strong>rsprüchliche Sprachauffassung, <strong>die</strong> Aspetsberger aus <strong>de</strong>n konkreten Stellen<br />
<strong>de</strong>s Hyperion herausliest, steht im krassen Kontrast zu Höl<strong>de</strong>rlins Beschreibung eines gelungenen<br />
Werkes in <strong>de</strong>r theoretischen Schrift Verfahrungsweise <strong>de</strong>s poetischen Geistes 261 .<br />
255<br />
Behre, 1994: 39.<br />
256<br />
Philipsen, 1995: 171.<br />
257<br />
Schwarz, 1994: 199.<br />
258<br />
Burdorf, 1993: 39 ff.<br />
259<br />
Gaier, 1993: 221.<br />
260<br />
An<strong>de</strong>rsen, 1997: 153 f.<br />
261<br />
Aspetsberger, 1971: 159 ff.<br />
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