22.11.2013 Aufrufe

die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València

die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València

die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Er <strong>de</strong>utete+ mit <strong>de</strong>m Finger und wies+ mir rechts und links das blaue Eiland, aber ich sah nicht lange hin,<br />

und war im nächsten Augenblicke wie<strong>de</strong>r in meinen eignen lieben Träumen.<br />

Endlich, da er mir <strong>die</strong> stillen+ Gipfel in <strong>de</strong>r Ferne wies+ und sagte+, dass wir bald in Kalaurea wären,<br />

merkt’ ich mehr auf, und mein ganzes Wesen öffnete sich <strong>de</strong>r wun<strong>de</strong>rbaren Gewalt, <strong>die</strong> auf Einmal süß und<br />

still+ und unerklärlich mit mir spielte. Mit großem Auge, staunend und freudig sah ich hinaus in <strong>die</strong><br />

Geheimnisse <strong>de</strong>r Ferne, leicht zitterte mein Herz, und <strong>die</strong> Hand entwischte mir und fasste freundlich hastig<br />

meinen Schiffer an – so? rief+ ich, das ist Kalaurea? Und wie er mich drum ansah, wusst’ ich selbst nicht,<br />

was ich aus mir machen sollte. Ich grüßte+ meinen Freund mit wun<strong>de</strong>rbarer Zärtlichkeit. Voll süßer Unruhe<br />

war all mein Wesen.<br />

Den Nachmittag wollt’ ich gleich einen Teil <strong>de</strong>r Insel durchstreifen. Die Wäl<strong>de</strong>r und geheimen Tale reizten<br />

mich unbeschreiblich+, und <strong>de</strong>r freundliche Tag lockte alles hinaus.<br />

Es war so sichtbar, wie alles Lebendige mehr, <strong>de</strong>nn tägliche Speise, begehrt, wie auch <strong>de</strong>r Vogel sein Fest<br />

hat und das Tier.<br />

#*59*#Es war entzückend anzusehn! Wie, wenn <strong>die</strong> Mutter schmeichelnd fragt+, wo um sie her ihr<br />

Liebstes sei, und alle Kin<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n Schoß ihr stürzen, und das Kleinste noch <strong>die</strong> Arme aus <strong>de</strong>r Wiege<br />

streckt, so flog und sprang und strebte je<strong>de</strong>s Leben in <strong>die</strong> göttliche Luft hinaus, und Käfer und Schwalben<br />

und Tauben und Störche tummelten sich in frohlocken<strong>de</strong>r Verwirrung untereinan<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n Tiefen und<br />

Höhn, und was <strong>die</strong> Er<strong>de</strong> festhielt, <strong>de</strong>m ward zum Fluge <strong>de</strong>r Schritt, über <strong>die</strong> Gräben brauste das Ross und<br />

über <strong>die</strong> Zäune das Reh, und aus <strong>de</strong>m Meergrund kamen <strong>die</strong> Fische herauf und hüpften über <strong>die</strong> Fläche.<br />

Allen drang <strong>die</strong> mütterliche Luft ans Herz, und hob sie und zog sie zu sich.<br />

Und <strong>die</strong> Menschen gingen aus ihren Türen heraus, und fühlten wun<strong>de</strong>rbar das geistige Wehen, wie es<br />

leise+ <strong>die</strong> zarten Haare über <strong>de</strong>r Stirne bewegte, wie es <strong>de</strong>n Lichtstrahl kühlte, und lösten freundlich ihre<br />

Gewän<strong>de</strong>r, um es aufzunehmen an ihre Brust, atmeten süßer, berührten zärtlicher das leichte klare<br />

schmeicheln<strong>de</strong> Meer, in <strong>de</strong>m sie lebten und webten.<br />

O Schwester <strong>de</strong>s Geistes, <strong>de</strong>r feurig mächtig in uns waltet und lebt, heilige Luft! wie schön ist’s, dass du,<br />

wohin ich wandre, mich geleitest, Allgegenwärtige, Unsterbliche!<br />

Mit <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn spielte das hohe Element am schönsten.<br />

Das summte+ friedlich vor sich hin, <strong>de</strong>m schlüpft’ ein taktlos Liedchen+ aus <strong>de</strong>n Lippen+, <strong>de</strong>m ein<br />

Frohlocken aus offner Kehle+; das streckte sich, das sprang in <strong>die</strong> Höhe; ein andres schlen<strong>de</strong>rte vertieft<br />

umher.<br />

Und all <strong>die</strong>s war <strong>die</strong> Sprache+ Eines Wohlseins, alles Eine Antwort+ auf <strong>die</strong> Liebkosungen <strong>de</strong>r<br />

entzücken<strong>de</strong>n Lüfte.<br />

Ich war voll unbeschreiblichen+ Sehnens und Frie<strong>de</strong>ns. Eine frem<strong>de</strong> Macht beherrschte mich. Freundlicher<br />

Geist, sagt’+ ich bei mir selber, wohin rufest+ du mich? nach Elysium o<strong>de</strong>r wohin?<br />

Ich ging in einem Wal<strong>de</strong>, am rieseln<strong>de</strong>n Wasser hinauf, wo es über Felsen heruntertröpfelte, wo es harmlos<br />

über <strong>die</strong> Kieseln glitt, und mählich verengte sich und ward zum Bogengange das Tal, und einsam spielte<br />

das Mittagslicht im schweigen<strong>de</strong>n+ Dunkel –<br />

#*60*#Hier – ich möchte sprechen+ können, mein Bellarmin! möchte gerne mit Ruhe+ dir schreiben+!<br />

Sprechen+? o ich bin ein Laie in <strong>de</strong>r Freu<strong>de</strong>, ich will sprechen+!<br />

Wohnt doch <strong>die</strong> Stille+ im Lan<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Seligen, und über <strong>de</strong>n Sternen vergisst das Herz seine Not und seine<br />

Sprache+.<br />

Ich hab’ es heilig bewahrt! wie ein Palladium, hab’ ich es in mir getragen, das Göttliche, das mir erschien!<br />

und wenn hinfort mich das Schicksal ergreift und von einem Abgrund in <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>rn mich wirft, und alle<br />

Kräfte ertränkt in mir und alle Gedanken, so soll <strong>die</strong>s Einzige doch mich selber überleben in mir, und<br />

leuchten in mir und herrschen, in ewiger, unzerstörbarer Klarheit! –<br />

So lagst du hingegossen, süßes Leben, so blicktest du auf, erhubst dich, standst nun da, in schlanker Fülle,<br />

göttlich ruhig+, und das himmlische Gesicht noch voll <strong>de</strong>s heitern Entzückens, worin ich dich störte!<br />

O wer in <strong>die</strong> Stille+ <strong>die</strong>ses Auges gesehn, wem <strong>die</strong>se süßen Lippen+ sich aufgeschlossen, wovon mag <strong>de</strong>r<br />

noch sprechen+?<br />

Frie<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Schönheit! göttlicher Frie<strong>de</strong>! wer einmal an dir das toben<strong>de</strong> Leben und <strong>de</strong>n zweifeln<strong>de</strong>n Geist<br />

besänftigt, wie kann <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>res helfen?<br />

Ich kann nicht sprechen+ von ihr, aber es gibt ja Stun<strong>de</strong>n, wo das Beste und Schönste, wie in Wolken,<br />

erscheint, und <strong>de</strong>r Himmel <strong>de</strong>r Vollendung vor <strong>de</strong>r ahnen<strong>de</strong>n Liebe sich öffnet, da, Bellarmin! da <strong>de</strong>nke<br />

ihres Wesens, da beuge <strong>die</strong> Knie mit mir, und <strong>de</strong>nke meiner Seligkeit! aber vergiss nicht, dass ich hatte,<br />

was du ahnest, dass ich mit <strong>die</strong>sen Augen sah, was nur, wie in Wolken, dir erscheint.<br />

Dass <strong>die</strong> Menschen manchmal sagen+ möchten: sie freueten sich! O glaubt, ihr habt von Freu<strong>de</strong> noch<br />

nichts geahnet! Euch ist <strong>de</strong>r Schatten ihres Schattens noch nicht erschienen! O geht, und sprecht+ vom<br />

blauen Äther nicht, ihr Blin<strong>de</strong>n!<br />

Dass man wer<strong>de</strong>n kann, wie <strong>die</strong> Kin<strong>de</strong>r, dass noch <strong>die</strong> goldne Zeit <strong>de</strong>r Unschuld wie<strong>de</strong>rkehrt, <strong>die</strong> Zeit <strong>de</strong>s<br />

Frie<strong>de</strong>ns und <strong>de</strong>r Freiheit, dass doch Eine Freu<strong>de</strong> ist, Eine Ruhestätte auf Er<strong>de</strong>n!<br />

303

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!