die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València
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#*26*#Wo ich ging und stand, geleiteten mich <strong>die</strong> herrlichen Gestalten; wie Flammen, verloren sich in<br />
meinem Sinne <strong>die</strong> Taten aller Zeiten ineinan<strong>de</strong>r, und wie in Ein frohlockend Gewitter <strong>die</strong> Riesenbil<strong>de</strong>r, <strong>die</strong><br />
Wolken <strong>de</strong>s Himmels sich vereinen, so vereinten sich, so wur<strong>de</strong>n Ein unendlicher Sieg in mir <strong>die</strong><br />
hun<strong>de</strong>rtfältigen Siege <strong>de</strong>r Olympia<strong>de</strong>n.<br />
Wer hält das aus, wen reißt <strong>die</strong> schrecken<strong>de</strong> Herrlichkeit <strong>de</strong>s Altertums nicht um, wie ein Orkan <strong>die</strong> jungen<br />
Wäl<strong>de</strong>r umreißt, wenn sie ihn ergreift, wie mich, und wenn, wie mir, das Element ihm fehlt, worin er sich<br />
ein stärkend Selbstgefühl erbeuten könnte?<br />
O mir, mir beugte <strong>die</strong> Größe <strong>de</strong>r Alten, wie ein Sturm, das Haupt, mir raffte sie <strong>die</strong> Blüte vom Gesichte,<br />
und oftmals lag ich, wo kein Auge mich bemerkte, unter tausend Tränen da, wie eine gestürzte Tanne, <strong>die</strong><br />
am Bache liegt und ihre welke Krone in <strong>die</strong> Flut verbirgt. Wie gerne hätt’ ich einen Augenblick aus eines<br />
großen Mannes Leben mit Blut erkauft!<br />
Aber was half mir das? Es wollte ja mich niemand.<br />
O es ist jämmerlich, so sich vernichtet zu sehn; und wem <strong>die</strong>s unverständlich ist, <strong>de</strong>r frage+ nicht danach,<br />
und danke <strong>de</strong>r Natur, <strong>die</strong> ihn zur Freu<strong>de</strong>, wie <strong>die</strong> Schmetterlinge, schuf, und geh, und sprech+ in seinem<br />
Leben nimmermehr von Schmerz und Unglück.<br />
Ich liebte meine Heroen, wie eine Fliege das Licht; ich suchte ihre gefährliche Nähe und floh und suchte sie<br />
wie<strong>de</strong>r.<br />
Wie ein bluten<strong>de</strong>r Hirsch in <strong>de</strong>n Strom, stürzt’ ich oft mitten hinein in <strong>de</strong>n Wirbel <strong>de</strong>r Freu<strong>de</strong>, <strong>die</strong><br />
brennen<strong>de</strong> Brust zu kühlen und <strong>die</strong> toben<strong>de</strong>n herrlichen Träume von Ruhm und Größe wegzuba<strong>de</strong>n, aber<br />
was half das?<br />
Und wenn mich oft um Mitternacht das heiße Herz in <strong>de</strong>n Garten hinuntertrieb unter <strong>die</strong> tauigen Bäume,<br />
und <strong>de</strong>r Wiegengesang+ <strong>de</strong>s Quells und <strong>die</strong> liebliche Luft und das Mondlicht meinen Sinn besänftigte, und<br />
so frei und friedlich über mir <strong>die</strong> silbernen Gewölke sich regten, und aus <strong>de</strong>r Ferne mir <strong>die</strong> verhallen<strong>de</strong><br />
Stimme+ <strong>de</strong>r Meeresflut tönte+, #*27*#wie freundlich spielten da mit meinem Herzen all <strong>die</strong> großen<br />
Phantome seiner Liebe!<br />
Lebt wohl, ihr Himmlischen! sprach+ ich oft im Geiste, wenn über mir <strong>die</strong> Melo<strong>die</strong>+ <strong>de</strong>s Morgenlichts mit<br />
leisem+ Laute+ begann, ihr herrlichen Toten lebt wohl! ich möcht’ euch folgen, möchte von mir schütteln,<br />
was mein Jahrhun<strong>de</strong>rt mir gab, und aufbrechen ins freiere Schattenreich!<br />
Aber ich schmachte an <strong>de</strong>r Kette und hasche mit bitterer Freu<strong>de</strong> <strong>die</strong> kümmerliche Schale, <strong>die</strong> meinem<br />
Durste gereicht wird.<br />
HYPERION AN BELLARMIN<br />
Meine Insel war mir zu enge gewor<strong>de</strong>n, seit Adamas fort war. Ich hatte Jahre schon in Tina Langeweile.<br />
Ich wollt’ in <strong>die</strong> Welt.<br />
Geh vorerst nach Smyrna, sagte+ mein Vater, lerne da <strong>die</strong> Künste+ <strong>de</strong>r See und <strong>de</strong>s Kriegs, lerne <strong>die</strong><br />
Sprache+ gebil<strong>de</strong>ter Völker und ihre Verfassungen und Meinungen und Sitten und Gebräuche, prüfe alles<br />
und wähle das Beste! – Dann kann es meinetwegen weiter gehn.<br />
Lern auch ein wenig Geduld! setzte <strong>die</strong> Mutter hinzu, und ich nahm’s mit Dank an.<br />
Es ist entzückend, <strong>de</strong>n ersten Schritt aus <strong>de</strong>r Schranke <strong>de</strong>r Jugend zu tun, es ist, als dächt’ ich meines<br />
Geburtstags, wenn ich meiner Abreise von Tina ge<strong>de</strong>nke. Es war eine neue Sonne über mir, und Land und<br />
See und Luft genoss ich wie zum ersten Male.<br />
Die lebendige Tätigkeit, womit ich nun in Smyrna meine Bildung besorgte, und <strong>de</strong>r eilen<strong>de</strong> Fortschritt<br />
besänftigte mein Herz nicht wenig. Auch manches seligen Feierabends erinnere ich mich aus <strong>die</strong>ser Zeit.<br />
Wie oft ging ich unter <strong>de</strong>n immer grünen Bäumen am Gesta<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Meles, an <strong>de</strong>r Geburtsstätte meines<br />
Homer, und sammelt’ Opferblumen und warf sie in <strong>de</strong>n heiligen Strom! Zur nahen Grotte trat ich dann in<br />
meinen friedlichen Träumen, da hätte <strong>de</strong>r Alte, #*28*#sagen+ sie, seine Ilia<strong>de</strong> gesungen+. Ich fand ihn.<br />
Je<strong>de</strong>r Laut+ in mir verstummte+ vor seiner Gegenwart. Ich schlug sein göttlich Gedicht+ mir auf und es<br />
war, als hätt’ ich es nie gekannt, so ganz an<strong>de</strong>rs wurd’ es jetzt lebendig in mir.<br />
Auch <strong>de</strong>nk’ ich gerne meiner Wan<strong>de</strong>rung durch <strong>die</strong> Gegen<strong>de</strong>n von Smyrna. Es ist ein herrlich Land, und<br />
ich habe tausendmal mir Flügel gewünscht, um <strong>de</strong>s Jahres Einmal nach Kleinasien zu fliegen.<br />
Aus <strong>de</strong>r Ebne von Sar<strong>de</strong>s kam ich durch <strong>die</strong> Felsenwän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Tmolus herauf.<br />
Ich hatt’ am Fuße <strong>de</strong>s Bergs übernachtet in einer freundlichen Hütte, unter Myrten, unter <strong>de</strong>n Düften <strong>de</strong>s<br />
Ladanstrauchs, wo in <strong>de</strong>r goldnen Flut <strong>de</strong>s Paktolus <strong>die</strong> Schwäne mir zur Seite spielten, wo ein alter<br />
Tempel <strong>de</strong>r Cybele aus <strong>de</strong>n Ulmen hervor, wie ein schüchterner Geist, ins helle Mondlicht blickte. Fünf<br />
liebliche Säulen trauerten über <strong>de</strong>m Schutt, und ein königlich Portal lag nie<strong>de</strong>rgestürzt zu ihren Füßen.<br />
Durch tausend blühen<strong>de</strong> Gebüsche wuchs mein Pfad nun aufwärts. Vom schroffen Abhang neigten<br />
lispeln<strong>de</strong> Bäume sich, und übergossen mit ihren zarten Flocken mein Haupt. Ich war <strong>de</strong>s Morgens<br />
ausgegangen. Um Mittag war ich auf <strong>de</strong>r Höhe <strong>de</strong>s Gebirgs. Ich stand, sah fröhlich vor mich hin, genoss<br />
<strong>de</strong>r reineren Lüfte <strong>de</strong>s Himmels. Es waren selige Stun<strong>de</strong>n.<br />
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