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die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València

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1. ERSTES KAPITEL. Einführung<br />

1.1. Grundlegen<strong>de</strong>s<br />

1.1.1. Motivation<br />

In <strong>de</strong>r Bibel heißt es: „Im Anfang war das Wort.“ 1 . Terry Eagleton behauptet <strong>die</strong>s auch, in<strong>de</strong>m er<br />

sich <strong>de</strong>r Meinung <strong>de</strong>s Philosophen Clau<strong>de</strong> Lévi­Strauss und <strong>de</strong>s Linguisten Roman Jakobson anschließt<br />

2 . Daran scheint Höl<strong>de</strong>rlin anzuknüpfen, wenn er im ersten Band von Hyperion, <strong>de</strong>r 1797<br />

veröffentlicht wur<strong>de</strong>, seinen Hauptcharakter und Ich­Erzähler sagen lässt:<br />

Im Anfang war [...] <strong>die</strong> ewige Schönheit. [...] Das erste Kind <strong>de</strong>r göttlichen Schönheit ist <strong>die</strong> Kunst.<br />

(Schmidt, 1994: 90, 16) 3<br />

Und zwei Seiten später:<br />

Das große Wort, das ἓν διάφερον ἑαυτῷ [...] ist das Wesen <strong>de</strong>r Schönheit, und ehe das gefun<strong>de</strong>n war,<br />

gab es keine Philosophie. (Schmidt, 1994: 92, 16)<br />

Das Wort ist also für Höl<strong>de</strong>rlin – o<strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st für Hyperion – das Wesen <strong>de</strong>r Schönheit, <strong>die</strong><br />

zur Kunst führt. Und weil Religion „<strong>de</strong>r Schönheit zweite Tochter ist“ (Schmidt, 1994: 90, 18),<br />

darf er <strong>die</strong> Kunst als „heilig“ (Schmidt, 1994: 90, 32) bezeichnen. Es gibt natürlich mehrere<br />

Künste, aber Höl<strong>de</strong>rlin beschäftigt sich hauptsächlich mit <strong>de</strong>r Dichtung. Daraus lässt sich folgern,<br />

dass sich in <strong>de</strong>r Dichtung <strong>die</strong> Sprache, <strong>die</strong> Kunst, <strong>die</strong> Schönheit und <strong>die</strong> Philosophie vereinigen.<br />

Über <strong>die</strong> Philosophie sagt Hyperion, wie<strong>de</strong>r mit einem biblischen Ausdruck:<br />

Die Dichtung [...] ist <strong>de</strong>r Anfang und das En<strong>de</strong>. (Schmidt, 1994: 91, 29)<br />

Mit <strong>de</strong>r Dichtung, <strong>de</strong>r homerischen Ilias, nahm <strong>die</strong> griechische Literatur ihren Anfang, <strong>die</strong> dann<br />

<strong>die</strong> Philosophie für <strong>die</strong> westliche Kultur ent<strong>de</strong>ckte. Höl<strong>de</strong>rlin versteht sich am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Zeit, wo<br />

<strong>die</strong> Philosophie wie<strong>de</strong>r zu ihrem Ursprung, zur Dichtung, kommt. Sprache, Kunst, Schönheit,<br />

Philosophie, Religion: Diese Begriffe – so scheint es auf <strong>de</strong>n ersten Blick – sind für Höl<strong>de</strong>rlin<br />

sehr wichtig. Der Zusammenhang legt nahe, dass <strong>die</strong> Sprache dabei eine zentrale Rolle spielt.<br />

1.1.2. Fragestellung<br />

Worin besteht also <strong>die</strong> Sprachauffassung Höl<strong>de</strong>rlins?<br />

Diese Frage ist nicht neu. Auch liegen schon lange zahlreiche Antworten vor, wie weiter unten<br />

dargelegt wird. Neu an <strong>de</strong>r vorliegen<strong>de</strong>n Arbeit ist aber, dass hier <strong>die</strong> Antwort nicht in <strong>de</strong>n theoretischen<br />

Arbeiten Höl<strong>de</strong>rlins über Poetologie bzw. Philosophie gesucht wird, wo man sie vernünftigerweise<br />

zuerst vermuten wür<strong>de</strong>, <strong>de</strong>nn das hat man auch schon zur Genüge gemacht, son<strong>de</strong>rn<br />

hier wird sie in Höl<strong>de</strong>rlins literarischer Praxis gesucht, in <strong>de</strong>r manchmal unbewussten und<br />

1<br />

Bischöfe, 1980: 1195 (Joh, 1,1).<br />

2<br />

Eagleton, 1988: 94.<br />

3<br />

Wenn nunmehr Worte aus <strong>de</strong>n Werken Höl<strong>de</strong>rlins zitiert wer<strong>de</strong>n, dann immer nach <strong>de</strong>r inzwischen gera<strong>de</strong>zu kanonischen<br />

Gesamtwerkausgabe von Jochen Schmidt. In solchen Fällen wird <strong>die</strong> Quellenangabe in Klammern unmittelbar<br />

nach <strong>de</strong>m Zitat angegeben, und nicht als Fußnote, wie sonst immer <strong>de</strong>r Fall ist.<br />

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