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die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València

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Hyperion erklärt Diotima seine Liebe. Sie will es am Anfang nicht glauben und wirft ihm vor,<br />

seine Gefühle vorzutäuschen. Sprache kann nämlich Gefühle vermitteln, sowohl echte als auch<br />

vermeintliche.<br />

Aber nur dir, mein Bellarmin, nur einer reinen freien Seele, wie <strong>die</strong> <strong>de</strong>ine ist, erzähl’ ich’s. So freigebig,<br />

wie <strong>die</strong> Sonne mit ihren Strahlen, will ich nicht sein; meine Perlen will ich vor <strong>die</strong> alberne Menge nicht<br />

werfen.<br />

Ich kannte, seit <strong>de</strong>m letzten Seelengespräche, mit je<strong>de</strong>m Tage mich weniger. Ich fühlt’, es war ein heilig<br />

Geheimnis zwischen mir und Diotima. (Schmidt, 1994: 79)<br />

Hyperion erzählt seine Geschichte nicht je<strong>de</strong>m, nur einem ganz beson<strong>de</strong>ren Menschen wie Bellarmin.<br />

Auch mit Diotima führte Hyperion „Seelengespräche“, d.h. Gespräche, bei <strong>de</strong>nen man<br />

<strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren sein Herz ausschüttet.<br />

Hyperion! – hier ergriff sie meine Hand mit Feuer, und ihre Stimme erhub mit Größe sich – Hyperion!<br />

mich <strong>de</strong>ucht, du bist zu höhern Dingen geboren. (Schmidt, 1994: 98)<br />

Das „Feuer“ sind <strong>die</strong> höchst erregten Gefühle Diotimas, <strong>die</strong> man auch an ihrer Stimme erkennen<br />

kann, <strong>die</strong> sich mit Größe erhebt. Auch durch Sprache wird <strong>die</strong>ses Gefühl vermittelt.<br />

Das ist eitel Übermut! rief Diotima; neulich warst du bescheidner, neulich, da du sagtest, ich muss noch<br />

ausgehn, zu lernen.<br />

Liebe Sophistin! rief ich, damals war ja auch von ganz was an<strong>de</strong>rem <strong>die</strong> Re<strong>de</strong>. (Schmidt, 1994: 108)<br />

Diotima und Hyperion hatten darüber gesprochen, ober er seiner messianischen Berufung folgen<br />

soll, und jetzt diskutieren sie darüber, ob er mit Alabanda in <strong>de</strong>n Befreiungskrieg ziehen soll.<br />

Durch <strong>die</strong>se Worte tauschen sie ihre Meinungen und Lebenseinstellungen aus.<br />

Du hast auch Recht, mein Lieber, das ist besser, sagte sie, und ihre Stimme zitterte und das Ätherauge verbarg<br />

sich ins Tuch, um seine Tränen, seine Verwirrung nicht sehen zu lassen. (Schmidt, 1994: 112)<br />

Die Gefühle Diotimas sind stark, sie ist verwirrt und weint. Das kann man auch an ihrer Stimme<br />

erkennen, <strong>die</strong> zittert. Die Sprache vermittelt <strong>die</strong>ses Gefühl auch.<br />

Vollen<strong>de</strong>te! rief ich, ich spreche wie du. Am Sternenhimmel wollen wir uns erkennen. Er sei das Zeichen<br />

zwischen mir und dir, solange <strong>die</strong> Lippen verstummen.<br />

Das sei er! sprach sie mit einem langsamen nie gehörten Tone. (Schmidt, 1994: 115)<br />

Hyperion und Diotima erklären sich <strong>die</strong> höchste Liebe. Ihre Worte sind beson<strong>de</strong>rs gefühlvoll.<br />

Hier sind Briefe von Diotima und mir, <strong>die</strong> wir uns nach meinem Abschied von Kalaurea geschrieben. Sie<br />

sind das Liebste, was ich dir vertraue. Sie sind das wärmste Bild aus jenen Tagen meines Lebens. Vom<br />

Kriegslärm sagen sie dir wenig. Desto mehr von meinem eigneren Leben und das ist’s ja, was du willst.<br />

Ach und du musst auch sehen, wie geliebt ich war. Das konnt’ ich nie dir sagen, das sagt Diotima nur.<br />

(Schmidt, 1994: 115 f.)<br />

Dies schreibt Hyperion an Bellarmin. Durch <strong>die</strong>ses „Schreiben“ und „Sagen“ vermittelt er ihm<br />

wenig sachliche Information, dafür aber vor allem Information über seine Gefühle, und Diotima<br />

über <strong>die</strong> ihren. Das Verb „vertrauen“ be<strong>de</strong>utet hier 'von Intimem sprechen' und funktioniert im<br />

Kontext als Synonym von „schreiben“ und „sagen“.<br />

Aber das Heucheln war umsonst. Meine Stimme war voll geheimen Frohlockens. Was ist das? fuhr er auf;<br />

bist du’s? Ja wohl, du Blin<strong>de</strong>r! rief ich (Schmidt, 1994: 118)<br />

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