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die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València

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klage du dich über meinem To<strong>de</strong> nicht an!<br />

Konntest du <strong>de</strong>nn mich halten, als <strong>de</strong>in Schicksal dir <strong>de</strong>nselben Weg wies? und, hätt’st du im Hel<strong>de</strong>nkampfe<br />

<strong>de</strong>ines Herzens mir gepredigt – lass dir genügen, Kind! und schick in <strong>die</strong> Zeit dich – wärst du nicht <strong>de</strong>r<br />

Eitelste von allen Eiteln gewesen? (Schmidt, 1994: 160)<br />

Dies schreibt Diotima an Hyperion in ihrem letzten Brief vor ihrem Tod. Das Verb „weisen“ ist<br />

hier synonym für 'zwingen', <strong>de</strong>nn Hyperion hatte eigentlich keine an<strong>de</strong>re Wahl, als sich seinem<br />

tragischen Schicksal zu fügen. Das Schicksal hat auf keine Weise mit Hyperion kommuniziert,<br />

<strong>de</strong>nn ihm war nicht einmal bewusst, was ihn erwartete.<br />

Zugleich erhielt ich einen Brief von Notara, worin er mir schrieb:<br />

Den Tag, nach<strong>de</strong>m sie dir zum letzten Mal geschrieben, wur<strong>de</strong> sie ganz ruhig, sprach noch wenig Worte,<br />

sagte dann auch, dass sie lieber möcht’ im Feuer von <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> schei<strong>de</strong>n, als begraben sein [...] Bald darauf,<br />

da es anfing, dunkel zu wer<strong>de</strong>n, sagte sie uns gute Nacht, als wenn sie schlafen möcht’ [...] bis gegen Morgen<br />

hörten wir sie atmen. Da es dann ganz stille wur<strong>de</strong> und ich nichts mehr hörte, ging ich hin zu ihr und<br />

lauschte. (Schmidt, 1994: 163)<br />

Die Verben „schreiben, sagen“ leiten hier <strong>die</strong> direkte bzw. indirekte Re<strong>de</strong> ein. Bei <strong>de</strong>n Wörtern<br />

„hören, still, lauschen“ geht es hier nicht um Sprache, son<strong>de</strong>rn um Atemgeräusche und ihre<br />

Wahrnehmung.<br />

Bester! ich bin ruhig, <strong>de</strong>nn ich will nichts Bessers haben, als <strong>die</strong> Götter. (Schmidt, 1994: 164)<br />

Dies schreibt Diotima in ihrem letzten Brief an Hyperion. Das Adverb „ruhig“ be<strong>de</strong>utet hier<br />

'friedlich, gelassen' und hat somit mit Sprache nichts zu tun.<br />

Damals schrieb ich an Notara, als ich wie<strong>de</strong>r anfing aufzuleben, von Sizilien aus, wohin ein Schiff von Paros<br />

mich zuerst gebracht:<br />

Ich habe dir gehorcht, mein Teurer!<br />

[...]<br />

Ja! es ist alles vorbei. Das muss ich nur recht oft mir sagen, muss damit <strong>die</strong> Seele mir bin<strong>de</strong>n, dass sie<br />

ruhig bleibt, sich nicht erhitzt in ungereimten kindischen Versuchen. (Schmidt, 1994: 165)<br />

Dies schreibt Hyperion, nach<strong>de</strong>m er vom Tod Diotimas erfahren hat. Das Adverb „ruhig“ ist hier<br />

synonym für 'friedlich, gelassen' und hat somit nichts mit Sprache zu tun. Das Verb „schreiben“<br />

leitet <strong>die</strong> direkte Re<strong>de</strong> ein.<br />

Noch besser wär’ es freilich, wenn ich leben könnte, leben, in <strong>de</strong>n neuen Tempeln, in <strong>de</strong>r neu versammelten<br />

Agora unsers Volks mit großer Lust <strong>de</strong>n großen Kummer stillen (Schmidt, 1994: 166)<br />

Hyperion hat alles verloren: <strong>de</strong>n Krieg, <strong>die</strong> Ehre, Diotima, Alabanda, Adamas. Das ist sein<br />

großer Kummer, <strong>de</strong>n er gerne „stillen“ möchte. Das Verb „stillen“ be<strong>de</strong>utet hier 'beruhigen, besänftigen'<br />

und hat mit Sprache nichts zu tun.<br />

Deine Deutschen aber bleiben gerne beim Notwendigsten, und darum ist bei ihnen auch so viele Stümperarbeit<br />

und so wenig Freies, Echterfreuliches. Doch das wäre zu verschmerzen, müssten solche Menschen nur<br />

nicht fühllos sein für alles schöne Leben, ruhte nur nicht überall <strong>de</strong>r Fluch <strong>de</strong>r gottverlassnen Unnatur auf<br />

solchem Volke. –<br />

Die Tugen<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Alten sei’n nur glänzen<strong>de</strong> Fehler, sagt’ einmal, ich weiß nicht, welche böse Zunge<br />

[...]<br />

Ich sage dir: es ist nichts Heiliges, was nicht entheiligt, nicht zum ärmlichen Behelf herabgewürdigt ist bei<br />

<strong>die</strong>sem Volk, und was selbst unter Wil<strong>de</strong>n göttlich rein sich meist erhält, das treiben <strong>die</strong>se all berechnen<strong>de</strong>n<br />

Barbaren, wie man so ein Handwerk treibt, und können es nicht an<strong>de</strong>rs, <strong>de</strong>nn wo einmal ein menschlich<br />

Wesen abgerichtet ist, da <strong>die</strong>nt es seinem Zweck, da sucht es seinen Nutzen, es schwärmt nicht mehr, bewahre<br />

Gott! es bleibt gesetzt, und wenn es feiert und wenn es liebt und wenn es betet (Schmidt, 168 f.)<br />

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