22.11.2013 Aufrufe

die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València

die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València

die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Der Frie<strong>de</strong>n und das Sehnen Hyperions sind so stark, dass er gar keine Worte fin<strong>de</strong>n kann, um<br />

sie zu beschreiben. Deswegen nennt er sie „unbeschreiblich“. Dass er sagt, er möchte sprechen<br />

können, präsupponiert, dass er es in <strong>die</strong>ser Situation nicht kann. „Sprechen“ und „schreiben“ gelten<br />

hier als synonym. Dann behauptet er, nur ein Laie könne über <strong>die</strong> große Freu<strong>de</strong> sprechen<br />

wollen, und ein Laie ist jemand, <strong>de</strong>r sich in einem Bereich noch nicht auskennt. Damit gibt er zu<br />

verstehen, dass er gera<strong>de</strong> sprechen wollte, weil er selbst <strong>die</strong>sbezüglich ein Laie ist.<br />

Und nun stand ich vor ihr, atemlos und wankend, und drückte <strong>die</strong> verschlungnen Arme gegen mein Herz,<br />

sein Zittern nicht zu fühlen, und, wie <strong>de</strong>r Schwimmer aus reißen<strong>de</strong>n Wassern hervor, rang und strebte mein<br />

Geist, nicht unterzugehn in <strong>de</strong>r unendlichen Liebe.<br />

Wovon sprechen wir doch geschwind? konnt’ ich rufen, man hat oft seine Mühe, man kann <strong>de</strong>n Stoff nicht<br />

fin<strong>de</strong>n, <strong>die</strong> Gedanken daran festzuhalten. (Schmidt, 1994: 75 f.)<br />

Hyperions Gefühle sind so stark, dass er Schwierigkeiten hat, zur Sprache zu kommen, und sich<br />

große Mühe geben muss. Das Verb „können“ besagt, dass er es konnte, und präsupponiert, dass<br />

er es vielleicht auch nicht gekonnt hätte, dass er es gera<strong>de</strong> noch geschafft hat.<br />

Stille, rief sie mit erstickter Stimme, und verbarg ihre Tränen ins Tuch, o stille, und scherze über <strong>de</strong>in<br />

Schicksal, über <strong>de</strong>in Herz nicht! <strong>de</strong>nn ich versteh’ es und besser, als du. (Schmidt, 1994: 76)<br />

Diotimas Gefühle sind so stark, dass ihre Stimme erstickt klingt, fast hätte sie gar nicht sprechen<br />

können.<br />

Wollt’ ich mit <strong>de</strong>m Auge sie suchen, so wurd’ es Nacht vor mir, wollt’ ich mich mit einem Wörtchen an<br />

sie wen<strong>de</strong>n, so erstickt’ es in <strong>de</strong>r Kehle.<br />

Ach! mir wollte das heilige namenlose Verlangen oft <strong>die</strong> Brust zerreißen, und <strong>die</strong> mächtige Liebe zürnt’<br />

oft, wie ein gefangener Titan, in mir. (Schmidt, 1994: 80)<br />

Diotima ist weg und Hyperion sehnt sich so sehr nach ihr, dass ihm <strong>die</strong> Sprache versagt. Seine<br />

Gefühle sind so stark, dass er sie mit Worten gar nicht beschreiben kann, <strong>de</strong>swegen nennt er sie<br />

„namenlos“. Die „Kehle“ wird hier als Sprechorgan aufgefasst.<br />

Ach! mein Hyperion! rief jetzt mir eine Stimme entgegen; ich stürzt’ hinzu; ›meine Diotima! o meine Diotima!‹<br />

weiter hatt’ ich kein Wort und keinen Atem, kein Bewusstsein. (Schmidt, 1994: 82)<br />

Hyperion ist so sehr in Diotima verliebt, dass er nicht mehr als ihren Namen sagen kann. Ansonsten<br />

ist er stumm.<br />

Und nun kein Wort mehr, Bellarmin! Es wäre zuviel für mein geduldiges Herz. Ich bin erschüttert, wie ich<br />

fühle. (Schmidt, 1994: 84)<br />

Hyperion hat gera<strong>de</strong> Bellarmin von Diotima erzählt, und wie sie sich ineinan<strong>de</strong>r verliebten. Die<br />

Empfindung erschüttert ihn so sehr, dass er mit <strong>de</strong>m Brief aufhören muss.<br />

Mitten in all <strong>de</strong>m seligen unverhaltnen Geben und Nehmen fühlt’ ich einmal, dass Diotima stiller wur<strong>de</strong><br />

und immer stiller.<br />

Ich fragt’ und flehte; aber das schien nur mehr sie zu entfernen, endlich flehte sie, ich möchte nicht mehr<br />

fragen, möchte gehn, und wenn ich wie<strong>de</strong>rkäme, von etwas an<strong>de</strong>rm sprechen. Das gab auch mir ein<br />

schmerzliches Verstummen, worein ich selbst mich nicht zu fin<strong>de</strong>n wusste.<br />

Mir war, als hätt’ ein unbegreiflich plötzlich Schicksal unsrer Liebe <strong>de</strong>n Tod geschworen, und alles Leben<br />

war hin, außer mir und allem. (Schmidt, 1994: 85)<br />

94

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!