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die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València

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Alabanda flog auf mich zu, umschlang mich, und seine Küsse gingen mir in <strong>die</strong> Seele. Waffenbru<strong>de</strong>r! rief<br />

er, lieber Waffenbru<strong>de</strong>r! o nun hab ich hun<strong>de</strong>rt Arme!<br />

Das ist endlich einmal meine Melo<strong>die</strong>, fuhr er fort, mit einer Stimme, <strong>die</strong>, wie ein Schlachtruf, mir das<br />

Herz bewegte, mehr braucht’s nicht! Du hast ein herrlich Wort gesprochen, Hyperion! Was? vom Wurme<br />

soll <strong>de</strong>r Gott abhängen? Der Gott in uns, <strong>de</strong>m <strong>die</strong> Unendlichkeit zur Bahn sich öffnet, soll stehn und harren,<br />

bis <strong>de</strong>r Wurm ihm aus <strong>de</strong>m Wege geht? Nein! nein! (Schmidt, 1994: 36 f.)<br />

Hyperion hat eine Re<strong>de</strong> gehalten, und Alabanda hat darin seine eigenen Gedanken erkannt. Deswegen<br />

ruft er, <strong>die</strong>s sei „seine Melo<strong>die</strong>“. Für Höl<strong>de</strong>rlin be<strong>de</strong>utet 'Melo<strong>die</strong>' sehr oft 'einen beson<strong>de</strong>rs<br />

erhabenen Gedanken'. Wahrscheinlich hatte bisher noch niemand <strong>die</strong>se Meinung Alabandas<br />

geteilt. Deswegen sagt er „endlich einmal!“. Alabanda sagt, <strong>die</strong> Worte Hyperions sind „herrlich“<br />

und haben sein „Herz bewegt“, und das muss wirklich so gewesen sein, <strong>de</strong>nn er hat Hyperion jubelnd<br />

umarmt und geküsst. Ausdrücklich wird hier behauptet, dass ein „Schlachtruf“ das Herz<br />

bewegen kann, <strong>de</strong>nn es ist eine schicksalhafte Gelegenheit, bei <strong>de</strong>r es um Tod o<strong>de</strong>r Überleben<br />

geht.<br />

Schweig, erwi<strong>de</strong>rt’ er, und brauche meinen Namen nicht zum Dolche gegen mich! (Schmidt, 1994: 45)<br />

Dies sagt Alabanda zu Hyperion, weil <strong>de</strong>ssen Vorwürfe ihn verletzen.<br />

Da hättest du Diotima sehen sollen, wie sie aufsprang und <strong>die</strong> bei<strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong> mir reichte und rief: ich hab’<br />

es verstan<strong>de</strong>n, Lieber, ganz verstan<strong>de</strong>n, so viel es sagt. [...]<br />

Das hab’ ich gehört, mein Bellarmin! das hab’ ich erfahren, und gehe nicht willig in <strong>de</strong>n Tod?<br />

Ja! ja! ich bin vorausbezahlt, ich habe gelebt. Mehr Freu<strong>de</strong> konnt’ ein Gott ertragen, aber ich nicht.<br />

(Schmidt, 1994: 74 f.)<br />

Bellarmin hätte Diotima sehen sollen, weil Hyperion es sonst nicht zu beschreiben vermag. Diotimas<br />

Körpersprache manifestiert eine beson<strong>de</strong>re Gefühlswallung. Die Wie<strong>de</strong>rholung <strong>de</strong>r Struktur<br />

„Das hab' ich“ impliziert <strong>die</strong> Hervorhebung <strong>de</strong>s Gesagten. „Hören“ und „erfahren“ gehören<br />

zum selben Prototyp und haben hier eine ähnliche Be<strong>de</strong>utung, wodurch <strong>die</strong> Wie<strong>de</strong>rholung noch<br />

stärker betont wird. Zwar durch Geste unterstützt, aber hauptsächlich durch Sprache hat Diotima<br />

Hyperion ein so tiefes Gefühl mitgeteilt, dass er meint, er kann schon sterben, <strong>de</strong>nn er hat in seinem<br />

Leben schon genug erlebt, und mehr Freu<strong>de</strong> erträgt er nicht. Es ist ein<strong>de</strong>utig eine recht extreme<br />

Gefühlslage.<br />

O ihr Uferwei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Lethe! ihr abendrötlichen Pfa<strong>de</strong> in Elysiums Wäl<strong>de</strong>rn! ihr Lilien an <strong>de</strong>n Bächen <strong>de</strong>s<br />

Tals! ihr Rosenkränze <strong>de</strong>s Hügels! Ich glaub’ an euch, in <strong>die</strong>ser freundlichen Stun<strong>de</strong>, und spreche zu meinem<br />

Herzen: dort fin<strong>de</strong>st du sie wie<strong>de</strong>r, und alle Freu<strong>de</strong>, <strong>die</strong> du verlorst. (Schmidt, 1994: 78)<br />

Hyperion spricht zu seinem Herzen, d.h. er sagt etwas zu sich selbst, und tröstet sich einfach dadurch,<br />

dass er für sich selbst seine eigenen Gedanken zur Sprache gebracht hat, so dass er <strong>die</strong><br />

verlorene Freu<strong>de</strong> zurückbekommt.<br />

Kannst du <strong>de</strong>in Herz abwen<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>n Bedürftigen? Sie sind nicht schlimm, sie haben dir nichts zulei<strong>de</strong><br />

getan!<br />

Was kann ich für sie tun, rief ich.<br />

Gib ihnen, was du in dir hast, erwi<strong>de</strong>rte Diotima, gib –<br />

Kein Wort, kein Wort mehr, große Seele! rief ich, du beugst mich sonst, es ist ja sonst, als hättest du mit<br />

Gewalt mich dazu gebracht – (Schmidt, 1994: 99)<br />

Diotima versucht, Hyperion zu überre<strong>de</strong>n, er soll sich für <strong>die</strong> Bedürftigen einsetzen. Da bittet er<br />

sie, zu sprechen aufzuhören, <strong>de</strong>nn sonst wird er ihren Worten erliegen.<br />

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