die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València
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Es ist doch ewig gewiss und zeigt sich überall: je unschuldiger, schöner eine Seele, <strong>de</strong>sto vertrauter mit <strong>de</strong>n<br />
an<strong>de</strong>rn glücklichen Leben, <strong>die</strong> man seelenlos nennt+.<br />
HYPERION AN BELLARMIN<br />
Tausendmal hab’ ich in meiner Herzensfreu<strong>de</strong> gelacht über <strong>die</strong> Menschen, <strong>die</strong> sich einbil<strong>de</strong>n, ein erhabner<br />
Geist könne unmöglich wissen, wie man ein Gemüse bereitet. Diotima konnte wohl zur rechten Zeit recht<br />
herzhaft von <strong>de</strong>m Feuerher<strong>de</strong> sprechen+, und es ist gewiss nichts edler, als ein edles Mädchen, das <strong>die</strong><br />
allwohltätige Flamme besorgt, und, ähnlich <strong>de</strong>r Natur, <strong>die</strong> herzerfreuen<strong>de</strong> Speise bereitet.<br />
HYPERION AN BELLARMIN<br />
Was ist alles künstliche Wissen in <strong>de</strong>r Welt, was ist <strong>die</strong> ganze stolze Mündigkeit <strong>de</strong>r menschlichen<br />
Gedanken gegen <strong>die</strong> ungesuchten Töne+ <strong>die</strong>ses Geistes, <strong>de</strong>r nicht wusste, was er wusste, was er war?<br />
Wer will <strong>die</strong> Traube nicht lieber voll und frisch, so wie sie aus <strong>de</strong>r Wurzel quoll, als <strong>die</strong> getrockneten<br />
gepflückten Beere, <strong>die</strong> <strong>de</strong>r Kaufmann in <strong>die</strong> Kiste presst und in <strong>die</strong> Welt schickt? Was ist <strong>die</strong> Weisheit<br />
eines Buchs+ gegen <strong>die</strong> Weisheit eines Engels?<br />
Sie schien immer so wenig zu sagen+, und sagte+ so viel.<br />
Ich geleitete sie einst in später Dämmerung nach Hause; wie Träume, beschlichen tauen<strong>de</strong> Wölkchen <strong>die</strong><br />
Wiese, #*67*#wie lauschen<strong>de</strong>+ Genien, sahn <strong>die</strong> seligen Sterne durch <strong>die</strong> Zweige.<br />
Man hörte+ selten ein ›wie schön!‹ aus ihrem Mun<strong>de</strong>+, wenn schon das fromme Herz kein lispelnd Blatt,<br />
kein Rieseln einer Quelle unbehorcht+ ließ.<br />
Diesmal sprach+ sie es <strong>de</strong>nn doch mir aus – wie schön!<br />
Es ist wohl uns zuliebe so! sagt’+ ich, ungefähr, wie Kin<strong>de</strong>r etwas sagen+, we<strong>de</strong>r im Scherze noch im<br />
Ernste.<br />
Ich kann mir <strong>de</strong>nken, was du sagst+, erwi<strong>de</strong>rte sie; ich <strong>de</strong>nke mir <strong>die</strong> Welt am liebsten, wie ein häuslich<br />
Leben, wo je<strong>de</strong>s, ohne gera<strong>de</strong> dran zu <strong>de</strong>nken, sich ins andre schickt, und wo man sich einan<strong>de</strong>r zum<br />
Gefallen und zur Freu<strong>de</strong> lebt, weil es eben so vom Herzen kommt.<br />
Froher erhabner Glaube! rief+ ich.<br />
Sie schwieg+ eine Weile.<br />
Auch wir sind also Kin<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Hauses, begann ich endlich wie<strong>de</strong>r, sind es und wer<strong>de</strong>n es sein.<br />
Wer<strong>de</strong>n ewig es sein, erwi<strong>de</strong>rte sie.<br />
Wer<strong>de</strong>n wir das? fragt’+ ich.<br />
Ich vertraue+, fuhr sie fort, hierinnen <strong>de</strong>r Natur, so wie ich täglich ihr vertraue+.<br />
O ich hätte mögen Diotima sein, da sie <strong>die</strong>s sagte+! Aber du weißt nicht, was sie sagte+, mein Bellarmin!<br />
Du hast es nicht gesehn und nicht gehört+.<br />
Du hast Recht, rief+ ich ihr zu; <strong>die</strong> ewige Schönheit, <strong>die</strong> Natur lei<strong>de</strong>t keinen Verlust in sich, so wie sie<br />
keinen Zusatz lei<strong>de</strong>t. Ihr Schmuck ist morgen an<strong>de</strong>rs, als er heute war; aber unser Bestes, uns, uns kann sie<br />
nicht entbehren und dich am wenigsten. Wir glauben, dass wir ewig sind, <strong>de</strong>nn unsere Seele fühlt <strong>die</strong><br />
Schönheit <strong>de</strong>r Natur. Sie ist ein Stückwerk, ist <strong>die</strong> Göttliche, <strong>die</strong> Vollen<strong>de</strong>te nicht, wenn jemals du in ihr<br />
vermisst wirst. Sie ver<strong>die</strong>nt <strong>de</strong>in Herz nicht, wenn sie erröten muss vor <strong>de</strong>inen Hoffnungen.<br />
#*68*#HYPERION AN BELLARMIN<br />
So bedürfnislos, so göttlich genügsam hab’ ich nichts gekannt.<br />
Wie <strong>die</strong> Woge <strong>de</strong>s Ozeans das Gesta<strong>de</strong> seliger Inseln, so umflutete mein ruheloses Herz <strong>de</strong>n Frie<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s<br />
himmlischen Mädchens.<br />
Ich hatt’ ihr nichts zu geben, als ein Gemüt voll wil<strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rsprüche, voll bluten<strong>de</strong>r Erinnerungen, nichts<br />
hatt’ ich ihr zu geben, als meine grenzenlose Liebe mit ihren tausend Sorgen, ihren tausend toben<strong>de</strong>n<br />
Hoffnungen; sie aber stand vor mir in wan<strong>de</strong>lloser Schönheit, mühelos, in lächeln<strong>de</strong>r Vollendung da, und<br />
alles Sehnen, alles Träumen <strong>de</strong>r Sterblichkeit, ach! alles, was in goldnen Morgenstun<strong>de</strong>n von höhern<br />
Regionen <strong>de</strong>r Genius weissagt+, es war alles in <strong>die</strong>ser Einen stillen+ Seele erfüllt.<br />
Man sagt+ sonst, über <strong>de</strong>n Sternen verhalle <strong>de</strong>r Kampf, und künftig erst, verspricht+ man uns, wenn unsre<br />
Hefe gesunken sei, verwandle sich in e<strong>de</strong>ln Freu<strong>de</strong>nwein das gären<strong>de</strong> Leben, <strong>die</strong> Herzensruhe <strong>de</strong>r Seligen<br />
sucht man sonst auf <strong>die</strong>ser Er<strong>de</strong> nirgends mehr. Ich weiß es an<strong>de</strong>rs. Ich bin <strong>de</strong>n nähern Weg gekommen. Ich<br />
stand vor ihr, und hört’+ und sah <strong>de</strong>n Frie<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Himmels, und mitten im seufzen<strong>de</strong>n Chaos erschien mir<br />
Urania.<br />
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