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die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València

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5.4. Allgemeine Schlussfolgerung<br />

Felipe Martínez Marzoa geht sehr tief auf <strong>die</strong> logische Problematik <strong>de</strong>r Entgegensetzung von<br />

Subjekt und Objekt bei Hegel und bei an<strong>de</strong>ren Zeitgenossen o<strong>de</strong>r Vorläufern Höl<strong>de</strong>rlins ein 264 .<br />

Ryan erklärt, wie durch Dichtung <strong>die</strong> Aufhebung <strong>de</strong>r Gegensätze Subjekt­Objekt stattfin<strong>de</strong>n<br />

soll 265 . Das Subjekt ist <strong>de</strong>r Erkennen<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r Sprechen<strong>de</strong>; das Objekt ist an<strong>de</strong>rerseits das Erkannte,<br />

<strong>die</strong> Natur, <strong>die</strong> Welt, ebendas, wovon bei Höl<strong>de</strong>rlin immer <strong>die</strong> Re<strong>de</strong> ist. So in <strong>de</strong>r Vorre<strong>de</strong> zur<br />

1795 entstan<strong>de</strong>nen vorletzten Fassung <strong>de</strong>s Hyperion:<br />

Jenen ewigen Wi<strong>de</strong>rstreit zwischen unserem Selbst und <strong>de</strong>r Welt zu endigen, <strong>de</strong>n Frie<strong>de</strong>n alles Frie<strong>de</strong>ns,<br />

<strong>de</strong>r höher ist, <strong>de</strong>nn alle Vernunft, <strong>de</strong>n wie<strong>de</strong>r zu bringen, uns mit <strong>de</strong>r Natur zu vereinigen zu Einem unendlichen<br />

Ganzen, das ist das Ziel all unseres Strebens, wir mögen uns darüber verstehen o<strong>de</strong>r nicht. (Schmidt,<br />

1994: 256)<br />

Ryan spricht von einem „Dreischritt von <strong>de</strong>r Indifferenz über <strong>die</strong> Subjekt­Objekt­Trennung zur<br />

Innigkeit“. Nach seiner Auffassung grün<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Jupiter <strong>de</strong>r O<strong>de</strong> Natur und Kunst „das Reich <strong>de</strong>s<br />

Gesetzes, <strong>de</strong>r Entgegensetzung – und d.h. <strong>de</strong>r Zeit“ 266 –. Entgegensetzung, Zeit und Sprache sind<br />

hier m.E. verschie<strong>de</strong>ne Aspekte ein und <strong>de</strong>rselben Erscheinung, <strong>de</strong>nn <strong>die</strong> Zeit – o<strong>de</strong>r das Zeitalter,<br />

wo <strong>die</strong> Zeit gezählt wird – ist nach Ryan ein Übergang vom ursprünglichen Ganzen, wo es<br />

noch keine Entgegensetzung und daher kein Bewusstsein gab, zum fühlbaren Ganzen, das dank<br />

<strong>de</strong>r Entgegensetzung erkannt, verstan<strong>de</strong>n und gefühlt wird. Während <strong>die</strong>ser Übergangsphase ist<br />

menschliche Sprache möglich. Aber was passiert danach? Ist Sprache weiterhin möglich, wenn<br />

<strong>de</strong>r Mensch endlich <strong>die</strong> Ganzheit fühlt, o<strong>de</strong>r muss er schweigen? Diese Frage könnte man mit<br />

<strong>de</strong>r Antwort auf eine an<strong>de</strong>re Frage beantworten: Ist Höl<strong>de</strong>rlins Versuch gelungen, in seinem<br />

Werk das Unnennbare zu nennen?<br />

Höl<strong>de</strong>rlin hat sein Leben lang versucht, das Unmittelbare zu vermitteln. Dazu hat sich einer <strong>de</strong>r<br />

ältesten und wichtigsten Weisen <strong>de</strong>r Welt schon vor vielen Jahrtausen<strong>de</strong>n entschie<strong>de</strong>n geäußert:<br />

Ein Dao: kann es als Dao bestimmt wer<strong>de</strong>n, ist es kein [...] Dao. [...] noch verborgener als das Verborgene.<br />

267<br />

Das Dao bleibt stets namenlos. 268<br />

„Dao“ o<strong>de</strong>r „Tao“ be<strong>de</strong>utet hier ungefähr so viel wie Gott o<strong>de</strong>r Ganzheit o<strong>de</strong>r Weltall o<strong>de</strong>r Mutter<br />

Natur.<br />

Die hellsichtigen Worte von Gerhard Kurz helfen uns, <strong>die</strong>sen Wi<strong>de</strong>rspruch zu verstehen 269 . Er<br />

schreibt, Höl<strong>de</strong>rlin verbin<strong>de</strong> <strong>die</strong> platonische, von Her<strong>de</strong>r vorgetragene Vereinigungsphilosophie<br />

mit <strong>de</strong>r vor allem von Fichte vorgetragenen Entgegensetzungsphilosophie. Für Höl<strong>de</strong>rlin sei das<br />

menschliche Bewusstsein ohne Schranken, ohne Trennungen, ohne Entgegensetzung eines Objektes<br />

und eines Subjektes nicht möglich, aber auch nicht ohne <strong>die</strong> unvor<strong>de</strong>nklich zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong><br />

Einheit eines „Seins“. Dieses Sein sei in <strong>de</strong>r Schönheit, in <strong>de</strong>r Liebe o<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Natur erfahrbar.<br />

Die Legitimierung <strong>de</strong>r Kunst – und konkreter: <strong>de</strong>r Sprache – als Darstellung <strong>die</strong>ser unvor<strong>de</strong>nklichen<br />

Einheit <strong>de</strong>s Seins führe über Schiller hinaus, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n Ästhetischen Briefen <strong>die</strong><br />

These vertritt, dass man durch <strong>de</strong>n ästhetischen Eindruck, <strong>de</strong>n <strong>die</strong> Dichtung und im allgemeinen<br />

<strong>die</strong> Kunst macht, <strong>die</strong> hohe moralische und göttliche Erkenntnis vermitteln kann.<br />

264<br />

Martínez Marzoa, 1995: 27 ff.<br />

265<br />

Ryan, 1960: 19­24.<br />

266<br />

Ryan, 1960: 25.<br />

267<br />

Laotse, 1995: 144.<br />

268<br />

Laotse, 1995: 233.<br />

269<br />

Kurz, 1993: 297.<br />

274

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