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die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València

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Konntest du <strong>de</strong>nn mich halten, als <strong>de</strong>in Schicksal dir <strong>de</strong>nselben Weg wies? und, hätt’st du im Hel<strong>de</strong>nkampfe<br />

<strong>de</strong>ines Herzens mir gepredigt – lass dir genügen, Kind! und schick in <strong>die</strong> Zeit dich – wärst du nicht <strong>de</strong>r<br />

Eitelste von allen Eiteln gewesen? (Schmidt, 1994: 160)<br />

Dies schreibt Diotima an Hyperion in ihrem letzten Brief. Das Verb „predigen“ ist hier etwa synonym<br />

für 'raten, empfehlen' und erzielt somit einen gewissen Einfluss auf das Verhalten <strong>de</strong>s zu<br />

überre<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Menschen.<br />

Ja! es ist alles vorbei. Das muss ich nur recht oft mir sagen, muss damit <strong>die</strong> Seele mir bin<strong>de</strong>n, dass sie ruhig<br />

bleibt, sich nicht erhitzt in ungereimten kindischen Versuchen. (Schmidt, 1994: 165)<br />

Dies schreibt Hyperion an Notara, kurz nach<strong>de</strong>m er Nachricht von Diotimas Tod erhalten hat.<br />

Durch <strong>die</strong> Sprache, durch <strong>die</strong> Wie<strong>de</strong>rholung <strong>de</strong>r besänftigen<strong>de</strong>n Worte gelingt es ihm, sich zu<br />

beruhigen.<br />

B.II.a.3.4. Die Sprache kann eine große, positive o<strong>de</strong>r negative<br />

Wirkung auf <strong>die</strong> Menschen haben<br />

Ein freundlich Wort aus eines tapfern Mannes Herzen, ein Lächeln, worin <strong>die</strong> verzehren<strong>de</strong> Herrlichkeit <strong>de</strong>s<br />

Geistes sich verbirgt, ist wenig und viel, wie ein zauberisch Losungswort, das Tod und Leben in seiner einfältigen<br />

Silbe verbirgt, ist, wie ein geistig Wasser, das aus <strong>de</strong>r Tiefe <strong>de</strong>r Berge quillt, und <strong>die</strong> geheime Kraft<br />

<strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> uns mitteilt in seinem kristallenen Tropfen. (Schmidt, 1994: 19)<br />

Hyperion schreibt hier über seinen verehrten Lehrer und Mentor Adamas. Ein freundliches Wort,<br />

ein Lächeln, sind kleine Gesten, <strong>die</strong> aber für eine bestimmte Person wie Hyperion sehr viel be<strong>de</strong>uten<br />

können, <strong>de</strong>nn sie können eine solche Herrlichkeit besitzen, dass <strong>de</strong>r Geist <strong>de</strong>s Lehrlings<br />

verzehrt wird. „Verzehren“ be<strong>de</strong>utet hier 'nach jeman<strong>de</strong>m bzw. etwas so heftig verlangen, etwas<br />

so stark empfin<strong>de</strong>n, dass man innerlich fast krank davon wird'.<br />

Noch trauert und frohlockt mein Innerstes über je<strong>de</strong>s Wort, das mir damals Adamas sagte, und ich begreife<br />

meine Bedürftigkeit nicht, wenn oft mir wird, wie damals ihm sein musste. Was ist Verlust, wenn so <strong>de</strong>r<br />

Mensch in seiner eignen Welt sich fin<strong>de</strong>t? In uns ist alles. Was kümmert’s dann <strong>de</strong>n Menschen, wenn ein<br />

Haar von seinem Haupte fällt? Was ringt er so nach Knechtschaft, da er ein Gott sein könnte! Du wirst einsam<br />

sein, mein Liebling! sagte mir damals Adamas auch, du wirst sein wie <strong>de</strong>r Kranich, <strong>de</strong>n seine Brü<strong>de</strong>r<br />

zurückließen in rauer Jahrszeit, in<strong>de</strong>s sie <strong>de</strong>n Frühling suchen im fernen Lan<strong>de</strong>. (Schmidt, 1994: 23)<br />

Adamas Worte bewegen das Innerste von Hyperion noch immer, nach so vielen Jahren.<br />

Wir waren zusammen aufs Feld gegangen, saßen vertraulich umschlungen im Dunkel <strong>de</strong>s immergrünen<br />

Lorbeers, und sahn zusammen in unsern Plato, wo er so wun<strong>de</strong>rbar erhaben vom Altern und Verjüngen<br />

spricht, und ruhten hin und wie<strong>de</strong>r aus auf <strong>de</strong>r stummen entblätterten Landschaft, wo <strong>de</strong>r Himmel schöner,<br />

als je, mit Wolken und Sonnenschein um <strong>die</strong> herbstlich schlafen<strong>de</strong>n Bäume spielte.<br />

Wir sprachen darauf Manches vom jetzigen Griechenland, bei<strong>de</strong> mit bluten<strong>de</strong>m Herzen, <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r entwürdigte<br />

Bo<strong>de</strong>n war auch Alabandas Vaterland.<br />

Alabanda war wirklich ungewöhnlich bewegt. (Schmidt, 1994: 35 f.)<br />

Hyperion und Alabanda fin<strong>de</strong>n <strong>die</strong> Sprache Platos <strong>de</strong>shalb „wun<strong>de</strong>rbar erhaben“, weil sie in ihnen<br />

ein entsprechen<strong>de</strong>s Gefühl erregen kann. Kurz darauf sprechen sie „mit bluten<strong>de</strong>m Herzen“,<br />

weil das Thema für sie so wichtig ist, dass zumin<strong>de</strong>st Alabanda „wirklich ungewöhnlich bewegt“<br />

war.<br />

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