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die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València

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Not und Angst und Nacht sind eure Herren. Die son<strong>de</strong>rn euch, <strong>die</strong> treiben euch mit Schlägen aneinan<strong>de</strong>r.<br />

Den Hunger nennt+ ihr Liebe, und wo ihr nichts mehr seht, da wohnen eure Götter. Götter und Liebe?<br />

O <strong>die</strong> Poeten haben recht, es ist nichts so klein und wenig, woran man sich nicht begeistern könnte.<br />

So dacht’ ich. Wie das alles in mich kam, begreif’ ich noch nicht.<br />

#*56*#Zweites Buch<br />

HYPERION AN BELLARMIN<br />

Ich lebe jetzt auf <strong>de</strong>r Insel <strong>de</strong>s Ajax, <strong>de</strong>r teuern Salamis.<br />

Ich liebe <strong>die</strong>s Griechenland überall. Es trägt <strong>die</strong> Farbe meines Herzens. Wohin man siehet, liegt eine Freu<strong>de</strong><br />

begraben.<br />

Und doch ist so viel Liebliches und Großes auch um einen. Auf <strong>de</strong>m Vorgebirge hab’ ich mir eine Hütte<br />

gebaut von Mastixzweigen, und Moos und Bäume herumgepflanzt und Thymian und allerlei Sträuche.<br />

Da hab’ ich meine liebsten Stun<strong>de</strong>n, da sitz’ ich Aben<strong>de</strong> lang und sehe nach Attika hinüber, bis endlich<br />

mein Herz zu hoch mir klopft; dann nehm’ ich mein Werkzeug, gehe hinab an <strong>die</strong> Bucht und fange mir<br />

Fische.<br />

O<strong>de</strong>r les’ ich auch auf meiner Höhe droben vom alten herrlichen Seekrieg, <strong>de</strong>r an Salamis einst im wil<strong>de</strong>n<br />

klug beherrschten Getümmel vertobte, und freue <strong>de</strong>s Geistes mich, <strong>de</strong>r das wüten<strong>de</strong> Chaos von Freun<strong>de</strong>n<br />

und Fein<strong>de</strong>n lenken konnte und zähmen, wie ein Reuter das Ross, und schäme mich innigst meiner eigenen<br />

Kriegsgeschichte.<br />

O<strong>de</strong>r schau’ ich aufs Meer hinaus und über<strong>de</strong>nke mein Leben, sein Steigen und Sinken, seine Seligkeit und<br />

seine Trauer und meine Vergangenheit lautet+ mir oft, wie ein Saitenspiel+, wo <strong>de</strong>r Meister alle Töne+<br />

durchläuft, und Streit und Einklang+ mit verborgener Ordnung untereinan<strong>de</strong>rwirft.<br />

Heut ist’s dreifach schön hier oben. Zwei freundliche Regentage haben <strong>die</strong> Luft und <strong>die</strong> lebensmü<strong>de</strong> Er<strong>de</strong><br />

gekühlt.<br />

Der Bo<strong>de</strong>n ist grüner gewor<strong>de</strong>n, offner das Feld. #*57*#Unendlich steht, mit <strong>de</strong>r freudigen Kornblume<br />

gemischt, <strong>de</strong>r gol<strong>de</strong>ne Weizen da, und licht und heiter steigen tausend hoffnungsvolle Gipfel aus <strong>de</strong>r Tiefe<br />

<strong>de</strong>s Hains. Zart und groß durchirret <strong>de</strong>n Raum je<strong>de</strong> Linie <strong>de</strong>r Fernen; wie Stufen gehn <strong>die</strong> Berge bis zur<br />

Sonne unaufhörlich hintereinan<strong>de</strong>r hinauf. Der ganze Himmel ist rein. Das weiße Licht ist nur über <strong>de</strong>n<br />

Äther gehaucht, und, wie ein silbern Wölkchen, wallt <strong>de</strong>r schüchterne Mond am hellen Tage vorüber.<br />

HYPERION AN BELLARMIN<br />

Mir ist lange nicht gewesen, wie jetzt.<br />

Wie Jupiters Adler <strong>de</strong>m Gesange+ <strong>de</strong>r Musen, lausch’+ ich <strong>de</strong>m wun<strong>de</strong>rbaren unendlichen Wohllaut+ in<br />

mir. Unangefochten an Sinn und Seele, stark und fröhlich, mit lächeln<strong>de</strong>m Ernste, spiel’ ich im Geiste mit<br />

<strong>de</strong>m Schicksal und <strong>de</strong>n drei Schwestern, <strong>de</strong>n heiligen Parzen. Voll göttlicher Jugend frohlockt mein ganzes<br />

Wesen über sich selbst, über Alles. Wie <strong>de</strong>r Sternenhimmel, bin ich still+ und bewegt.<br />

Ich habe lange gewartet auf solche Festzeit, um dir einmal wie<strong>de</strong>r zu schreiben+. Nun bin ich stark genug;<br />

nun lass mich dir erzählen+.<br />

Mitten in meinen finstern Tagen lud ein Bekannter von Kalaurea herüber mich ein. Ich sollt’ in seine<br />

Gebirge kommen, schrieb+ er mir; man lebe hier freier als sonstwo, und auch da blüheten, mitten unter <strong>de</strong>n<br />

Fichtenwäl<strong>de</strong>rn und reißen<strong>de</strong>n Wassern, Limonienhaine und Palmen und liebliche Kräuter und Myrten und<br />

<strong>die</strong> heilige Rebe. Einen Garten hab’ er hoch am Gebirge gebaut und ein Haus; <strong>de</strong>m beschatteten dichte<br />

Bäume <strong>de</strong>n Rücken, und kühlen<strong>de</strong> Lüfte umspielten es leise+ in <strong>de</strong>n brennen<strong>de</strong>n Sommertagen; wie ein<br />

Vogel vom Gipfel <strong>de</strong>r Ze<strong>de</strong>r, blickte man in <strong>die</strong> Tiefen hinab, zu <strong>de</strong>n Dörfern und grünen Hügeln, und<br />

zufrie<strong>de</strong>nen Her<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Insel, <strong>die</strong> alle, wie Kin<strong>de</strong>r, umherlägen um <strong>de</strong>n herrlichen Berg und sich nährten<br />

von seinen schäumen<strong>de</strong>n Bächen.<br />

#*58*#Das weckte mich <strong>de</strong>nn doch ein wenig. Es war ein heiterer blauer Apriltag, an <strong>de</strong>m ich<br />

hinüberschiffte. Das Meer war ungewöhnlich schön und rein, und leicht <strong>die</strong> Luft, wie in höheren Regionen.<br />

Man ließ im schweben<strong>de</strong>n Schiffe <strong>die</strong> Er<strong>de</strong> hinter sich liegen, wie eine köstliche Speise, wenn <strong>de</strong>r heilige<br />

Wein gereicht wird.<br />

Dem Einflusse <strong>de</strong>s Meers und <strong>de</strong>r Luft wi<strong>de</strong>rstrebt <strong>de</strong>r finstere Sinn umsonst. Ich gab mich hin, fragte+<br />

nichts nach mir und an<strong>de</strong>rn, suchte nichts, sann auf nichts, ließ vom Boote mich halb in Schlummer<br />

wiegen, und bil<strong>de</strong>te mir ein, ich liege in Charons Nachen. O es ist süß, so aus <strong>de</strong>r Schale <strong>de</strong>r Vergessenheit<br />

zu trinken.<br />

Mein fröhlicher Schiffer hätte gerne mit mir gesprochen+, aber ich war sehr einsilbig+.<br />

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