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die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València

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O Diotima! o Alabanda! edle, ruhiggroße Wesen! wie muss ich vollen<strong>de</strong>n, wenn ich nicht fliehn will vor<br />

meinem Glücke, vor euch?<br />

Eben, während ich schrieb+, erhielt ich <strong>de</strong>inen Brief, du liebe.<br />

Traure nicht, hol<strong>de</strong>s Wesen, traure nicht! Spare dich, unversehrt von Gram, <strong>de</strong>n künftigen<br />

Vaterlandsfesten! Diotima! <strong>de</strong>m glühen<strong>de</strong>n Festtag <strong>de</strong>r Natur, <strong>de</strong>m spare dich auf und all <strong>de</strong>n heitern<br />

Ehrentagen <strong>de</strong>r Götter!<br />

Siehest du Griechenland nicht schon?<br />

O siehest du nicht, wie, froh <strong>de</strong>r neuen Nachbarschaft, <strong>die</strong> ewigen Sterne lächeln über unsern Städten und<br />

Hainen, wie das alte Meer, wenn es unser Volk lustwan<strong>de</strong>lnd am Ufer sieht, <strong>de</strong>r schönen Athener wie<strong>de</strong>r<br />

ge<strong>de</strong>nkt und wie<strong>de</strong>r Glück uns bringt, wie damals seinen Lieblingen, auf fröhlicher Woge?<br />

Seelenvolles Mädchen! du bist so schön schon jetzt! wie #*122*#wirst du dann erst, wenn das echte Klima<br />

dich nährt, in entzücken<strong>de</strong>r Glorie blühn!<br />

DIOTIMA AN HYPERION<br />

Ich hatte <strong>die</strong> meiste Zeit mich eingeschlossen, seit du fort bist, lieber Hyperion! Heute war ich wie<strong>de</strong>r<br />

einmal draußen.<br />

In hol<strong>de</strong>r Februarluft hab’ ich Leben gesammelt und bringe das Gesammelte dir. Es hat auch mir noch wohl<br />

getan, das frische Erwarmen <strong>de</strong>s Himmels, noch hab’ ich sie mitgefühlt, <strong>die</strong> neue Wonne <strong>de</strong>r Pflanzenwelt,<br />

<strong>de</strong>r reinen, immer gleichen, wo alles trauert und sich wie<strong>de</strong>r freut zu seiner Zeit.<br />

Hyperion! o mein Hyperion! warum gehn wir <strong>de</strong>nn <strong>die</strong> stillen+ Lebenswege nicht auch? Es sind heilige<br />

Namen+, Winter und Frühling und Sommer und Herbst! wir aber kennen sie nicht. Ist es nicht Sün<strong>de</strong>, zu<br />

trauern im Frühling? warum tun wir es <strong>de</strong>nnoch?<br />

Vergib mir! <strong>die</strong> Kin<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> leben durch <strong>die</strong> Sonne allein; ich lebe durch dich, ich habe andre Freu<strong>de</strong>n,<br />

ist es <strong>de</strong>nn ein Wun<strong>de</strong>r, wenn ich andre Trauer habe? und muss ich trauern? muss ich <strong>de</strong>nn?<br />

Mutiger! lieber! sollt’ ich welken, wenn du glänzest? sollte mir das Herz ermatten, wenn <strong>die</strong> Siegslust dir in<br />

allen Sehnen erwacht? Hätt’ ich eh’mals gehört+, ein griechischer Jüngling mache sich auf, das gute Volk<br />

aus seiner Schmach zu ziehn, es <strong>de</strong>r mütterlichen Schönheit, <strong>de</strong>r es entstammte, wie<strong>de</strong>r zu bringen, wie<br />

hätt’ ich aufgestaunt aus <strong>de</strong>m Traume <strong>de</strong>r Kindheit und gedürstet nach <strong>de</strong>m Bil<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Teuren? und nun er<br />

da ist, nun er mein ist, kann ich noch weinen? o <strong>de</strong>s albernen Mädchens! ist es <strong>de</strong>nn nicht wirklich? ist er<br />

<strong>de</strong>r Herrliche nicht, und ist er nicht mein! o ihr Schatten seliger Zeit! ihr meine trauten Erinnerungen!<br />

Ist mir doch, als wär’ er kaum von gestern, jener Zauberabend, da <strong>de</strong>r heil’ge Fremdling mir zum ersten<br />

Male #*123*#begegnete, da er, wie ein trauern<strong>de</strong>r Genius, hereinglänzt’ in <strong>die</strong> Schatten <strong>de</strong>s Walds, wo im<br />

Jugendtraume das unbekümmerte Mädchen saß – in <strong>de</strong>r Mailuft kam er, in Joniens zaubrischer Mailuft und<br />

sie macht’ ihn blühen<strong>de</strong>r mir, sie lockt’ ihm das Haar, entfaltet’ ihm, wie Blumen, <strong>die</strong> Lippen+, löst’ in<br />

Lächeln <strong>die</strong> Wehmut auf und o ihr Strahlen <strong>de</strong>s Himmels! wie leuchtetet ihr aus <strong>die</strong>sen Augen mich an, aus<br />

<strong>die</strong>sen berauschen<strong>de</strong>n Quellen, wo im Schatten umschirmen<strong>de</strong>r Bogen ewig Leben schimmert und wallt! –<br />

Gute Götter! wie er schön ward mit <strong>de</strong>m Blick auf mich! wie <strong>de</strong>r ganze Jüngling, eine Spanne größer<br />

gewor<strong>de</strong>n, in leichter Nerve dastand, nur dass ihm <strong>die</strong> lieben Arme <strong>die</strong> bescheidnen nie<strong>de</strong>rsanken, als<br />

wären sie nichts! und wie er drauf emporsah im Entzücken, als wär’ ich gen Himmel entflogen und nicht<br />

mehr da, ach! wie er nun in aller Herzensanmut lächelt’ und errötete, da er wie<strong>de</strong>r mich gewahr ward und<br />

unter <strong>de</strong>n dämmern<strong>de</strong>n Tränen sein Phöbusauge durchstrahlt’, um zu fragen+, bist du’s? bist du es<br />

wirklich?<br />

Und warum begegnet’ er so frommen Sinnes, so voll lieben Aberglaubens mir? warum hatt’ er erst sein<br />

Haupt gesenkt, warum war <strong>de</strong>r Götterjüngling so voll Sehnens und Trauerns? Sein Genius war zu selig, um<br />

allein zu bleiben, und zu arm <strong>die</strong> Welt, um ihn zu fassen. O es war ein liebes Bild, gewebt von Größe und<br />

Lei<strong>de</strong>n! Aber nun ist’s an<strong>de</strong>rs! mit <strong>de</strong>m Lei<strong>de</strong>n ist’s aus! Er hat zu tun bekommen, er ist <strong>de</strong>r Kranke nicht<br />

mehr! –<br />

Ich war voll Seufzens, da ich anfing, dir zu schreiben+, mein Geliebter! Jetzt bin ich lauter Freu<strong>de</strong>. So<br />

spricht+ man über dir sich glücklich. Und siehe! so soll’s auch bleiben. Lebe wohl!<br />

HYPERION AN DIOTIMA<br />

Wir haben noch zu gutem En<strong>de</strong> <strong>de</strong>in Fest gefeiert, schönes Leben! ehe <strong>de</strong>r Lärm beginnt. Es war ein<br />

himmlischer Tag. Das hol<strong>de</strong> Frühjahr weht’ und glänzte vom Orient her, #*124*#entlockt’ uns <strong>de</strong>inen<br />

Namen+, wie es <strong>de</strong>n Bäumen <strong>die</strong> Blüten entlockt, und alle seligen Geheimnisse <strong>de</strong>r Liebe entatmeten mir.<br />

Eine Liebe, wie <strong>die</strong> unsre, war <strong>de</strong>m Freun<strong>de</strong> nie erschienen, und es war entzückend, wie <strong>de</strong>r stolze Mensch<br />

aufmerkte und Auge und Geist ihm glühte, <strong>de</strong>in Bild, <strong>de</strong>in Wesen zu fassen.<br />

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