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die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València

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Taumel erhitzt, es war ein rachetrunknes schreckliches Getümmel. Die Schiffe hingen bald mit ihrem<br />

Tauwerk aneinan<strong>de</strong>r fest; das wüten<strong>de</strong> Gefecht ward immer enger und enger.<br />

Ein tiefes Lebensgefühl durchdrang mich noch. Es war mir warm und wohl in allen Glie<strong>de</strong>rn. Wie ein<br />

zärtlich Schei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r, fühlte zum letzten Male sich in allen seinen Sinnen mein Geist. Und nun, voll heißen<br />

Unmuts, dass ich Besseres nicht wusste, <strong>de</strong>nn mich schlachten zu lassen in einem Gedränge von Barbaren,<br />

mit zürnen<strong>de</strong>n Tränen im Auge, stürmt’ ich hin, wo mir <strong>de</strong>r Tod gewiss war.<br />

Ich traf <strong>die</strong> Fein<strong>de</strong> nahe genug und von <strong>de</strong>n Russen, <strong>die</strong> an meiner Seite fochten, war in wenig<br />

Augenblicken auch nicht Einer übrig. Ich stand allein da, voll Stolzes, und warf mein Leben, wie einen<br />

Bettlerpfenning, vor <strong>die</strong> Barbaren, aber sie wollten mich nicht. Sie sahen mich an, wie einen, an<br />

#*138*#<strong>de</strong>m man sich zu versündigen fürchtet, und das Schicksal schien mich zu achten in meiner<br />

Verzweiflung.<br />

Aus höchster Notwehr hieb <strong>de</strong>nn endlich einer auf mich ein, und traf mich, dass ich stürzte. Mir wur<strong>de</strong> von<br />

da an nichts mehr bewusst, bis ich auf Paros, wohin ich übergeschifft war, wie<strong>de</strong>r erwachte.<br />

Von <strong>de</strong>m Diener, <strong>de</strong>r mich aus <strong>de</strong>r Schlacht trug, hört’+ ich nachher, <strong>die</strong> bei<strong>de</strong>n Schiffe, <strong>die</strong> <strong>de</strong>n Kampf<br />

begonnen, seien in <strong>die</strong> Luft geflogen, <strong>de</strong>n Augenblick darauf, nach<strong>de</strong>m er mit <strong>de</strong>m Wundarzt mich in einem<br />

Boote weggebracht. Die Russen hatten Feuer in das türkische Schiff geworfen, und weil ihr eignes an <strong>de</strong>m<br />

an<strong>de</strong>rn festhing, brannt’ es mit auf.<br />

Wie <strong>die</strong>se fürchterliche Schlacht ein En<strong>de</strong> nahm, ist dir bekannt. So straft ein Gift das andre, rief+ ich, da<br />

ich erfuhr, <strong>die</strong> Russen hätten <strong>die</strong> ganze türkische Flotte verbrannt – so rotten <strong>die</strong> Tyrannen sich selbst aus.<br />

HYPERION AN BELLARMIN<br />

Sechs Tage nach <strong>de</strong>r Schlacht lag ich in einem peinlichen todähnlichen Schlaf. Mein Leben war, wie eine<br />

Nacht, von Schmerzen, wie von zücken<strong>de</strong>n Blitzen, unterbrochen. Das Erste, was ich wie<strong>de</strong>r erkannte, war<br />

Alabanda. Er war, wie ich erfuhr, nicht einen Augenblick von mir gewichen, hatte fast allein mich be<strong>die</strong>nt,<br />

mit unbegreiflicher Geschäftigkeit, mit tausend zärtlichen häuslichen Sorgen, woran er sonst im Leben nie<br />

gedacht, und man hatt’ ihn auf <strong>de</strong>n Knien vor meinem Bette rufen+ gehört+: o lebe, mein Lieber! dass ich<br />

lebe!<br />

Es war ein glücklich Erwachen, Bellarmin! da mein Auge nun wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Lichte sich öffnete, und mit <strong>de</strong>n<br />

Tränen <strong>de</strong>s Wie<strong>de</strong>rsehens <strong>de</strong>r Herrliche vor mir stand.<br />

Ich reicht’ ihm <strong>die</strong> Hand hin, und <strong>de</strong>r Stolze küsste sie mit allen Entzücken <strong>de</strong>r Liebe. Er lebt, rief+ er, o<br />

Retterin! o Natur! du gute, alles heilen<strong>de</strong>! <strong>de</strong>in armes Paar, das #*139*#vaterlandslose, das irre, verlässest<br />

doch du nicht! O ich will es nie vergessen, Hyperion! wie <strong>de</strong>in Schiff vor meinen Augen im Feuer aufging,<br />

und donnernd, in <strong>die</strong> rasen<strong>de</strong> Flamme <strong>die</strong> Schiffer mit sich hinaufriss, und unter <strong>de</strong>n wenigen geretteten<br />

kein Hyperion war. Ich war von Sinnen und <strong>de</strong>r grimmige Schlachtlärm stillte+ mich nicht. Doch hört’+ ich<br />

bald von dir und flog dir nach, sobald wir mit <strong>de</strong>m Fein<strong>de</strong> vollends fertig waren. –<br />

Und wie er nun mich hütete! wie er mit lieben<strong>de</strong>r Vorsicht mich gefangen hielt in <strong>de</strong>m Zauberkreise seiner<br />

Gefälligkeiten! wie er, ohne ein Wort+, mit seiner großen Ruhe+ mich lehrte, <strong>de</strong>n freien Lauf <strong>de</strong>r Welt<br />

neidlos und männlich zu verstehen+!<br />

O ihr Söhne <strong>de</strong>r Sonne! ihr freieren Seelen! es ist viel verloren gegangen in <strong>die</strong>sem Alabanda. Ich suchte<br />

umsonst und flehte das Leben an, seit er fort ist; solch eine Römernatur hab’ ich nimmer gefun<strong>de</strong>n. Der<br />

Sorgenfreie, <strong>de</strong>r Tiefverständige, <strong>de</strong>r Tapfre, <strong>de</strong>r Edle! Wo ist ein Mann, wenn er’s nicht war? Und wenn er<br />

freundlich war und fromm, da war’s, wie wenn das Abendlicht im Dunkel <strong>de</strong>r majestätischen Eiche spielt<br />

und ihre Blätter träufeln vom Gewitter <strong>de</strong>s Tags.<br />

HYPERION AN BELLARMIN<br />

Es war in <strong>de</strong>n schönen Tagen <strong>de</strong>s Herbsts, da ich von meiner Wun<strong>de</strong> halbgenesen zum ersten Male wie<strong>de</strong>r<br />

ans Fenster trat. Ich kam mit stilleren+ Sinnen wie<strong>de</strong>r ins Leben und meine Seele war aufmerksamer<br />

gewor<strong>de</strong>n. Mit seinem leisesten+ Zauber wehte <strong>de</strong>r Himmel mich an, und mild, wie ein Blütenregen,<br />

flossen <strong>die</strong> heitern Sonnenstrahlen herab. Es war ein großer, stiller+, zärtlicher Geist in <strong>die</strong>ser Jahrszeit, und<br />

<strong>die</strong> Vollendungsruhe+, <strong>die</strong> Wonne <strong>de</strong>r Zeitigung in <strong>de</strong>n säuseln<strong>de</strong>n Zweigen umfing mich, wie <strong>die</strong><br />

erneuerte Jugend, so <strong>die</strong> Alten in ihrem Elysium hofften.<br />

Ich hatt’ es lange nicht mit reiner Seele genossen, das #*140*#kindliche Leben <strong>de</strong>r Welt, nun tat mein<br />

Auge sich auf mit aller Freu<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Wie<strong>de</strong>rsehens und <strong>die</strong> selige Natur war wan<strong>de</strong>llos in ihrer Schöne<br />

geblieben. Meine Tränen flossen, wie ein Sühnopfer, vor ihr, und schau<strong>de</strong>rnd stieg ein frisches Herz mir<br />

aus <strong>de</strong>m alten Unmut auf. O heilige Pflanzenwelt! rief+ ich, wir streben und sinnen und haben doch dich!<br />

wir ringen mit sterblichen Kräften Schönes zu baun, und es wächst doch sorglos neben uns auf! nicht wahr,<br />

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