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die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València

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O Diotima! o Alabanda! edle, ruhiggroße Wesen! wie muss ich vollen<strong>de</strong>n, wenn ich nicht fliehn will vor<br />

meinem Glücke, vor euch? (Schmidt, 1994: 121)<br />

Wenn Hyperion sich so nennt, wenn er so etwas sagen darf, dann <strong>de</strong>shalb, weil es so ist. Nur<br />

dann ist <strong>de</strong>r Sprachgebrauch legitim, wenn er <strong>de</strong>r Wirklichkeit entspricht. Deshalb ist Versprachlichung<br />

hier gleichbe<strong>de</strong>utend mit Anerkennung <strong>de</strong>r bestehen<strong>de</strong>n Verhältnisse.<br />

wenn sich dann, in<strong>de</strong>s wir so <strong>die</strong> Morgenwonne feiern, <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> geschäftig Leben, wie ein Opferbrand, vor<br />

unsern Augen entzün<strong>de</strong>t, und wir nun hingehn, um auch unser Tagwerk, um von uns auch einen Teil in <strong>die</strong><br />

steigen<strong>de</strong> Flamme zu werfen, wirst du da nicht sagen, wir sind glücklich (Schmidt, 1994: 147)<br />

Hyperion schlägt Diotima vor, in <strong>die</strong> einsamen Berge zu flüchten und dort ein neues, glückliches<br />

Leben anzufangen. Er sieht voraus, dass sie glücklich sein wer<strong>de</strong>n. Seine rhetorische Frage präsupponiert,<br />

dass sie es sagen wird, weil es tatsächlich so sein wird. Sie wird es zugeben müssen.<br />

Geh, Vollen<strong>de</strong>ter! ich ginge mit dir, wenn es keine Diotima gäbe.<br />

Hab’ ich dich nun? erwi<strong>de</strong>rt’ Alabanda, sprichst du so? (Schmidt, 1994: 154)<br />

Alabanda will sich von Hyperion und Diotima fernhalten. Hyperion sieht es ein und akzeptiert<br />

<strong>die</strong> Entscheidung seines Freun<strong>de</strong>s, obwohl sie ihn sehr schmerzt. Dadurch, dass Hyperion seine<br />

Einwilligung sprachlich zum Ausdruck brachte, hat er sie gültig gemacht. Deswegen kann Alabanda<br />

sagen, er hat Hyperion auf seiner Seite.<br />

Es ist ein hartes Wort und <strong>de</strong>nnoch sag’ ich’s, weil es Wahrheit ist: ich kann kein Volk mir <strong>de</strong>nken, das<br />

zerrissner wäre, wie <strong>die</strong> Deutschen. (Schmidt, 1994: 168)<br />

Scheltre<strong>de</strong> Hyperions gegen <strong>die</strong> Deutschen. Das Substantiv „Wort“ steht hier für 'Worte, Vorstellung'.<br />

Diese Worte sind wahr, sie entsprechen <strong>de</strong>r Wirklichkeit, und wenn Hyperion sie laut<br />

ausspricht, dann wird <strong>die</strong>se Wahrheit, <strong>die</strong>ser tatsächliche Zustand <strong>de</strong>r Deutschen, bekannt. Der<br />

Wahrheitsinhalt <strong>de</strong>r Vorstellung wird dadurch eingestan<strong>de</strong>n, dass sie sprachlich zum Ausdruck<br />

gebracht wird.<br />

Ich sage dir: es ist nichts Heiliges, was nicht entheiligt, nicht zum ärmlichen Behelf herabgewürdigt ist bei<br />

<strong>die</strong>sem Volk (Schmidt, 1994: 169)<br />

Scheltre<strong>de</strong> Hyperions gegen <strong>die</strong> Deutschen. Der Ausdruck hier mit <strong>de</strong>m Verb „sagen“ be<strong>de</strong>utet,<br />

dass Hyperion es zur Sprache bringt, um es einzuräumen und zu behaupten.<br />

Es ist auf Er<strong>de</strong>n alles unvollkommen, ist das alte Lied <strong>de</strong>r Deutschen. Wenn doch einmal <strong>die</strong>sen Gottverlassnen<br />

einer sagte, dass bei ihnen nur so unvollkommen alles ist, weil sie nichts Reines unverdorben,<br />

nichts Heiliges unbetastet lassen mit <strong>de</strong>n plumpen Hän<strong>de</strong>n, dass bei ihnen nichts ge<strong>de</strong>iht, weil sie <strong>die</strong> Wurzel<br />

<strong>de</strong>s Ge<strong>de</strong>ihns, <strong>die</strong> göttliche Natur nicht achten, dass bei ihnen eigentlich das Leben schal und sorgenschwer<br />

und übervoll von kalter stummer Zwietracht ist, weil sie <strong>de</strong>n Genius verschmähn, <strong>de</strong>r Kraft und<br />

A<strong>de</strong>l in ein menschlich Tun, und Heiterkeit ins Lei<strong>de</strong>n und Lieb’ und Brü<strong>de</strong>rschaft <strong>de</strong>n Städten und <strong>de</strong>n<br />

Häusern bringt.<br />

[...]<br />

Genug! du kennst mich, wirst es gut aufnehmen, Bellarmin! Ich sprach in <strong>de</strong>inem Namen auch, ich sprach<br />

für alle, <strong>die</strong> in <strong>die</strong>sem Lan<strong>de</strong> sind und lei<strong>de</strong>n, wie ich dort gelitten. (Schmidt, 1994: 170 f.)<br />

Hyperion schreibt an Bellarmin und hält <strong>die</strong> sogenannte Scheltre<strong>de</strong> an <strong>die</strong> Deutschen, <strong>die</strong> für ihn<br />

stumpfe Unmenschen ohne Sinn für <strong>die</strong> Natur noch für <strong>die</strong> heilige Sprache sind. Er wünscht sich,<br />

dass jemand <strong>die</strong> Dinge beim Namen nennen wür<strong>de</strong>, um <strong>de</strong>n Deutschen <strong>die</strong> unangenehme Wahrheit<br />

vorzuwerfen. Hyperion sagt, er hat auch im Namen Bellarmins gesprochen, weil er glaubt,<br />

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