22.11.2013 Aufrufe

die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València

die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València

die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

sie nur im seligen seelischen Gespräch mit <strong>de</strong>r Natur sein. So eine Sprache ist <strong>die</strong> heilige Sprache,<br />

<strong>die</strong> manchmal auch wortlos vonstattengehen kann, wie es hier offensichtlich <strong>de</strong>r Fall ist.<br />

Ein<strong>de</strong>utig ist hier <strong>die</strong> äußerst positive Konnotation <strong>de</strong>s Wortes „Sprache“ zu spüren, welche in<br />

<strong>de</strong>n gleichen Rang wie das Wort „Seele“ gestellt wird, welches seinerseits auch überaus positiv<br />

bewertet wird. Das impliziert, dass <strong>die</strong> heilige Sprache <strong>die</strong> höchste Stufe <strong>de</strong>r Geistigkeit und<br />

Herrlichkeit darstellt.<br />

Unter <strong>de</strong>n Blumen war ihr Herz zu Hause, als wär’ es eine von ihnen.<br />

Sie nannte sie alle mit Namen, schuf ihnen aus Liebe neue, schönere, und wusste genau <strong>die</strong> fröhlichste Lebenszeit<br />

von je<strong>de</strong>r. (Schmidt, 1994: 65)<br />

So beschreibt Hyperion Diotimas enge Verbindung zur Natur. Sie bringt <strong>die</strong>sen nahen Kontakt<br />

dadurch zum Ausdruck, dass sie <strong>die</strong> Blumen nicht als Dinge behan<strong>de</strong>lt, son<strong>de</strong>rn als Menschen<br />

o<strong>de</strong>r Tiere, <strong>die</strong> normalerweise <strong>die</strong> Einzigen sind, <strong>die</strong> bei Menschen einen Eigennamen bekommen.<br />

Ich geleitete sie einst in später Dämmerung nach Hause; wie Träume, beschlichen tauen<strong>de</strong> Wölkchen <strong>die</strong><br />

Wiese, wie lauschen<strong>de</strong> Genien, sahn <strong>die</strong> seligen Sterne durch <strong>die</strong> Zweige. (Schmidt, 1994: 66 f.)<br />

Hyperion hatte eine so tiefe Beziehung zu Diotima, dass sie bei<strong>de</strong> <strong>die</strong> meiste Zeit auf <strong>die</strong> Wellenlänge<br />

<strong>de</strong>r heiligen Sprache eingestellt waren, <strong>die</strong> sie verband. Das Verb „lauschen“ kann be<strong>de</strong>uten,<br />

dass man einem Geräusch o<strong>de</strong>r einem Gespräch zuhört. Diese „Genien“ sind menschenähnliche<br />

Geister, <strong>die</strong> somit <strong>die</strong> menschliche Sprache verstehen können. Die Summe <strong>die</strong>ser bei<strong>de</strong>n<br />

Feststellungen impliziert, dass <strong>die</strong> Genien, <strong>die</strong> zur Natur gehören, weil sie mit <strong>de</strong>n Sternen verglichen<br />

wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>m Gespräch zwischen Diotima und Hyperion lauschen und es verstehen können,<br />

so dass es einen offenen Kanal <strong>de</strong>r Kommunikation zwischen <strong>de</strong>n Menschen und <strong>de</strong>n Göttern<br />

gibt.<br />

Man hörte selten ein ›wie schön!‹ aus ihrem Mun<strong>de</strong>, wenn schon das fromme Herz kein lispelnd Blatt, kein<br />

Rieseln einer Quelle unbehorcht ließ. (Schmidt, 1994: 67)<br />

Diotima lässt kein Blatt und keine Quelle unbehorcht. Dabei weiß sie <strong>die</strong> Schönheit <strong>de</strong>r Natur zu<br />

schätzen. Sie hört <strong>die</strong> Geräusche <strong>de</strong>r Natur, <strong>die</strong> für sie mehr als nur Geräusche sind. Dies ist <strong>die</strong><br />

heilige Sprache <strong>de</strong>r Natur, durch welche Diotima sich mit <strong>de</strong>r Natur eng verbun<strong>de</strong>n fühlt.<br />

War sie nicht mein, ihr Schwestern <strong>de</strong>s Schicksals, war sie nicht mein? Die reinen Quellen fordr’ ich auf zu<br />

Zeugen, und <strong>die</strong> unschuldigen Bäume, <strong>die</strong> uns belauschten, und das Tagslicht und <strong>de</strong>n Äther! war sie nicht<br />

mein? vereint mit mir in allen Tönen <strong>de</strong>s Lebens? (Schmidt, 1994: 70)<br />

Hyperion will, dass <strong>die</strong> Natur von seiner erwi<strong>de</strong>rten Liebe zu Diotima zeugt. Ein „Zeuge“ muss<br />

ein Mensch sein, und <strong>die</strong>s impliziert, dass <strong>die</strong> „Quellen“ personifiziert sind. Ebenso <strong>die</strong><br />

„Bäume“, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Lieben<strong>de</strong>n belauscht haben, weil das Verb „belauschen“ als Subjekt auch einen<br />

Menschen präsupponiert.<br />

wie ich <strong>die</strong> Pflanzen grüßte und <strong>die</strong> Bäume! (Schmidt, 1994: 74)<br />

Hyperion ist glücklich. Das Verb „grüßen“ präsupponiert, dass sowohl Subjekt als auch Objekt<br />

Menschen sind. Pflanzen und Bäume sind es aber nicht, und <strong>de</strong>swegen wer<strong>de</strong>n sie hier dadurch<br />

personifiziert, damit <strong>die</strong> Kommunikation zwischen Natur und Mensch stattfin<strong>de</strong>n kann.<br />

Und wenn ich dann wie<strong>de</strong>r zu ihr hinabging – ich hätte das Lüftchen fragen mögen und <strong>de</strong>m Zuge <strong>de</strong>r<br />

Wolken es ansehn, wie es mit mir sein wer<strong>de</strong> in einer Stun<strong>de</strong>! (Schmidt, 1994: 75)<br />

165

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!