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die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València

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Mein fröhlicher Schiffer hätte gerne mit mir gesprochen, aber ich war sehr einsilbig.<br />

Er <strong>de</strong>utete mit <strong>de</strong>m Finger und wies mir rechts und links das blaue Eiland, aber ich sah nicht lange hin, und<br />

war im nächsten Augenblicke wie<strong>de</strong>r in meinen eignen lieben Träumen.<br />

Endlich, da er mir <strong>die</strong> stillen Gipfel in <strong>de</strong>r Ferne wies und sagte, dass wir bald in Kalaurea wären, merkt’<br />

ich mehr auf, und mein ganzes Wesen öffnete sich <strong>de</strong>r wun<strong>de</strong>rbaren Gewalt, <strong>die</strong> auf Einmal süß und still<br />

und unerklärlich mit mir spielte. Mit großem Auge, staunend und freudig sah ich hinaus in <strong>die</strong> Geheimnisse<br />

<strong>de</strong>r Ferne, leicht zitterte mein Herz, und <strong>die</strong> Hand entwischte mir und fasste freundlich hastig meinen<br />

Schiffer an – (Schmidt, 1994: 58)<br />

Das Prädikat „einsilbig“ wird durch das Adverb „sehr“ gesteigert. Das impliziert, dass es hier<br />

'wortkarg', 'schweigsam' heißt, und nicht 'aus einer einzigen Silbe bestehend'. Der Schiffer war<br />

fröhlich und wollte sich mit Hyperion unterhalten, aber <strong>die</strong>ser ließ sich nicht darauf ein. Deswegen<br />

war <strong>die</strong> zwischenmenschliche Kommunikation auf ein Min<strong>de</strong>stmaß reduziert, <strong>de</strong>r Schiffer<br />

verständigte sich nämlich nur mit Gestik. An<strong>de</strong>rerseits birgt <strong>die</strong> Natur <strong>de</strong>r Insel Kalaurea „Geheimnisse“.<br />

Ein Geheimnis ist eine bestimmte Information, <strong>die</strong> man verschweigt und nicht preisgibt.<br />

Das kann man tun, in<strong>de</strong>m man, wie hier <strong>die</strong> „Gipfel“, „still“ bleibt und nichts sagt. Hyperion<br />

öffnet sich <strong>de</strong>r Natur auf Kalaurea, d.h. er versucht <strong>de</strong>n Kontakt durch <strong>die</strong> heilige Sprache zu<br />

knüpfen, aber Kalaurea weigert sich und bleibt „still“, obwohl sie mit Hyperion „spielt“, sich<br />

also auf eine an<strong>de</strong>re Sorte Interaktion mit ihm einlässt. Dies präsupponiert, dass Kalaurea personifiziert<br />

ist und somit <strong>die</strong> nötigen menschlichen Züge besitzt, um gegebenenfalls mit Menschen<br />

umgehen zu können.<br />

Froher erhabner Glaube! rief ich.<br />

Sie schwieg eine Weile.<br />

Auch wir sind also Kin<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Hauses, begann ich endlich wie<strong>de</strong>r, sind es und wer<strong>de</strong>n es sein. (Schmidt,<br />

1994: 67)<br />

Hyperion spricht mit Diotima. Da hält sie plötzlich inne, wodurch sie <strong>die</strong> Kommunikation unterbricht.<br />

Deswegen freut sich Hyperion, als er das Gespräch wie<strong>de</strong>raufnimmt. Aus <strong>die</strong>sem Grund<br />

sagt er „endlich“, das präsupponiert, dass er sich nach <strong>de</strong>r Wie<strong>de</strong>raufnahme <strong>de</strong>s Dialogs gesehnt<br />

hatte, was wie<strong>de</strong>rum impliziert, dass <strong>die</strong> Kommunikation ohne <strong>die</strong> Sprache aufgehört hatte.<br />

Diotima war von nun an wun<strong>de</strong>rbar verän<strong>de</strong>rt.<br />

Mit Freu<strong>de</strong> hatt’ ich gesehn, wie seit unserer Liebe das verschwiegne Leben aufgegangen war in Blicken<br />

und lieblichen Worten und ihre genialische Ruhe war mir oft in glänzen<strong>de</strong>r Begeisterung entgegengekommen.<br />

(Schmidt, 1994: 109)<br />

Zuerst war Diotima „verschwiegen“ gewesen, weil <strong>die</strong> erhabene Kommunikation sich noch nicht<br />

angebahnt hatte, und dann wur<strong>de</strong> Diotima seit ihrer Liebe zu Hyperion gesprächig, weil <strong>die</strong><br />

Kommunikation floss. Nach<strong>de</strong>m Hyperion und Diotima abgemacht haben, dass er in <strong>de</strong>n Krieg<br />

zieht, verän<strong>de</strong>rt sich Diotima wie<strong>de</strong>r: Sie wird erneut schweigsam, erneut einsam.<br />

Ach! und Eines hab’ ich lange dir verschwiegen. Feierlich verstieß mein Vater mich (Schmidt, 1994: 132)<br />

Dies schreibt Hyperion an Diotima. Er hat ihr <strong>die</strong> Information vorenthalten, in<strong>de</strong>m er darüber geschwiegen<br />

hat. Ohne Sprache gibt es also keine Kommunikation und keinen Informationaustausch.<br />

So leicht wird’s meinem Hyperion, rief er, seinen Alabanda zu verlassen?<br />

Verlassen? sagt’ ich, wie <strong>de</strong>nn das?<br />

O über euch Träumer! rief er, siehest du <strong>de</strong>nn nicht, dass wir uns trennen müssen?<br />

Wie sollt’ ich’s sehen? erwi<strong>de</strong>rt’ ich; du sagst ja nichts davon; und was mir hie und da erschien an dir, das<br />

wie auf einen Abschied <strong>de</strong>utete, das nahm ich gerne für Laune, für Herzensüberfluss (Schmidt, 1994: 149)<br />

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