die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València
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göttliche Natur, <strong>die</strong> in kein Buch+ geschrieben+ wer<strong>de</strong>n kann, im Herzen <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong> sein wird. Lebe<br />
wohl.<br />
HYPERION AN DIOTIMA<br />
Du hättest mich besänftigen sollen, meine Diotima! hättest sagen+ sollen, ich möchte mich nicht übereilen,<br />
möchte <strong>de</strong>m Schicksal nach und nach <strong>de</strong>n Sieg abnötigen, wie kargen Schuldnern <strong>die</strong> Summe. O Mädchen!<br />
stille+ zu stehn, ist schlimmer, wie alles. Mir trocknet das Blut in <strong>de</strong>n A<strong>de</strong>rn, so dürst’ ich,<br />
weiterzukommen und muss hier müßig stehn, muss belagern und belagern, <strong>de</strong>n einen Tag, wie <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>rn.<br />
Unser Volk will stürmen, aber das wür<strong>de</strong> <strong>die</strong> aufgeregten Gemüter zum Rausch erhitzen und wehe dann<br />
unsern Hoffnungen, wenn das wil<strong>de</strong> Wesen aufgärt und <strong>die</strong> Zucht und <strong>die</strong> Liebe zerreißt.<br />
#*130*#Ich weiß nicht, es kann nur noch einige Tage dauern, so muss Misistra sich ergeben, aber ich<br />
wollte, wir wären weiter. Im Lager hier ist’s mir, wie in gewitterhafter Luft. Ich bin ungeduldig, auch<br />
meine Leute gefallen mir nicht. Es ist ein furchtbarer Mutwill unter ihnen.<br />
Aber ich bin nicht klug, dass ich so viel aus meiner Laune mache. Und das alte Lacedämon ist’s ja doch<br />
wohl wert, dass man ein wenig Sorge lei<strong>de</strong>t, eh man es hat.<br />
HYPERION AN DIOTIMA<br />
Es ist aus, Diotima! unsre Leute haben geplün<strong>de</strong>rt, gemor<strong>de</strong>t, ohne Unterschied, auch unsre Brü<strong>de</strong>r sind<br />
erschlagen, <strong>die</strong> Griechen in Misistra, <strong>die</strong> Unschuldigen, o<strong>de</strong>r irren sie hilflos herum und ihre tote<br />
Jammermiene ruft+ Himmel und Er<strong>de</strong> zur Rache gegen <strong>die</strong> Barbaren, an <strong>de</strong>ren Spitze ich war.<br />
Nun kann ich hingehn und von meiner guten Sache predigen+. O nun fliegen alle Herzen mir zu!<br />
Aber ich hab’s auch klug gemacht. Ich habe meine Leute gekannt. In <strong>de</strong>r Tat! es war ein außeror<strong>de</strong>ntlich<br />
Projekt, durch eine Räuberban<strong>de</strong> mein Elysium zu pflanzen.<br />
Nein! bei <strong>de</strong>r heiligen Nemesis! mir ist recht geschehn und ich will’s auch dul<strong>de</strong>n, dul<strong>de</strong>n will ich, bis <strong>de</strong>r<br />
Schmerz mein letzt Bewusstsein mir zerreißt.<br />
Denkst du, ich tobe? Ich habe eine ehrsame Wun<strong>de</strong>, <strong>die</strong> einer meiner Getreuen mir schlug, in<strong>de</strong>m ich <strong>de</strong>n<br />
Greuel abwehrte. Wenn ich tobte, so riss’ ich <strong>die</strong> Bin<strong>de</strong> von ihr, und so ränne mein Blut, wohin es gehört,<br />
in <strong>die</strong>se trauern<strong>de</strong> Er<strong>de</strong>.<br />
Diese trauern<strong>de</strong> Er<strong>de</strong>! <strong>die</strong> nackte! so ich klei<strong>de</strong>n wollte mit heiligen Hainen, so ich schmücken wollte mit<br />
allen Blumen <strong>de</strong>s griechischen Lebens!<br />
O es wäre schön gewesen, meine Diotima.<br />
Nennst+ du mich mutlos? Liebes Mädchen! es ist <strong>de</strong>s Unheils zu viel. An allen En<strong>de</strong>n brechen wüten<strong>de</strong><br />
Haufen #*131*#herein; wie eine Seuche, tobt <strong>die</strong> Raubgier in Morea und wer nicht auch das Schwert<br />
ergreift, wird verjagt, geschlachtet und dabei sagen+ <strong>die</strong> Rasen<strong>de</strong>n, sie fechten für unsre Freiheit. Andre <strong>de</strong>s<br />
rohen Volks sind von <strong>de</strong>m Sultan bestellt und treiben’s, wie jene.<br />
Eben hör’+ ich, unser ehrlos Heer sei nun zerstreut. Die Feigen begegneten bei Tripolissa einem<br />
albanischen Haufen, <strong>de</strong>r um <strong>die</strong> Hälfte geringer an Zahl war. Weil’s aber nichts zu plün<strong>de</strong>rn gab, so liefen<br />
<strong>die</strong> Elen<strong>de</strong>n alle davon. Die Russen, <strong>die</strong> mit uns <strong>de</strong>n Feldzug wagten, vierzig brave Männer, hielten allein<br />
aus, fan<strong>de</strong>n auch alle <strong>de</strong>n Tod.<br />
Und so bin ich nun mit meinem Alabanda wie<strong>de</strong>r einsam, wie zuvor. Seit<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Treue mich fallen und<br />
bluten sah in Misistra, hat er alles andre vergessen, seine Hoffnungen, seine Siegslust, seine Verzweiflung.<br />
Der Ergrimmte, <strong>de</strong>r unter <strong>die</strong> Plün<strong>de</strong>rer stürzte, wie ein strafen<strong>de</strong>r Gott, <strong>de</strong>r führte nun so sanft mich aus<br />
<strong>de</strong>m Getümmel, und seine Tränen netzten mein Kleid. Er blieb auch bei mir in <strong>de</strong>r Hütte, wo ich seit<strong>de</strong>m<br />
lag und ich freue mich nun erst recht darüber. Denn wär’ er mit fortgezogen, so läg’ er jetzt bei Tripolissa<br />
im Staub.<br />
Wie es weiter wer<strong>de</strong>n soll, das weiß ich nicht. Das Schicksal stößt mich ins Ungewisse hinaus und ich hab’<br />
es ver<strong>die</strong>nt; von dir verbannt mich meine eigene Scham und wer weiß, wie lange?<br />
Ach! ich habe dir ein Griechenland versprochen+ und du bekommst ein Klaglied+ nun dafür. Sei selbst<br />
<strong>de</strong>in Trost!<br />
HYPERION AN DIOTIMA<br />
Ich bringe mich mit Mühe zu Worten+.<br />
Man spricht+ wohl gerne, man plau<strong>de</strong>rt+, wie <strong>die</strong> Vögel, solange <strong>die</strong> Welt, wie Mailuft, einen anweht; aber<br />
zwischen Mittag und Abend kann es an<strong>de</strong>rs wer<strong>de</strong>n, und was ist verloren am En<strong>de</strong>?<br />
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