die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València
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B.II.c.1.3. Sprache kann Ordnung und Harmonie auf <strong>de</strong>r<br />
Welt schaffen<br />
Eines zu sein mit Allem, was lebt! Mit <strong>die</strong>sem Worte legt <strong>die</strong> Tugend <strong>de</strong>n zürnen<strong>de</strong>n Harnisch, <strong>de</strong>r Geist<br />
<strong>de</strong>s Menschen <strong>de</strong>n Zepter weg, und alle Gedanken schwin<strong>de</strong>n vor <strong>de</strong>m Bil<strong>de</strong> <strong>de</strong>r ewig einigen Welt, wie <strong>die</strong><br />
Regeln <strong>de</strong>s ringen<strong>de</strong>n Künstlers vor seiner Urania, und das eherne Schicksal entsagt <strong>de</strong>r Herrschaft, und aus<br />
<strong>de</strong>m Bun<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Wesen schwin<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Tod, und Unzertrennlichkeit und ewige Jugend beseliget, verschönert<br />
<strong>die</strong> Welt. (Schmidt, 1994: 16)<br />
Das Substantiv „Wort“ steht hier metonymisch für 'Satz'. Ausdrücklich erklärt hier Hyperion,<br />
welche Ordnungsmacht das Wort, d.h. <strong>die</strong> Sprache hat.<br />
aber sichtbarer, gegenwärtiger, unverkennbarer lebt er in mir, ganz, wie er einst dastand, ein feurig strenger<br />
furchtbarer Kläger, wenn er <strong>die</strong> Sün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Jahrhun<strong>de</strong>rts nannte. Wie erwachte da in seinen Tiefen mein<br />
Geist, wie rollten mir <strong>die</strong> Donnerworte <strong>de</strong>r unerbittlichen Gerechtigkeit über <strong>die</strong> Zunge! Wie Boten <strong>de</strong>r<br />
Nemesis, durchwan<strong>de</strong>rten unsre Gedanken <strong>die</strong> Er<strong>de</strong>, und reinigten sie, bis keine Spur von allem Fluche da<br />
war. (Schmidt, 1994: 35)<br />
Alabanda und Hyperion sprachen über <strong>die</strong> Sün<strong>de</strong>n ihrer Zeit und verbesserten sie, zumin<strong>de</strong>st in<br />
ihren Köpfen mittels <strong>de</strong>r Sprache.<br />
bald! in einer Woche vielleicht ist er befreit, <strong>de</strong>r alte, edle, heilige Peloponnes.<br />
O dann, du Teure! lehre mich fromm sein! dann lehre mein überwallend Herz ein Gebet! Ich sollte schweigen,<br />
<strong>de</strong>nn was hab’ ich getan? (Schmidt, 1994: 127)<br />
Hyperion schreibt an Diotima, dass <strong>de</strong>r Befreiungskrieg bald zu En<strong>de</strong> geht. Schon jetzt fühlt er<br />
aber, dass er zu viel Gewalttätigkeit benutzt hat, und <strong>de</strong>swegen will er nunmehr beten lernen,<br />
d.h. <strong>de</strong>n Kontakt zur erhabenen Gottheit wie<strong>de</strong>rherstellen und sich auf <strong>die</strong>se Weise selbst bereinigen<br />
und beruhigen, seine Taten büßen und wie<strong>de</strong>rgutmachen.<br />
B.II.c.2. Sprache und Kommunikation<br />
B.II.c.2.1. Sprache als Verkündungsmittel göttlicher<br />
Wahrheit<br />
Aber stille, mein Herz! Es ist ja <strong>de</strong>ine letzte Kraft, <strong>die</strong> du verschwen<strong>de</strong>st! <strong>de</strong>ine letzte Kraft? und du, du<br />
willst <strong>de</strong>n Himmel stürmen? wo sind <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>ine hun<strong>de</strong>rt Arme, Titan, wo <strong>de</strong>in Pelion und Ossa, <strong>de</strong>ine<br />
Treppe zu <strong>de</strong>s Göttervaters Burg hinauf, damit du hinaufsteigst und <strong>de</strong>n Gott und seinen Göttertisch und all<br />
<strong>die</strong> unsterblichen Gipfel <strong>de</strong>s Olymps herabwirfst und <strong>de</strong>n Sterblichen predigest: bleibt unten, Kin<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s<br />
Augenblicks! strebt nicht in <strong>die</strong>se Höhen herauf, <strong>de</strong>nn es ist nichts hier oben. (Schmidt, 1994: 55)<br />
Dies sagt Hyperion im Kontext seiner großen Enttäuschung über seine groben Mitmenschen. Er<br />
spricht zu sich selbst und empfiehlt sich, nicht als Prediger in <strong>de</strong>r Wüste seine Energie zu verschwen<strong>de</strong>n,<br />
in<strong>de</strong>m er zu Menschen von <strong>de</strong>r Gottheit spricht, <strong>die</strong> es nicht hören wollen. Statt<strong>de</strong>ssen<br />
hält er es für besser, stillzuschweigen und sich zu schonen.<br />
Leuchtet aber das göttliche εν διαφερον εαυτω , das I<strong>de</strong>al <strong>de</strong>r Schönheit <strong>de</strong>r streben<strong>de</strong>n Vernunft, so for<strong>de</strong>rt<br />
sie nicht blind, und weiß, warum, wozu sie for<strong>de</strong>rt.<br />
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