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die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València

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Wie ein Meer, lag das Land, wovon ich heraufkam, vor mir da, jugendlich, voll lebendiger Freu<strong>de</strong>; es war<br />

ein himmlisch unendlich Farbenspiel, womit <strong>de</strong>r Frühling mein Herz begrüßte+, und wie <strong>die</strong> Sonne <strong>de</strong>s<br />

Himmels sich wie<strong>de</strong>rfand im tausendfachen Wechsel <strong>de</strong>s Lichts, das ihr <strong>die</strong> Er<strong>de</strong> zurückgab, so erkannte<br />

mein Geist sich in <strong>de</strong>r Fülle <strong>de</strong>s Lebens, <strong>die</strong> ihn umfing, von allen Seiten ihn überfiel.<br />

Zur Linken stürzt’ und jauchzte, wie ein Riese, <strong>de</strong>r Strom in <strong>die</strong> Wäl<strong>de</strong>r hinab, vom Marmorfelsen, <strong>de</strong>r über<br />

mir hing, wo <strong>de</strong>r Adler spielte mit seinen Jungen, wo <strong>die</strong> Schneegipfel hinauf in <strong>de</strong>n blauen Äther glänzten;<br />

rechts #*29*#wälzten Wetterwolken sich her über <strong>de</strong>n Wäl<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>s Sipylus; ich fühlte nicht <strong>de</strong>n Sturm, <strong>de</strong>r<br />

sie trug, ich fühlte nur ein Lüftchen in <strong>de</strong>n Locken, aber ihren Donner hört’+ ich, wie man <strong>die</strong> Stimme+ <strong>de</strong>r<br />

Zukunft hört+, und ihre Flammen sah ich, wie das ferne Licht <strong>de</strong>r geahneten Gottheit. Ich wandte mich<br />

südwärts und ging weiter. Da lag es offen vor mir, das ganze para<strong>die</strong>sische Land, das <strong>de</strong>r Cayster<br />

durchströmt, durch so manchen reizen<strong>de</strong>n Umweg, als könnt’ er nicht lange genug verweilen in all <strong>de</strong>m<br />

Reichtum und <strong>de</strong>r Lieblichkeit, <strong>die</strong> ihn umgibt. Wie <strong>die</strong> Zephyre, irrte mein Geist von Schönheit zu<br />

Schönheit selig umher, vom frem<strong>de</strong>n friedlichen Dörfchen, das tief unten am Berge lag, bis hinein, wo <strong>die</strong><br />

Gebirgkette <strong>de</strong>s Messogis dämmert.<br />

Ich kam nach Smyrna zurück, wie ein Trunkener vom Gastmahl. Mein Herz war <strong>de</strong>s Wohlgefälligen zu<br />

voll, um nicht von seinem Überflusse <strong>de</strong>r Sterblichkeit zu leihen. Ich hatte zu glücklich in mich <strong>die</strong><br />

Schönheit <strong>de</strong>r Natur erbeutet, um nicht <strong>die</strong> Lücken <strong>de</strong>s Menschenlebens damit auszufüllen. Mein dürftig<br />

Smyrna klei<strong>de</strong>te sich in <strong>die</strong> Farben meiner Begeisterung, und stand, wie eine Braut, da. Die geselligen<br />

Städter zogen mich an. Der Wi<strong>de</strong>rsinn in ihren Sitten vergnügte mich, wie eine Kin<strong>de</strong>rposse, und weil ich<br />

von Natur hinaus war über all <strong>die</strong> eingeführten Formen und Bräuche, spielt’ ich mit allen, und legte sie an<br />

und zog sie aus, wie Fastnachtsklei<strong>de</strong>r.<br />

Was aber eigentlich mir <strong>die</strong> schale Kost <strong>de</strong>s gewöhnlichen Umgangs würzte, das waren <strong>die</strong> guten Gesichter<br />

und Gestalten, <strong>die</strong> noch hie und da <strong>die</strong> mitleidige Natur, wie Sterne, in unsere Verfinsterung sen<strong>de</strong>t.<br />

Wie hatt’ ich meine herzliche Freu<strong>de</strong> daran! wie gläubig <strong>de</strong>utet’+ ich <strong>die</strong>se freundlichen Hieroglyphen+!<br />

Aber es ging mir fast damit, wie ehemals mit <strong>de</strong>n Birken im Frühlinge. Ich hatte von <strong>de</strong>m Safte <strong>die</strong>ser<br />

Bäume gehört+, und dachte wun<strong>de</strong>r, was ein köstlich Getränk <strong>die</strong> lieblichen Stämme geben müssten. Aber<br />

es war nicht Kraft und Geist genug darinnen.<br />

Ach! und wie heillos war das Übrige alles, was ich hört’+ und sah.<br />

#*30*#Es war mir wirklich hie und da, als hätte sich <strong>die</strong> Menschennatur in <strong>die</strong> Mannigfaltigkeiten <strong>de</strong>s<br />

Tierreichs aufgelöst, wenn ich umher ging unter <strong>die</strong>sen Gebil<strong>de</strong>ten. Wie überall, so waren auch hier <strong>die</strong><br />

Männer beson<strong>de</strong>rs verwahrlost und verwest.<br />

Gewisse Tiere heulen, wenn sie Musik+ anhören+. Meine besser gezognen Leute hingegen lachten, wenn<br />

von Geistesschönheit <strong>die</strong> Re<strong>de</strong>+ war und von Jugend <strong>de</strong>s Herzens. Die Wölfe gehen davon, wenn einer<br />

Feuer schlägt. Sahn jene Menschen einen Funken Vernunft, so kehrten sie, wie Diebe, <strong>de</strong>n Rücken.<br />

Sprach+ ich einmal auch vom alten Griechenland ein warmes Wort+, so gähnten sie, und meinten, man<br />

hätte doch auch zu leben in <strong>de</strong>r jetzigen Zeit; und es wäre <strong>de</strong>r gute Geschmack noch immer nicht verloren<br />

gegangen, fiel ein an<strong>de</strong>rer be<strong>de</strong>utend+ ein.<br />

Dies zeigte sich dann auch. Der eine witzelte, wie ein Bootsknecht, <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re blies <strong>die</strong> Backen auf und<br />

predigte+ Sentenzen.<br />

Es gebär<strong>de</strong>t’ auch wohl einer sich aufgeklärt, machte <strong>de</strong>m Himmel ein Schnippchen und rief+: um <strong>die</strong><br />

Vögel auf <strong>de</strong>m Dache hab’ er nie sich bekümmert, <strong>die</strong> Vögel in <strong>de</strong>r Hand, <strong>die</strong> seien ihm lieber! Doch wenn<br />

man ihm vom To<strong>de</strong> sprach+, so legt’ er stracks <strong>die</strong> Hän<strong>de</strong> zusammen, und kam so nach und nach im<br />

Gespräche+ darauf, wie es gefährlich sei, dass unsere Priester+ nichts mehr gelten.<br />

Die Einzigen, <strong>de</strong>ren zuweilen ich mich be<strong>die</strong>nte, waren <strong>die</strong> Erzähler+, <strong>die</strong> lebendigen Namenregister+ von<br />

frem<strong>de</strong>n Städten und Län<strong>de</strong>rn, <strong>die</strong> re<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n+ Bil<strong>de</strong>rkasten, wo man Potentaten auf Rossen und Kirchtürme<br />

und Märkte sehn kann.<br />

Ich war es endlich mü<strong>de</strong>, mich wegzuwerfen, Trauben zu suchen in <strong>de</strong>r Wüste und Blumen über <strong>de</strong>m<br />

Eisfeld.<br />

Ich lebte nun entschiedner allein, und <strong>de</strong>r sanfte Geist meiner Jugend war fast ganz aus meiner Seele<br />

verschwun<strong>de</strong>n. Die Unheilbarkeit <strong>de</strong>s Jahrhun<strong>de</strong>rts war mir aus so manchem, was ich erzähle und nicht<br />

erzähle+, sichtbar #*31*#gewor<strong>de</strong>n, und <strong>de</strong>r schöne Trost, in Einer Seele meine Welt zu fin<strong>de</strong>n, mein<br />

Geschlecht in einem freundlichen Bil<strong>de</strong> zu umarmen, auch <strong>de</strong>r gebrach mir.<br />

Lieber! was wäre das Leben ohne Hoffnung? Ein Funke, <strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>r Kohle springt und verlischt, und wie<br />

man bei trüber Jahrszeit einen Windstoß hört+, <strong>de</strong>r einen Augenblick saust und dann verhallt, so wär’ es<br />

mit uns?<br />

Auch <strong>die</strong> Schwalbe sucht ein freundlicher Land im Winter, es läuft das Wild umher in <strong>de</strong>r Hitze <strong>de</strong>s Tags<br />

und seine Augen suchen <strong>de</strong>n Quell. Wer sagt+ <strong>de</strong>m Kin<strong>de</strong>, dass <strong>die</strong> Mutter ihre Brust ihm nicht versage?<br />

Und siehe! es sucht sie doch.<br />

Es lebte nichts, wenn es nicht hoffte. Mein Herz verschloss jetzt seine Schätze, aber nur, um sie für eine<br />

bessere Zeit zu sparen, für das Einzige, Heilige, Treue, das gewiss, in irgen<strong>de</strong>iner Perio<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Daseins,<br />

meiner dürsten<strong>de</strong>n Seele begegnen sollte.<br />

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