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die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València

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eben ist’s,<br />

dass ich gelauscht, wie, goldner Töne<br />

voll, <strong>de</strong>r entzücken<strong>de</strong> Sonnenjüngling<br />

sein Abendlied auf himmlischer Leier spielt’;<br />

es tönten rings <strong>die</strong> Wäl<strong>de</strong>r und Hügel nach. (Schmidt, 1992: 203)<br />

Der Dichter hat soeben <strong>de</strong>n Sonnenuntergang genossen, hat <strong>de</strong>m Abendlied <strong>de</strong>r Sonne gelauscht,<br />

wobei ihre Strahlen Töne sind und <strong>de</strong>r Himmel eine Leier. Auf <strong>de</strong>r Ebene <strong>de</strong>r musikalischen<br />

Sprache hat <strong>de</strong>r Dichter mit <strong>de</strong>r Sonne kommuniziert. Dieselbe musikalische Sprache haben <strong>die</strong><br />

Wäl<strong>de</strong>r und Hügel benutzt, um ebenfalls mit <strong>de</strong>r Sonne zu kommunizieren. Diese heilige Sprache,<br />

durch <strong>die</strong> <strong>de</strong>r Dichter in Kontakt mit <strong>de</strong>r Natur steht, wird mittels Metaphern stetig mit <strong>de</strong>r<br />

Musik gleichgesetzt.<br />

B.II.b.3.2. Sprache als Daseins­ bzw. Manifestationsform <strong>de</strong>s<br />

Göttlichen<br />

<strong>die</strong> <strong>de</strong>m Lebenslie<strong>de</strong> seine Weise<br />

[...]<br />

bestimmt? (Schmidt, 1992: 169)<br />

Die Unerkannte bestimmt <strong>die</strong> Weise <strong>de</strong>s Lebenslie<strong>de</strong>s, d.h. <strong>die</strong> unnennbare All­Gottheit bestimmt<br />

<strong>de</strong>n Verlauf <strong>de</strong>s menschlichen Lebens. Mit <strong>de</strong>m einfachen Kompositum „Lebenslied“<br />

wird das Leben mit <strong>de</strong>m Lied gleichgesetzt, <strong>de</strong>nn es han<strong>de</strong>lt sich hier nicht um das Lied <strong>de</strong>s Lebens,<br />

son<strong>de</strong>rn um das Leben, welches <strong>die</strong> Form bzw. Funktion eines Lie<strong>de</strong>s hat. Wenn <strong>die</strong> Musik<br />

eine im semiotischen Sinn verstan<strong>de</strong>ne Sprache ist, dann ist das Leben als Lied eine Botschaft,<br />

ein Zeichen in <strong>de</strong>r Sprache <strong>de</strong>r All­Natur zu <strong>de</strong>n Menschen.<br />

Schöner, als ich ahn<strong>de</strong>nd sah<br />

in <strong>de</strong>r Liebe Feierstun<strong>de</strong>n,<br />

hohe Gute! bist du da;<br />

o <strong>de</strong>r armen Phantasien!<br />

Dieses Eine bil<strong>de</strong>st nur<br />

du in <strong>de</strong>inen Harmonien<br />

frohvollen<strong>de</strong>te Natur! (Schmidt, 1992: 174)<br />

Ältere Fassung <strong>de</strong>s Gedichts. Vgl. hier unten <strong>die</strong> Bemerkung zur mittleren Fassung.<br />

Schöner, als ich ahn<strong>de</strong>nd sah<br />

in <strong>de</strong>r Liebe Feierstun<strong>de</strong>n,<br />

Hohe! Gute! bist du da;<br />

o <strong>de</strong>r armen Phantasien!<br />

Dieses Eine bil<strong>de</strong>st nur<br />

du, in ew’gen Harmonien<br />

frohvollen<strong>de</strong>te Natur! (Schmidt, 1992: 176)<br />

Mittlere Fassung <strong>de</strong>s Gedichts. Der Dichter spricht hier Diotima an, <strong>die</strong> er für himmlisch und<br />

göttlich hält, wie <strong>de</strong>r vorige Kontext zeigt. Er nennt sie „Hohe”, „Gute“ und „frohvollen<strong>de</strong>te Natur“,<br />

er setzt sie also auch mit <strong>de</strong>r Natur gleich, <strong>die</strong> das Eine – großgeschrieben – bil<strong>de</strong>t. Das be<strong>de</strong>utet,<br />

für ihn sind Diotima und <strong>die</strong> All­Natur dasselbe. Und <strong>die</strong>se Göttin Diotima besteht laut<br />

Dichter aus „Harmonien“. Da wir wissen, dass <strong>die</strong> Musik für Höl<strong>de</strong>rlin eine heilige Sprache ist,<br />

ist es angebracht, aus <strong>die</strong>ser Textstelle <strong>die</strong> Vorstellung zu entnehmen, dass das Göttliche aus<br />

Musik und daher auch aus – im weitesten Sinne verstan<strong>de</strong>ner – Sprache besteht.<br />

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