die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València
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Baum verdorrt ist und verwittert, ein frischer Gipfel ist noch hervorgegangen aus ihm, und grünt im<br />
Sonnenglanze, wie einst <strong>de</strong>r Stamm in <strong>de</strong>n Tagen <strong>de</strong>r Jugend; I<strong>de</strong>al ist, was Natur war. Daran, an <strong>die</strong>sem<br />
I<strong>de</strong>ale, <strong>die</strong>ser verjüngten Gottheit, erkennen <strong>die</strong> Wenigen sich und Eins sind sie, <strong>de</strong>nn es ist Eines in ihnen,<br />
und von <strong>die</strong>sen, <strong>die</strong>sen beginnt das zweite Lebensalter <strong>de</strong>r Welt – ich habe genug gesagt+, um klar zu<br />
machen, was ich <strong>de</strong>nke.<br />
Da hättest du Diotima sehen sollen, wie sie aufsprang und <strong>die</strong> bei<strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong> mir reichte und rief+: ich hab’<br />
es verstan<strong>de</strong>n+, Lieber, ganz verstan<strong>de</strong>n+, so viel es sagt+.<br />
Die Liebe gebar <strong>die</strong> Welt, <strong>die</strong> Freundschaft wird sie wie<strong>de</strong>r gebären.<br />
O dann, ihr künftigen, ihr neuen Dioskuren, dann weilt #*74*#ein wenig, wenn ihr vorüberkommt, da, wo<br />
Hyperion schläft, weilt ahnend über <strong>de</strong>s vergessnen Mannes Asche, und sprecht+: er wäre, wie unser einer,<br />
wär’ er jetzt da.<br />
Das hab’ ich gehört+, mein Bellarmin! das hab’ ich erfahren, und gehe nicht willig in <strong>de</strong>n Tod?<br />
Ja! ja! ich bin vorausbezahlt, ich habe gelebt. Mehr Freu<strong>de</strong> konnt’ ein Gott ertragen, aber ich nicht.<br />
HYPERION AN BELLARMIN<br />
Fragst+ du, wie mir gewesen sei um <strong>die</strong>se Zeit? Wie einem, <strong>de</strong>r alles verloren hat, um alles zu gewinnen.<br />
Oft kam ich freilich von Diotimas Bäumen, wie ein Siegestrunkner, oft musst’ ich eilends weg von ihr, um<br />
keinen meiner Gedanken zu verraten; so tobte <strong>die</strong> Freu<strong>de</strong> in mir, und <strong>de</strong>r Stolz, <strong>de</strong>r allbegeistern<strong>de</strong> Glaube,<br />
von Diotima geliebt zu sein.<br />
Dann sucht’ ich <strong>die</strong> höchsten Berge mir auf und ihre Lüfte, und wie ein Adler, <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r bluten<strong>de</strong> Fittich<br />
geheilt ist, regte mein Geist sich im Freien, und <strong>de</strong>hnt’, als wäre sie sein, über <strong>die</strong> sichtbare Welt sich aus;<br />
wun<strong>de</strong>rbar! es war mir oft, als läuterten sich und schmelzten <strong>die</strong> Dinge <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong>, wie Gold, in meinem<br />
Feuer zusammen, und ein Göttliches wür<strong>de</strong> aus ihnen und mir, so tobte in mir <strong>die</strong> Freu<strong>de</strong>; und wie ich <strong>die</strong><br />
Kin<strong>de</strong>r aufhub und an mein schlagen<strong>de</strong>s Herz sie drückte, wie ich <strong>die</strong> Pflanzen grüßte+ und <strong>die</strong> Bäume!<br />
Einen Zauber hätt’ ich mir wünschen mögen, <strong>die</strong> scheuen Hirsche und all <strong>die</strong> wil<strong>de</strong>n Vögel <strong>de</strong>s Walds, wie<br />
ein häuslich Völkchen, um meine freigebigen Hän<strong>de</strong> zu versammeln, so selig töricht liebt’ ich alles!<br />
Aber nicht lange, so war das alles, wie ein Licht, in mir erloschen, und stumm+ und traurig, wie ein<br />
Schatte, saß ich da und suchte das entschwundne Leben. Klagen+ mocht’ ich nicht und trösten mocht’ ich<br />
mich auch nicht. Die Hoffnung warf ich weg, wie ein Lahmer, <strong>de</strong>m <strong>die</strong> Krücke verlei<strong>de</strong>t ist; <strong>de</strong>s Weinens<br />
schämt’ ich mich; ich schämte #*75*#mich <strong>de</strong>s Daseins überhaupt. Aber endlich brach <strong>de</strong>nn doch <strong>de</strong>r Stolz<br />
in Tränen aus, und das Lei<strong>de</strong>n, das ich gerne verleugnet hätte, wur<strong>de</strong> mir lieb, und ich legt’ es, wie ein<br />
Kind, mir an <strong>die</strong> Brust.<br />
Nein, rief+ mein Herz, nein, meine Diotima! es schmerzt nicht. Bewahre du dir <strong>de</strong>inen Frie<strong>de</strong>n und lass<br />
mich meinen Gang gehn. Lass dich in <strong>de</strong>iner Ruhe+ nicht stören, hol<strong>de</strong>r Stern! wenn unter dir es gärt und<br />
trüb ist.<br />
O lass dir <strong>de</strong>ine Rose nicht bleichen, selige Götterjugend! Lass in <strong>de</strong>n Kümmernissen <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> <strong>de</strong>ine<br />
Schöne nicht altern. Das ist ja meine Freu<strong>de</strong>, süßes Leben! dass du in dir <strong>de</strong>n sorgenfreien Himmel trägst.<br />
Du sollst nicht dürftig wer<strong>de</strong>n, nein, nein! du sollst in dir <strong>die</strong> Armut <strong>de</strong>r Liebe nicht sehn.<br />
Und wenn ich dann wie<strong>de</strong>r zu ihr hinabging – ich hätte das Lüftchen fragen+ mögen und <strong>de</strong>m Zuge <strong>de</strong>r<br />
Wolken es ansehn, wie es mit mir sein wer<strong>de</strong> in einer Stun<strong>de</strong>! und wie es mich freute, wenn irgend ein<br />
freundlich Gesicht mir auf <strong>de</strong>m Wege begegnete, und nur nicht gar zu trocken sein ›schönen Tag!‹ mir<br />
zurief+!<br />
Wenn ein kleines Mädchen aus <strong>de</strong>m Wal<strong>de</strong> kam und einen Erdbeerstrauß mir zum Verkaufe reichte, mit<br />
einer Miene, als wollte sie ihn schenken, o<strong>de</strong>r wenn ein Bauer, wo ich vorüberging, auf seinem Kirschbaum<br />
saß und pflückte, und aus <strong>de</strong>n Zweigen herab mir rief+, ob ich nicht eine Handvoll kosten möchte; das<br />
waren gute Zeichen+ für das abergläubische Herz!<br />
Stand vollends gegen <strong>de</strong>n Weg her, wo ich herabkam, von Diotimas Fenstern eines offen, wie konnte das so<br />
wohltun!<br />
Sie hatte vielleicht nicht lange zuvor herausgesehn.<br />
Und nun stand ich vor ihr, atemlos und wankend, und drückte <strong>die</strong> verschlungnen Arme gegen mein Herz,<br />
sein Zittern nicht zu fühlen, und, wie <strong>de</strong>r Schwimmer aus reißen<strong>de</strong>n Wassern hervor, rang und strebte mein<br />
Geist, nicht unterzugehn in <strong>de</strong>r unendlichen Liebe.<br />
Wovon sprechen+ wir doch geschwind? konnt’ ich rufen+, #*76*#man hat oft seine Mühe, man kann <strong>de</strong>n<br />
Stoff nicht fin<strong>de</strong>n, <strong>die</strong> Gedanken daran festzuhalten.<br />
Reißen sie wie<strong>de</strong>r aus in <strong>die</strong> Luft? erwi<strong>de</strong>rte meine Diotima. Du musst ihnen Blei an <strong>die</strong> Flügel bin<strong>de</strong>n,<br />
o<strong>de</strong>r ich will sie an einen Fa<strong>de</strong>n knüpfen, wie <strong>de</strong>r Knabe <strong>de</strong>n fliegen<strong>de</strong>n Drachen, dass sie uns nicht<br />
entgehn.<br />
Das liebe Mädchen suchte sich und mir durch einen Scherz zu helfen, aber es war wenig damit getan.<br />
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