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die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València

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Die Verben „schreiben, rufen“ leiten <strong>die</strong> direkte Re<strong>de</strong> ein, auch wenn sie geschrieben steht.<br />

O ihr Gewaltsamen! rief sie endlich, <strong>die</strong> ihr so schnell zum Äußersten seid, <strong>de</strong>nkt an <strong>die</strong> Nemesis!<br />

Wer Äußerstes lei<strong>de</strong>t, sagt’ ich, <strong>de</strong>m ist das Äußerste recht.<br />

Wenn’s auch recht ist, sagte sie, du bist dazu nicht geboren.<br />

So scheint es, sagt’ ich; ich hab’ auch lange genug gesäumt. O ich möchte einen Atlas auf mich la<strong>de</strong>n, um<br />

<strong>die</strong> Schul<strong>de</strong>n meiner Jugend abzutragen. Hab’ ich ein Bewusstsein? hab’ ich ein Bleiben in mir? O lass<br />

mich, Diotima! Hier, gerad’ in solcher Arbeit muss ich es erbeuten.<br />

Das ist eitel Übermut! rief Diotima; neulich warst du bescheidner, neulich, da du sagtest, ich muss noch<br />

ausgehn, zu lernen.<br />

Liebe Sophistin! rief ich<br />

[...]<br />

Du wirst erobern, rief Diotima, und vergessen, wofür? wirst, wenn es hoch kommt, einen Freistaat dir erzwingen<br />

und dann sagen, wofür hab’ ich gebaut? [...] Der wil<strong>de</strong> Kampf wird dich zerreißen, schöne Seele,<br />

du wirst altern, seliger Geist! und lebensmüd’ am En<strong>de</strong> fragen, wo seid ihr nun, ihr I<strong>de</strong>ale <strong>de</strong>r Jugend?<br />

(Schmidt, 1994: 108)<br />

Das sagt Diotima, weil sie Hyperion davon abraten will, in <strong>de</strong>n Krieg zu ziehen. Sie meint, er<br />

wird sich selbst eines Tages fragen, wie seine I<strong>de</strong>ale verloren gegangen sind. Dieses „Fragen“<br />

hat eigentlich mit <strong>de</strong>r Sprachauffassung nichts zu tun, <strong>de</strong>nn keine wahre Kommunikation ereignet<br />

sich, wenn Hyperion sich selbst etwas fragt. Die Verben leiten „sagen, rufen“ hier <strong>die</strong> direkte<br />

Re<strong>de</strong> ein. Das Verb „sagen“ ist hier ein Synonym für '<strong>de</strong>nken, meinen' und hat somit nichts mit<br />

<strong>de</strong>r Sprachauffassung zu tun.<br />

Das ist grausam, Diotima, rief ich<br />

[...]<br />

Lieber! Lieber! rief Diotima, sei doch still! ich sage dir kein Wort mehr. Du sollst gehn, sollst gehen, stolzer<br />

Mensch! Ach! wenn du so bist, hab’ ich keine Macht, kein Recht auf dich.<br />

Sie weinte bitter und ich stand, wie ein Verbrecher, vor ihr. Vergib mir, göttliches Mädchen! rief ich, vor<br />

ihr nie<strong>de</strong>rgesunken, o vergib mir, wo ich muss! Ich wähle nicht, ich sinne nicht. Eine Macht ist in mir und<br />

ich weiß nicht, ob ich es selbst bin, was zu <strong>de</strong>m Schritte mich treibt. Deine volle Seele gebietet dir’s, antwortete<br />

sie.<br />

[...]<br />

Diotima war von nun an wun<strong>de</strong>rbar verän<strong>de</strong>rt.<br />

Mit Freu<strong>de</strong> hatt’ ich gesehn, wie seit unserer Liebe das verschwiegne Leben aufgegangen war in Blicken<br />

und lieblichen Worten und ihre genialische Ruhe war mir oft in glänzen<strong>de</strong>r Begeisterung entgegengekommen.<br />

Aber wie so fremd wird uns <strong>die</strong> schöne Seele, wenn sie nach <strong>de</strong>m ersten Aufblühn, nach <strong>de</strong>m Morgen ihres<br />

Laufs hinauf zur Mittagshöhe muss! Man kannte fast das selige Kind nicht mehr, so erhaben und so lei<strong>de</strong>nd<br />

war sie gewor<strong>de</strong>n. (Schmidt, 1994: 109 f.)<br />

Hier sprechen Hyperion und Diotima über seinen Plan, in <strong>de</strong>n Befreiungskrieg zu ziehen. Die<br />

Verben „rufen, antworten“ leiten hier <strong>die</strong> direkte Re<strong>de</strong> ein. Das Substantiv „Ruhe“ ist hier synonym<br />

für 'Seelenfrie<strong>de</strong>n, Glück'. Sie versucht, ihn zu überre<strong>de</strong>n, damit er nicht in <strong>de</strong>n Krieg<br />

zieht. Da empört er sich gewaltig und fängt an, feurig dagegen zu argumentieren. Als sie merkt,<br />

dass sie ihn nicht überzeugen kann, bittet sie ihn, dass er still sei. „Still sein“ be<strong>de</strong>utet in <strong>die</strong>sem<br />

Kontext 'sich beruhigen, sich keine Sorgen mehr machen', und nicht '<strong>de</strong>n Mund halten', <strong>de</strong>nn unmittelbar<br />

danach spricht er weiter, aber nicht mehr zornig.<br />

Gehe hinein, mein Lieber, sagte sie<br />

[...]<br />

kommst du, rief sie, kommst du, mein Sohn!<br />

[...]<br />

Glücklich, rief einer von <strong>de</strong>n Freun<strong>de</strong>n, wem sein Leben wechselt zwischen Herzensfreu<strong>de</strong> und frischem<br />

Kampf.<br />

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