die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València
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Wie so, mein Alabanda? sagt’+ ich.<br />
Lass mich dir erzählen+, sagt’+ er. Ich habe noch nie dir ganz von einer gewissen Sache gesprochen+. Und<br />
dann – so stillt+ es auch dich und mich ein wenig, wenn wir sprechen+ von Vergangenem.<br />
Ich ging einst hilflos an <strong>de</strong>m Hafen von Triest. Das Kaperschiff, worauf ich <strong>die</strong>nte, war einige Jahre zuvor<br />
gescheitert, und ich hatte kaum mit wenigen ans Ufer von Sevilla mich gerettet. Mein Hauptmann war<br />
ertrunken und mein Leben und mein triefend Kleid war alles, was mir blieb. Ich zog mich aus und ruht’+<br />
im Sonnenschein und trocknete <strong>die</strong> Klei<strong>de</strong>r an <strong>de</strong>n Sträuchen. Drauf ging ich weiter auf <strong>de</strong>r Straße nach <strong>de</strong>r<br />
Stadt. Noch vor <strong>de</strong>n Toren sah ich heitere Gesellschaft in <strong>de</strong>n Gärten, ging hinein, und sang+ ein griechisch<br />
lustig Lied+. Ein trauriges kannt’ ich nicht. Ich glühte dabei vor Scham und Schmerz, mein Unglück so zur<br />
Schau zu tragen. Ich war ein achtzehnjähriger Knabe, wild und stolz, und hasst’ es wie <strong>de</strong>n Tod, zum<br />
Gegenstan<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Menschen zu wer<strong>de</strong>n. Vergebt mir, sagt’+ ich, da ich fertig war mit meinem Lie<strong>de</strong>+; ich<br />
komme so eben aus <strong>de</strong>m Schiffbruch und weiß <strong>de</strong>r Welt für heute keinen bessern Dienst zu tun, als ihr zu<br />
singen+. Ich hatte das, so gut es ging, in spanischer Sprache+ gesagt+. Ein Mann mit ausgezeichnetem<br />
Gesichte trat mir näher, gab mir Geld und sagt’+ in unserer Sprache+ mit Lächeln: Da! kauf einen<br />
Schleifstein dir dafür und lerne Messer schärfen und wandre so durchs feste Land. Der Rat gefiel mir. Herr!<br />
das will ich in <strong>de</strong>r Tat; erwi<strong>de</strong>rt’ ich. Noch wurd’ ich reichlich von <strong>de</strong>n übrigen beschenkt und ging und tat,<br />
wie mir <strong>de</strong>r Mann geraten hatte, und trieb mich so in Spanien und Frankreich einige Zeit herum.<br />
#*152*#Was ich in <strong>die</strong>ser Zeit erfuhr, wie an <strong>de</strong>r Knechtschaft tausendfältigen Gestalten meine<br />
Freiheitsliebe sich schärft’ und wie aus mancher harten Not mir Lebensmut und kluger Sinn erwuchs, das<br />
hab’ ich oft mit Freu<strong>de</strong> dir gesagt+.<br />
Ich trieb mein wan<strong>de</strong>rnd schuldlos Tagewerk mit Lust, doch wurd’ es endlich mir verbittert.<br />
Man nahm es für Maske, weil ich nicht gemein genug daneben aussehn mochte, man bil<strong>de</strong>te sich ein, ich<br />
treib’ im Stillen+ ein gefährlicher Geschäft, und wirklich wurd’ ich zweimal in Verhaft genommen. Das<br />
bewog mich dann, es aufzugeben und ich trat mit wenig Gel<strong>de</strong>, das ich mir gewonnen, meine Rückkehr an<br />
zur Heimat, <strong>de</strong>r ich einst entlaufen war. Schon war ich in Triest und wollte durch Dalmatien hinunter. Da<br />
befiel mich von <strong>de</strong>r harten Reise eine Krankheit und mein kleiner Reichtum ging darüber auf. So ging ich<br />
halbgenesen traurig an <strong>de</strong>m Hafen von Triest. Mit Einmal stand <strong>de</strong>r Mann vor mir, <strong>de</strong>r an <strong>de</strong>m Ufer von<br />
Sevilla meiner einst sich angenommen hatte. Er freute sich son<strong>de</strong>rbar, mich wie<strong>de</strong>r zu sehen, sagte+ mir,<br />
dass er sich meiner oft erinnert und fragte+ mich, wie mir’s in<strong>de</strong>s ergangen sei. Ich sagt’+ ihm alles. Ich<br />
sehe, rief+ er, dass es nicht umsonst war, dich ein wenig in <strong>die</strong> Schule <strong>de</strong>s Schicksals zu schicken. Du hast<br />
dul<strong>de</strong>n gelernt, du sollst nun wirken, wenn du willst.<br />
Die Re<strong>de</strong>+, sein Ton+, sein Hän<strong>de</strong>druck, seine Miene, sein Blick, das alles traf, wie eines Gottes Macht,<br />
mein Wesen, das von manchem Lei<strong>de</strong>n jetzt gerad’ entzündbarer, als je, war, und ich gab mich hin.<br />
Der Mann, Hyperion, von <strong>de</strong>m ich spreche+, war von jenen einer, <strong>die</strong> du in Smyrna bei mir sahst. Er führte<br />
gleich <strong>die</strong> Nacht darauf in eine feierliche Gesellschaft mich ein. Ein Schauer überlief mich, da ich in <strong>de</strong>n<br />
Saal trat und beim Eintritt mein Begleiter mir <strong>die</strong> ernsten Männer wies+ und sagte+: Dies ist <strong>de</strong>r Bund <strong>de</strong>r<br />
Nemesis. Berauscht vom großen Wirkungskreise, <strong>de</strong>r vor mir sich auftat, übermacht’ ich feierlich mein<br />
Blut und meine Seele <strong>die</strong>sen Männern. Bald nachher wur<strong>de</strong> <strong>die</strong> Versammlung aufgehoben, um in Jahren<br />
#*153*#an<strong>de</strong>rswo sich zu erneuern und ein je<strong>de</strong>r trat <strong>de</strong>n angewiesenen Weg an, <strong>de</strong>n er durch <strong>die</strong> Welt zu<br />
machen hatte. Ich wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>nen beigesellt, <strong>die</strong> du in Smyrna einige Jahre nachher bei mir fandst.<br />
Der Zwang, worin ich lebte, folterte mich oft, auch sah ich wenig von <strong>de</strong>n großen Wirkungen <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s<br />
und meine Tatenlust fand kahle Nahrung. Doch all <strong>die</strong>s reichte nicht hin, um mich zu einem Abfall zu<br />
vermögen. Die Lei<strong>de</strong>nschaft zu dir verleitete mich endlich. Ich hab’s dir oft gesagt+, ich war wie ohne Luft<br />
und Sonne, da du fort warst; und an<strong>de</strong>rs hatt’ ich keine Wahl; ich musste dich aufgeben, o<strong>de</strong>r meinen Bund.<br />
Was ich erwählte, siehst du.<br />
Aber alles Tun <strong>de</strong>s Menschen hat am En<strong>de</strong> seine Strafe, und nur <strong>die</strong> Götter und <strong>die</strong> Kin<strong>de</strong>r trifft <strong>die</strong><br />
Nemesis nicht.<br />
Ich zog das Götterrecht <strong>de</strong>s Herzens vor. Um meines Lieblings willen brach ich meinen Eid. War das nicht<br />
billig? muss das e<strong>de</strong>lste Sehnen nicht das freieste sein? – Mein Herz hat mich beim Worte+ genommen; ich<br />
gab ihm Freiheit und du siehst, es braucht sie.<br />
Huldige <strong>de</strong>m Genius Einmal und er achtet dir kein sterblich Hin<strong>de</strong>rnis mehr und reißt dir alle Ban<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />
Lebens entzwei.<br />
Verpflichtung brach ich um <strong>de</strong>s Freun<strong>de</strong>s willen, Freundschaft würd’ ich brechen um <strong>de</strong>r Liebe willen. Um<br />
Diotimas willen würd’ ich dich betrügen und am En<strong>de</strong> mich und Diotima mor<strong>de</strong>n, weil wir doch nicht<br />
Eines wären. Aber es soll nicht seinen Gang gehn; soll ich büßen, was ich tat, so will ich es mit Freiheit;<br />
meine eignen Richter wähl’ ich mir; an <strong>de</strong>nen ich gefehlt, <strong>die</strong> sollen mich haben.<br />
Sprichst+ du von <strong>de</strong>inen Bun<strong>de</strong>sbrü<strong>de</strong>rn? rief+ ich; o mein Alabanda! tue das nicht!<br />
Was können sie mir nehmen, als mein Blut? erwi<strong>de</strong>rt’ er. Dann fasst’ er sanft mich bei <strong>de</strong>r Hand. Hyperion!<br />
rief+ er, meine Zeit ist aus, und was mir übrig bleibt, ist nur ein edles En<strong>de</strong>. Lass mich! mache mich nicht<br />
klein und fasse Glauben an mein Wort+! Ich weiß so gut, wie du, ich könnte mir ein Dasein noch<br />
erkünsteln, könnte, weil <strong>de</strong>s Lebens Mahl #*154*#verzehrt ist, mit <strong>de</strong>n Brosamen noch spielen, aber das ist<br />
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