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die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València

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Dies schreibt Hyperion an Diotima. Hier wird Folgen<strong>de</strong>s präsupponiert: Wenn sie darauf hören<br />

wür<strong>de</strong>, dann wür<strong>de</strong> er sagen, er ist ein Verführer, <strong>de</strong>nn in <strong>de</strong>m Fall wäre er es ja wirklich. Und<br />

so, wie eine Sache ist, so soll man sie auch sagen.<br />

Lieber Träumer, warum muss ich dich wecken? warum kann ich nicht sagen, komm, und mache wahr <strong>die</strong><br />

schönen Tage, <strong>die</strong> du mir verheißen! Aber es ist zu spät, Hyperion, es ist zu spät. Dein Mädchen ist verwelkt<br />

(Schmidt, 1994: 158)<br />

Dies schreibt Diotima in ihrem letzten Brief an Hyperion. Sie meint, sie wür<strong>de</strong> Hyperion gerne<br />

sagen, dass sie mit ihm leben will, aber das ist unmöglich, weil sie todkrank ist. Sie präsupponiert,<br />

dass sie nicht sagen kann, was nicht wahr wer<strong>de</strong>n kann. Und <strong>die</strong>s präsupponiert wie<strong>de</strong>rum,<br />

dass man nur das sagen darf, was wirklich so ist.<br />

Soll ich sagen, mich habe <strong>de</strong>r Gram um dich getötet? o nein! o nein! er war mir ja willkommen, <strong>die</strong>ser<br />

Gram, er gab <strong>de</strong>m To<strong>de</strong>, <strong>de</strong>n ich in mir trug, Gestalt und Anmut; <strong>de</strong>inem Lieblinge zur Ehre stirbst du,<br />

konnt’ ich nun mir sagen. (Schmidt, 1994: 160)<br />

Im selben Brief schreibt Diotima an Hyperion, dass sie fast gesagt hätte, <strong>de</strong>r Gram um Hyperion<br />

habe sie getötet, aber das wäre falsch ausgedrückt und wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Wahrheit nicht entsprechen.<br />

Deswegen soll sie es nicht sagen. Sie präsupponiert, dass sie nicht sagen kann, was nicht wahr<br />

ist. Und <strong>die</strong>s präsupponiert wie<strong>de</strong>rum, dass man nur das sagen darf, was wirklich so ist. Was sie<br />

dann sagen konnte, ist für Diotima eben <strong>die</strong> genaueste Darstellung <strong>de</strong>r Wahrheit.<br />

O Gott! und dass ich selbst nichts bin, und <strong>de</strong>r gemeinste Handarbeiter sagen kann, er habe mehr getan,<br />

<strong>de</strong>nn ich! (Schmidt, 1994: 165)<br />

Dies schreibt Hyperion an Notara, kurz nach<strong>de</strong>m er <strong>die</strong> Nachricht von Diotimas Tod erfahren<br />

hat. Hier wird präsupponiert, dass <strong>de</strong>r „Handarbeiter“ das sagen kann, weil es wahr ist. Dem liegt<br />

<strong>die</strong> Vorstellung zugrun<strong>de</strong>, dass man nur das sagen kann, was in <strong>de</strong>r Tat so ist, so dass es eine genaue<br />

Entsprechung zwischen <strong>de</strong>r Wirklichkeit und <strong>de</strong>r Sprache gibt.<br />

B.II.a.1.5. Durch Sprache können Erinnerungen hervorgerufen<br />

wer<strong>de</strong>n<br />

Ich danke dir, dass du mich bittest, dir von mir zu erzählen, dass du <strong>die</strong> vorigen Zeiten mir ins Gedächtnis<br />

bringst.<br />

Das trieb mich auch nach Griechenland zurück, dass ich <strong>de</strong>n Spielen meiner Jugend näher leben wollte.<br />

Wie <strong>de</strong>r Arbeiter in <strong>de</strong>n erquicken<strong>de</strong>n Schlaf, sinkt oft mein angefochtenes Wesen in <strong>die</strong> Arme <strong>de</strong>r unschuldigen<br />

Vergangenheit. (Schmidt, 1994: 17)<br />

Dies schreibt Hyperion an Bellarmin. Dadurch, dass Hyperion von seiner Vergangenheit erzählt,<br />

erlebt er sie in <strong>de</strong>r Erinnerung wie<strong>de</strong>r.<br />

Die sternenhelle Nacht war nun mein Element gewor<strong>de</strong>n. Dann, wann es stille war, wie in <strong>de</strong>n Tiefen <strong>de</strong>r<br />

Er<strong>de</strong>, wo geheimnisvoll das Gold wächst, dann hob das schönere Leben meiner Liebe sich an.<br />

Da übte das Herz sein Recht, zu dichten, aus. Da sagt’ es mir, wie Hyperions Geist im Vorelysium mit seiner<br />

hol<strong>de</strong>n Diotima gespielt, eh er herabgekommen zur Er<strong>de</strong>, in göttlicher Kindheit bei <strong>de</strong>m Wohlgetöne<br />

<strong>de</strong>s Quells, und unter Zweigen, wie wir <strong>die</strong> Zweige <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> sehn, wenn sie verschönert aus <strong>de</strong>m gül<strong>de</strong>nen<br />

Strome blinken.<br />

Und, wie <strong>die</strong> Vergangenheit, öffnete sich <strong>die</strong> Pforte <strong>de</strong>r Zukunft in mir.<br />

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