die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València
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lieblicher Kühle <strong>de</strong>r Nacht, wo uns <strong>de</strong>r Becher duftet und das Mondlicht unser spärlich Mahl bescheint und<br />
mitten in unsrer lächeln<strong>de</strong>n Stille+ <strong>die</strong> Geschichte <strong>de</strong>r Alten, wie eine Wolke aufsteigt aus <strong>de</strong>m heiligen<br />
Bo<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r #*127*#uns trägt, wie selig ist’s da, in solchem Momente sich <strong>die</strong> Hän<strong>de</strong> zu reichen!<br />
Dann spricht+ wohl Alabanda noch von manchem, <strong>de</strong>n <strong>die</strong> Langeweile <strong>de</strong>s Jahrhun<strong>de</strong>rts peinigt, von so<br />
mancher wun<strong>de</strong>rbaren krummen Bahn, <strong>die</strong> sich das Leben bricht, seit<strong>de</strong>m sein gra<strong>de</strong>r Gang gehemmt ist,<br />
dann fällt mir auch mein Adamas ein, mit seinen Reisen, seiner eignen Sehnsucht in das innere Asien<br />
hinein – das sind nur Notbehelfe, guter Alter! möcht’ ich dann ihm rufen+, komm! und baue <strong>de</strong>ine Welt!<br />
mit uns! <strong>de</strong>nn unsre Welt ist auch <strong>die</strong> <strong>de</strong>ine.<br />
Auch <strong>die</strong> <strong>de</strong>ine, Diotima, <strong>de</strong>nn sie ist <strong>die</strong> Kopie von dir. O du, mit <strong>de</strong>iner Elysiumsstille, könnten wir das<br />
schaffen, was du bist!<br />
HYPERION AN DIOTIMA<br />
Wir haben jetzt dreimal in Einem fort gesiegt in kleinen Gefechten, wo aber <strong>die</strong> Kämpfer sich<br />
durchkreuzten, wie Blitze, und alles Eine verzehren<strong>de</strong> Flamme war. Navarin ist unser und wir stehen jetzt<br />
vor <strong>de</strong>r Feste Misistra, <strong>de</strong>m Überreste <strong>de</strong>s alten Sparta. Ich hab’ auch <strong>die</strong> Fahne, <strong>die</strong> ich einer albanischen<br />
Hor<strong>de</strong> entriss, auf eine Ruine gepflanzt, <strong>die</strong> vor <strong>de</strong>r Stadt liegt, habe vor Freu<strong>de</strong> meinen türkischen<br />
Kopfbund in <strong>de</strong>n Eurotas geworfen und trage seit<strong>de</strong>m <strong>de</strong>n griechischen Helm.<br />
Und nun möcht’ ich dich sehen, o Mädchen! sehen möcht’ ich dich und <strong>de</strong>ine Hän<strong>de</strong> nehmen und an mein<br />
Herz sie drücken, <strong>de</strong>m <strong>die</strong> Freu<strong>de</strong> nun bald vielleicht zu groß ist! bald! in einer Woche vielleicht ist er<br />
befreit, <strong>de</strong>r alte, edle, heilige Peloponnes.<br />
O dann, du Teure! lehre mich fromm sein! dann lehre mein überwallend Herz ein Gebet+! Ich sollte<br />
schweigen+, <strong>de</strong>nn was hab’ ich getan? und hätt’ ich etwas getan, wovon ich sprechen+ möchte, wie viel ist<br />
<strong>de</strong>nnoch übrig? Aber was kann ich dafür, dass mein Gedanke schneller ist, wie <strong>die</strong> Zeit? Ich wollte so gern,<br />
es wäre umgekehrt und <strong>die</strong> Zeit #*128*#und <strong>die</strong> Tat überflöge <strong>de</strong>n Gedanken und <strong>de</strong>r geflügelte Sieg<br />
übereilte <strong>die</strong> Hoffnung selbst.<br />
Mein Alabanda blüht, wie ein Bräutigam. Aus je<strong>de</strong>m seiner Blicke lacht <strong>die</strong> kommen<strong>de</strong> Welt mich an, und<br />
daran still’+ ich noch <strong>die</strong> Ungeduld so ziemlich.<br />
Diotima! ich möchte <strong>die</strong>ses wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Glück nicht um <strong>die</strong> schönste Lebenszeit <strong>de</strong>s alten Griechenlands<br />
vertauschen, und <strong>de</strong>r kleinste unsrer Siege ist mir lieber, als Marathon und Thermopylä und Platea. Ist’s<br />
nicht wahr? Ist nicht <strong>de</strong>m Herzen das genesen<strong>de</strong> Leben mehr wert, als das reine, das <strong>die</strong> Krankheit noch<br />
nicht kennt? Erst wenn <strong>die</strong> Jugend hin ist, lieben wir sie, und dann erst, wenn <strong>die</strong> verlorne wie<strong>de</strong>rkehrt,<br />
beglückt sie alle Tiefen <strong>de</strong>r Seele.<br />
Am Eurotas stehet mein Zelt, und wenn ich nach Mitternacht erwache, rauscht <strong>de</strong>r alte Flussgott mahnend<br />
mir vorüber, und lächelnd nehm’ ich <strong>die</strong> Blumen <strong>de</strong>s Ufers, und streue sie in seine glänzen<strong>de</strong> Welle und<br />
sag’+ ihm: Nimm es zum Zeichen+, du Einsamer! Bald umblüht das alte Leben dich wie<strong>de</strong>r.<br />
DIOTIMA AN HYPERION<br />
Ich habe <strong>die</strong> Briefe erhalten, mein Hyperion, <strong>die</strong> du unterwegens mir schriebst+. Du ergreifst mich gewaltig<br />
mit allem, was du mir sagst+, und mitten in meiner Liebe schau<strong>de</strong>rt mich oft, <strong>de</strong>n sanften Jüngling, <strong>de</strong>r zu<br />
meinen Füßen geweint, in <strong>die</strong>ses rüstige Wesen verwan<strong>de</strong>lt zu sehn.<br />
Wirst du <strong>de</strong>nn nicht <strong>die</strong> Liebe verlernen?<br />
Aber wandle nur zu! Ich folge dir. Ich glaube, wenn du mich hassen könntest, würd’ ich auch da sogar dir<br />
nachempfin<strong>de</strong>n, wür<strong>de</strong> mir Mühe geben, dich zu hassen und so blieben unsre Seelen sich gleich und das ist<br />
kein eitel übertrieben Wort+, Hyperion.<br />
Ich bin auch selbst ganz an<strong>de</strong>rs, wie sonst. Mir mangelt <strong>de</strong>r heitre Blick in <strong>die</strong> Welt und <strong>die</strong> freie Lust an<br />
allem Lebendigen. Nur das Feld <strong>de</strong>r Sterne zieht mein Auge noch #*129*#an. Dagegen <strong>de</strong>nk’ ich um so<br />
lieber an <strong>die</strong> großen Geister <strong>de</strong>r Vorwelt und wie sie geen<strong>de</strong>t haben auf Er<strong>de</strong>n, und <strong>die</strong> hohen spartanischen<br />
Frauen haben mein Herz gewonnen. Dabei vergess’ ich nicht <strong>die</strong> neuen Kämpfer, <strong>die</strong> kräftigen, <strong>de</strong>ren<br />
Stun<strong>de</strong> gekommen ist, oft hör’+ ich ihren Siegslärm durch <strong>de</strong>n Peloponnes herauf mir näher brausen und<br />
näher, oft seh’ ich sie, wie eine Katarakte, dort herunterwogen durch <strong>die</strong> Epidaurischen Wäl<strong>de</strong>r und ihre<br />
Waffen fernher glänzen im Sonnenlichte, das, wie ein Herold, sie geleitet, o mein Hyperion! und du<br />
kommst geschwin<strong>de</strong> nach Kalaurea herüber und grüßest+ <strong>die</strong> stillen+ Wäl<strong>de</strong>r unserer Liebe, grüßest+ mich,<br />
und fliegst nun wie<strong>de</strong>r zu <strong>de</strong>iner Arbeit zurück; – und <strong>de</strong>nkst du, ich fürchte <strong>de</strong>n Ausgang? Liebster!<br />
manchmal will’s mich überfallen, aber meine größern Gedanken halten, wie Flammen, <strong>de</strong>n Frost ab. –<br />
Lebe wohl! vollen<strong>de</strong>, wie es <strong>de</strong>r Geist dir gebeut! und lass <strong>de</strong>n Krieg zu lange nicht dauern, um <strong>de</strong>s<br />
Frie<strong>de</strong>ns willen, Hyperion, um <strong>de</strong>s schönen, neuen, gol<strong>de</strong>nen Frie<strong>de</strong>ns willen, wo, wie du sagtest+, einst in<br />
unser Rechtsbuch+ eingeschrieben+ wer<strong>de</strong>n <strong>die</strong> Gesetze <strong>de</strong>r Natur, und wo das Leben selbst, wo sie, <strong>die</strong><br />
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