die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València
die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València
die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Himmels ihn berührt! Zu <strong>de</strong>n Sternen hätt’ ich dann fliehn mögen mit meiner Seligkeit, damit sie mir nicht<br />
entwürdigt wür<strong>de</strong> von <strong>de</strong>m, was mich umgab.<br />
Ich war aufgewachsen, wie eine Rebe ohne Stab, und <strong>die</strong> wil<strong>de</strong>n Ranken breiteten richtungslos über <strong>de</strong>m<br />
Bo<strong>de</strong>n sich aus. Du weißt ja, wie so manche edle Kraft bei uns zu Grun<strong>de</strong> geht, weil sie nicht genützt wird.<br />
Ich schweifte herum, wie ein Irrlicht, griff alles an, wur<strong>de</strong> von allem ergriffen, aber auch nur für <strong>de</strong>n<br />
Moment, und <strong>die</strong> unbehülflichen Kräfte matteten vergebens sich ab. Ich fühlte, dass mir’s überall fehlte,<br />
und konnte doch mein Ziel nicht fin<strong>de</strong>n. So fand er mich.<br />
Er hatt’ an seinem Stoffe, <strong>de</strong>r sogenannten kultivierten Welt, lange genug Geduld und Kunst+ geübt, aber<br />
sein Stoff war Stein und Holz gewesen und geblieben, nahm wohl zur Not <strong>die</strong> edle Menschenform von<br />
außen an, aber um <strong>die</strong>s war’s meinem Adamas nicht zu tun; er wollte Menschen, und, um <strong>die</strong>se zu schaffen,<br />
hatt’ er seine Kunst+ zu arm gefun<strong>de</strong>n. Sie waren einmal da gewesen, <strong>die</strong> er suchte, <strong>die</strong> #*21*#zu schaffen,<br />
seine Kunst+ zu arm war, das erkannt’ er <strong>de</strong>utlich. Wo sie da gewesen, wusst’ er auch. Da wollt’ er hin und<br />
unter <strong>de</strong>m Schutt nach ihrem Genius fragen+, mit <strong>die</strong>sem sich <strong>die</strong> einsamen Tage zu verkürzen. Er kam<br />
nach Griechenland. So fand ich ihn.<br />
Noch seh’ ich ihn vor mich treten in lächeln<strong>de</strong>r Betrachtung, noch hör’+ ich seinen Gruß und seine<br />
Fragen+.<br />
Wie eine Pflanze, wenn ihr Frie<strong>de</strong> <strong>de</strong>n streben<strong>de</strong>n Geist besänftigt, und <strong>die</strong> einfältige Genügsamkeit<br />
wie<strong>de</strong>rkehrt in <strong>die</strong> Seele – so stand er vor mir.<br />
Und ich, war ich nicht <strong>de</strong>r Nachhall+ seiner stillen+ Begeisterung? wie<strong>de</strong>rholten sich nicht <strong>die</strong> Melo<strong>die</strong>n+<br />
seines Wesens in mir? Was ich sah, ward ich, und es war Göttliches, was ich sah.<br />
Wie unvermögend ist doch <strong>de</strong>r gutwilligste Fleiß <strong>de</strong>r Menschen gegen <strong>die</strong> Allmacht <strong>de</strong>r ungeteilten<br />
Begeisterung.<br />
Sie weilt nicht auf <strong>de</strong>r Oberfläche, fasst nicht da und dort uns an, braucht keiner Zeit und keines Mittels;<br />
Gebot und Zwang und Überredung braucht sie nicht; auf allen Seiten, in allen Tiefen und Höhen ergreift sie<br />
im Augenblick uns, und wan<strong>de</strong>lt, ehe sie da ist für uns, ehe wir fragen+, wie uns geschiehet, durch und<br />
durch in ihre Schönheit, ihre Seligkeit uns um.<br />
Wohl <strong>de</strong>m, wem auf <strong>die</strong>sem Wege ein edler Geist in früher Jugend begegnete!<br />
O es sind goldne unvergessliche Tage, voll von <strong>de</strong>n Freu<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Liebe und süßer Beschäftigung!<br />
Bald führte mein Adamas in <strong>die</strong> Heroenwelt <strong>de</strong>s Plutarch, bald in das Zauberland <strong>de</strong>r griechischen Götter<br />
mich ein, bald ordnet’ und beruhigt’ er mit Zahl und Maß das jugendliche Treiben, bald stieg er auf <strong>die</strong><br />
Berge mit mir; <strong>de</strong>s Tags, um <strong>die</strong> Blumen <strong>de</strong>r Hei<strong>de</strong> und <strong>de</strong>s Walds und <strong>die</strong> wil<strong>de</strong>n Moose <strong>de</strong>s Felsen, <strong>de</strong>s<br />
Nachts, um über uns <strong>die</strong> heiligen Sterne zu schauen, und nach menschlicher Weise zu verstehen+.<br />
Es ist ein köstlich Wohlgefühl in uns, wenn so das Innere #*22*#an seinem Stoffe sich stärkt, sich<br />
unterschei<strong>de</strong>t und getreuer anknüpft und unser Geist allmählich waffenfähig wird.<br />
Aber dreifach fühlt’ ich ihn und mich, wenn wir, wie Manen aus vergangner Zeit, mit Stolz und Freu<strong>de</strong>, mit<br />
Zürnen und Trauern an <strong>de</strong>n Athos hinauf und von da hinüberschifften in <strong>de</strong>n Hellespont und dann hinab an<br />
<strong>die</strong> Ufer von Rhodus und <strong>die</strong> Bergschlün<strong>de</strong> von Tänarum, durch <strong>die</strong> stillen+ Inseln alle, wenn da <strong>die</strong><br />
Sehnsucht über <strong>die</strong> Küsten hinein uns trieb, ins düstre Herz <strong>de</strong>s alten Peloponnes, an <strong>die</strong> einsamen Gesta<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>s Eurotas, ach! <strong>die</strong> ausgestorbnen Tale von Elis und Nemea und Olympia, wenn wir da, an eine<br />
Tempelsäule <strong>de</strong>s vergessnen Jupiters gelehnt, umfangen von Lorbeerrosen und Immergrün, ins wil<strong>de</strong><br />
Flussbett sahn, und das Leben <strong>de</strong>s Frühlings und <strong>die</strong> ewig jugendliche Sonne uns mahnte, dass auch <strong>de</strong>r<br />
Mensch einst da war, und nun dahin ist, dass <strong>de</strong>s Menschen herrliche Natur jetzt kaum noch da ist, wie das<br />
Bruchstück eines Tempels o<strong>de</strong>r im Gedächtnis, wie ein Totenbild – da saß ich traurig spielend neben ihm,<br />
und pflückte das Moos von eines Halbgotts Pie<strong>de</strong>stal, grub eine marmorne Hel<strong>de</strong>nschulter aus <strong>de</strong>m Schutt,<br />
und schnitt <strong>de</strong>n Dornbusch und das Hei<strong>de</strong>kraut von <strong>de</strong>n halbbegrabnen Architraven, in<strong>de</strong>s mein Adamas<br />
<strong>die</strong> Landschaft zeichnete, wie sie freundlich tröstend <strong>de</strong>n Ruin umgab, <strong>de</strong>n Weizenhügel, <strong>die</strong> Oliven, <strong>die</strong><br />
Ziegenher<strong>de</strong>, <strong>die</strong> am Felsen <strong>de</strong>s Gebirgs hing, <strong>de</strong>n Ulmenwald, <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>n Gipfeln in das Tal sich stürzte;<br />
und <strong>die</strong> Lacerte spielte zu unsern Füßen, und <strong>die</strong> Fliegen umsummten uns in <strong>de</strong>r Stille+ <strong>de</strong>s Mittags –<br />
Lieber Bellarmin! ich hätte Lust, so pünktlich dir, wie Nestor, zu erzählen+; ich ziehe durch <strong>die</strong><br />
Vergangenheit, wie ein Ährenleser über <strong>die</strong> Stoppeläcker, wenn <strong>de</strong>r Herr <strong>de</strong>s Lands geerntet hat; da liest<br />
man je<strong>de</strong>n Strohhalm auf. Und wie ich neben ihm stand auf <strong>de</strong>n Höhen von Delos, wie das ein Tag war, <strong>de</strong>r<br />
mir graute, da ich mit ihm an <strong>de</strong>r Granitwand <strong>de</strong>s Cynthus <strong>die</strong> alten Marmortreppen hinaufstieg. Hier<br />
wohnte <strong>de</strong>r Sonnengott einst, unter <strong>de</strong>n himmlischen Festen, wo ihn, wie goldnes Gewölk, das versammelte<br />
Griechenland umglänzte. #*23*#In Fluten <strong>de</strong>r Freu<strong>de</strong> und Begeisterung warfen hier, wie Achill in <strong>de</strong>n<br />
Styx, <strong>die</strong> griechischen Jünglinge sich, und gingen unüberwindlich, wie <strong>de</strong>r Halbgott, hervor. In <strong>de</strong>n Hainen,<br />
in <strong>de</strong>n Tempeln erwachten und tönten+ ineinan<strong>de</strong>r ihre Seelen, und treu bewahrte je<strong>de</strong>r <strong>die</strong> entzücken<strong>de</strong>n<br />
Akkor<strong>de</strong>+.<br />
Aber was sprech’+ ich davon? Als hätten wir noch eine Ahnung jener Tage! Ach! es kann ja nicht einmal<br />
ein schöner Traum ge<strong>de</strong>ihen unter <strong>de</strong>m Fluche+, <strong>de</strong>r über uns lastet. Wie ein heulen<strong>de</strong>r Nordwind, fährt <strong>die</strong><br />
Gegenwart über <strong>die</strong> Blüten unsers Geistes und versengt sie im Entstehen. Und doch war es ein goldner Tag,<br />
<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>m Cynthus mich umfing! Es dämmerte noch, da wir schon oben waren. Jetzt kam er herauf in<br />
289