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die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València

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Auf <strong>die</strong> Wiese geh’ ich hinaus, wo das Gras aus <strong>de</strong>r Wurzel<br />

frisch, wie <strong>die</strong> Quelle mir keimt, wo <strong>die</strong> liebliche Lippe <strong>de</strong>r Blume<br />

mir sich öffnet und stumm mit süßem Atem mich anhaucht (Schmidt, 1992: 195)<br />

Demnach haben <strong>die</strong> Blumen „Lippen“, <strong>die</strong> sich <strong>de</strong>m Dichter „stumm“ öffnen und ihn statt mit<br />

Worten mit einem süßen Duft anhauchen. Es ist ganz ein<strong>de</strong>utig <strong>die</strong> wortlose Sprache <strong>de</strong>r Natur.<br />

Um meine Weisheit unbekümmert<br />

rauschen <strong>die</strong> Wasser doch auch, und <strong>de</strong>nnoch<br />

hör’ ich sie gern, und öfterss bewegen sie<br />

und stärken mir das Herz, <strong>die</strong> gewaltigen (Schmidt, 1992: 198)<br />

Die Wasser <strong>de</strong>s Meeres sprechen offensichtlich keine menschliche Sprache. Trotz<strong>de</strong>m empfängt<br />

<strong>de</strong>r Dichter eine Botschaft von ihrem wortlosen Rauschen, so dass sein Herz bewegt und gestärkt<br />

wird.<br />

B.I.b.3.4. Die Natur als Sprache, welche <strong>die</strong> Menschen miteinan<strong>de</strong>r<br />

verbin<strong>de</strong>t<br />

Da ich noch in Kin<strong>de</strong>rträumen,<br />

friedlich, wie <strong>de</strong>r blaue Tag,<br />

unter meines Gartens Bäumen<br />

auf <strong>de</strong>r warmen Er<strong>de</strong> lag,<br />

und in leiser Lust und Schöne<br />

meines Herzens Mai begann,<br />

säuselte, wie Zephirstöne,<br />

Diotimas Geist mich an. (Schmidt, 1992: 176)<br />

Mittlere Fassung <strong>de</strong>s Gedichts. Der Dichter war noch unentwickelt wie ein Kind und lebte noch<br />

im vollen Einklang mit <strong>de</strong>r Natur. Aber da hatte er noch keine Sprache und hatte sich selbst noch<br />

nicht erkannt, <strong>de</strong>swegen war er „leise“. Diotima kannte er damals noch nicht, aber ihr Geist<br />

sprach schon zu ihm in einer wortlosen Sprache, welche so wie <strong>die</strong> <strong>de</strong>r Natur ist, und setzte sich<br />

mit ihm in Kontakt, so dass er zu erwachen begann.<br />

Diotima! edles Leben!<br />

Schwester, heilig mir verwandt!<br />

Eh ich dir <strong>die</strong> Hand gegeben,<br />

hab’ ich ferne dich gekannt.<br />

Damals schon, da ich in Träumen,<br />

mir entlockt vom heitren Tag,<br />

unter meines Gartens Bäumen,<br />

ein zufriedner Knabe lag,<br />

da in leiser Lust und Schöne<br />

meiner Seele Mai begann,<br />

säuselte, wie Zephirstöne,<br />

Göttliche! <strong>de</strong>in Geist mich an. (Schmidt, 1992: 179)<br />

Jüngere Fassung <strong>de</strong>s Gedichts. Der Dichter kannte damals Diotima noch nicht, aber sie war ihm<br />

schon innig verwandt und ihr Geist sprach zu ihm in einer wortlosen Sprache, welche so heilig<br />

wie <strong>die</strong> <strong>de</strong>r Natur ist, und setzte sich mit ihm in Kontakt, so dass er aus seiner unbewussten und<br />

träumerischen Knabenzeit zu erwachen begann.<br />

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