die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València
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Eric Santner schließt aus einer Reihe stilistischer Merkmale, dass Höl<strong>de</strong>rlin in seinem Spätwerk<br />
seine Lehre vom Wechsel <strong>de</strong>r Töne außer Acht gelassen hat 262 . Wilfried Thürmer untersucht Höl<strong>de</strong>rlins<br />
Gedichte <strong>de</strong>r Umnachtungszeit und kommt ebenfalls zum Ergebnis, dass sie nichts mehr<br />
mit seiner Homburger Poetologie zu tun haben 263 .<br />
5.3. Konkrete Schlussfolgerungen<br />
Die Ergebnisse <strong>de</strong>s vierten Kapitels <strong>de</strong>r vorliegen<strong>de</strong>n Arbeit dokumentieren, dass Lyrik und Prosa<br />
manchmal i<strong>de</strong>ntische bzw. ähnliche Eigenschaften, oft aber beachtliche bis radikale Unterschie<strong>de</strong><br />
aufzeigen. Da <strong>die</strong> analysierten Korpora zur gleichen Zeit entstan<strong>de</strong>n sind, ist ein<strong>de</strong>utig,<br />
dass bei Höl<strong>de</strong>rlin <strong>die</strong> Sprache in je<strong>de</strong>r Gattung eine unterschiedliche Rolle spielt. Davon abgesehen<br />
konnte <strong>de</strong>nnoch eine in bei<strong>de</strong>n Korpora vertretene Sprachauffassung erschlossen wer<strong>de</strong>n,<br />
<strong>die</strong> bemerkenswert konsequent und überall anwesend ist. Die Wi<strong>de</strong>rsprüchlichkeit <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen<br />
einzelnen Sprachvorstellungen fiel beson<strong>de</strong>rs ins Gewicht und konnte durch <strong>de</strong>n Versuch<br />
Höl<strong>de</strong>rlins erklärt wer<strong>de</strong>n, eine heilige Sprache zu schaffen und anzuwen<strong>de</strong>n, <strong>die</strong> im Gegensatz<br />
zur alltäglichen Sprache fähig ist, das Menschliche und das Göttliche in Verbindung zu setzen<br />
und schließlich zu vereinen, in<strong>de</strong>m es ihr gelingt, das Unnennbare mittels <strong>de</strong>r Sprache indirekt<br />
zum Ausdruck zu bringen. Diese Ergebnisse stimmen durchaus mit <strong>de</strong>n theoretischen Ansätzen<br />
überein, <strong>die</strong> im Abschnitt 5.1. erwähnt wur<strong>de</strong>n. Dies beweist, dass <strong>die</strong> in <strong>de</strong>r vorliegen<strong>de</strong>n Arbeit<br />
benutzte Metho<strong>de</strong> ebenso gute Ergebnisse liefern kann wie <strong>die</strong> an<strong>de</strong>ren. Ein Vorzug <strong>die</strong>ser Metho<strong>de</strong><br />
ist m.E. das hohe Maß an Objektivität, das durch sie erreicht wer<strong>de</strong>n kann, weil sie sämtliche<br />
relevante Wörter und Stellen in Betracht zieht. Ein weiterer gewichtiger Vorzug ist <strong>die</strong> Möglichkeit,<br />
durch sie zu unerwarteten Schlussfolgerungen zu kommen. Eins <strong>de</strong>r be<strong>de</strong>utendsten Ergebnisse<br />
<strong>de</strong>s vierten Kapitels ist <strong>die</strong> zentrale Rolle, welche <strong>die</strong> Musik bei <strong>de</strong>r höl<strong>de</strong>rlinischen<br />
Sprachauffassung spielt: Diesen Aspekt hat außer Louis Wiesmann keiner <strong>de</strong>r <strong>die</strong> höl<strong>de</strong>rlinische<br />
Sprachauffassung erforschen<strong>de</strong>n Autoren bemerkt, und er gehörte auch nicht zu <strong>de</strong>n anfänglichen<br />
Hypotesen <strong>de</strong>r vorliegen<strong>de</strong>n Arbeit; er wur<strong>de</strong> vielmehr aus <strong>de</strong>n im Abschnitt 1.1.3. erläuterten<br />
methodologischen Grün<strong>de</strong>n prinzipiell beiseite gelassen. Das heißt, <strong>de</strong>r musikalische Aspekt<br />
<strong>de</strong>r Sprachauffassung Höl<strong>de</strong>rlins wur<strong>de</strong> hier nicht absichtlich gesucht, son<strong>de</strong>rn unverhofft ent<strong>de</strong>ckt.<br />
Zur Diskussion über <strong>die</strong> Gültigkeit <strong>de</strong>r Homburger Poetologie beim literarischen Schaffen Höl<strong>de</strong>rlins<br />
kann <strong>die</strong> vorliegen<strong>de</strong> Arbeit beitragen, in<strong>de</strong>m sie bestätigt, dass <strong>die</strong> Theorie durchaus mit<br />
<strong>de</strong>r Praxis übereinstimmt. Dabei soll jedoch <strong>de</strong>r Zeitfaktor beachtet wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nn seine poetologischen<br />
Schriften gehören meist ins Jahr 1799, nur ein Jahr nach <strong>de</strong>m Zeitraum, zu <strong>de</strong>m <strong>die</strong> hier<br />
analysierten Korpora gehören. Vermutlich setzte Höl<strong>de</strong>rlin sich eine Zeit lang mit seinen poetologischen<br />
Theorien auseinan<strong>de</strong>r, bevor er sie nie<strong>de</strong>rschrieb. Man darf also annehmen, dass <strong>die</strong><br />
Theorie und <strong>die</strong> in <strong>de</strong>r vorliegen<strong>de</strong>n Arbeit analysierte Praxis etwa zeitgleich sind. Das Spätwerk<br />
Höl<strong>de</strong>rlins hingegen muss zweifellos zu einer an<strong>de</strong>ren Phase sowohl im Leben als auch im Werk<br />
<strong>de</strong>s Autors gerechnet wer<strong>de</strong>n, in <strong>de</strong>r <strong>die</strong> früheren Theorien vielleicht nicht mehr bzw. nicht mehr<br />
ganz galten.<br />
262<br />
Santner, 1995: ix f.<br />
263<br />
Thürmer, 1970: 80.<br />
273