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die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València

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Die „Lippen“ gehören hier zum Prototyp <strong>de</strong>r Körperteile, von <strong>de</strong>nen hier auch ein paar weitere<br />

genannt wer<strong>de</strong>n, und nicht zu <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Sprechorgane. Das Substantiv „Antwort“ und das Verb<br />

„lauten“ leiten hier nachträglich <strong>die</strong> direkte Re<strong>de</strong> ein. Das Verb „sagen“ meint hier, dass <strong>die</strong>s<br />

wörtlich ist, was er sagte. Es fungiert als metasprachlicher Hinweis darauf, dass es zitierte Wörter<br />

sind, <strong>die</strong> er benutzt.<br />

Du kennst mich, du verstehst mich. Du weißt, wie tief du mich achtest, wenn du mich nicht bedauerst<br />

(Schmidt, 1994: 134)<br />

Dies schreibt Hyperion zu Diotima. Das Verb „verstehen“ be<strong>de</strong>utet hier 'begreifen, auffassen'<br />

und präsupponiert keine Kommunikation.<br />

So straft ein Gift das andre, rief ich<br />

[...]<br />

Sechs Tage nach <strong>de</strong>r Schlacht lag ich in einem peinlichen todähnlichen Schlaf. Mein Leben war, wie eine<br />

Nacht, von Schmerzen, wie von zücken<strong>de</strong>n Blitzen, unterbrochen. Das Erste, was ich wie<strong>de</strong>r erkannte, war<br />

Alabanda. Er war, wie ich erfuhr, nicht einen Augenblick von mir gewichen, hatte fast allein mich be<strong>die</strong>nt,<br />

mit unbegreiflicher Geschäftigkeit, mit tausend zärtlichen häuslichen Sorgen, woran er sonst im Leben nie<br />

gedacht, und man hatt’ ihn auf <strong>de</strong>n Knien vor meinem Bette rufen gehört: o lebe, mein Lieber! dass ich<br />

lebe!<br />

[...]<br />

Er lebt, rief er (Schmidt, 1994: 138)<br />

Das Verb „rufen“ leitet hier <strong>die</strong> direkte Re<strong>de</strong> ein. Beim Verb „hören“ wird gemeint, dass man<br />

akustisch hat wahrnehmen können, was Alabanda rief.<br />

O ich will es nie vergessen, Hyperion! wie <strong>de</strong>in Schiff vor meinen Augen im Feuer aufging, und donnernd,<br />

in <strong>die</strong> rasen<strong>de</strong> Flamme <strong>die</strong> Schiffer mit sich hinaufriss, und unter <strong>de</strong>n wenigen geretteten kein Hyperion<br />

war. Ich war von Sinnen und <strong>de</strong>r grimmige Schlachtlärm stillte mich nicht. Doch hört’ ich bald von dir und<br />

flog dir nach, sobald wir mit <strong>de</strong>m Fein<strong>de</strong> vollends fertig waren.<br />

Und wie er nun mich hütete! wie er mit lieben<strong>de</strong>r Vorsicht mich gefangen hielt in <strong>de</strong>m Zauberkreise seiner<br />

Gefälligkeiten! wie er, ohne ein Wort, mit seiner großen Ruhe mich lehrte, <strong>de</strong>n freien Lauf <strong>de</strong>r Welt neidlos<br />

und männlich zu verstehen! (Schmidt, 1994: 139)<br />

Zuerst spricht Alabanda zu Hyperion, <strong>de</strong>r um ein Haar sein Leben retten konnte. Das Verb „stillen“<br />

be<strong>de</strong>utet hier 'beruhigen, besänftigen, befriedigen'. Das Verb „verstehen“ be<strong>de</strong>utet hier 'begreifen,<br />

auffassen' und präsupponiert hier keine Kommunikation, son<strong>de</strong>rn nur einen Denkprozess<br />

im Kopf Hyperions.<br />

O heilige Pflanzenwelt! rief ich<br />

[...]<br />

Lass dir genug sein, Lieber! dass du bist, rief Alabanda, und störe <strong>de</strong>in stilles Wirken durch <strong>die</strong> Trauer<br />

nicht mehr.<br />

Ich will auch ruhen, sagt’ ich. O ich will <strong>die</strong> Entwürfe, <strong>die</strong> Fordrungen alle, wie Schuldbriefe, zerreißen.<br />

Ich will mich rein erhalten, wie ein Künstler sich hält, dich will ich lieben, harmlos Leben, Leben <strong>de</strong>s<br />

Hains und <strong>de</strong>s Quells! dich will ich ehren, o Sonnenlicht! an dir mich stillen, schöner Äther, <strong>de</strong>r <strong>die</strong> Sterne<br />

beseelt [...] Du lächelst, Alabanda? o wie oft, in unsern ersten Zeiten, hast du so gelächelt, wann <strong>de</strong>in Knabe<br />

vor dir plau<strong>de</strong>rte, im trunknen Jugendmut, in<strong>de</strong>s du da, wie eine stille Tempelsäule, standst, im Schutt<br />

<strong>de</strong>r Welt, und lei<strong>de</strong>n musstest, dass <strong>die</strong> wil<strong>de</strong>n Ranken meiner Liebe dich umwuchsen<br />

[...]<br />

Ach! rief er, <strong>die</strong>ser Ernst, in <strong>de</strong>m wir lebten und <strong>die</strong>se Lebenslust!<br />

Wenn wir jagten im Forst, rief ich, wenn in <strong>de</strong>r Meersflut wir uns ba<strong>de</strong>ten, wenn wir sangen und tranken,<br />

wodurch <strong>de</strong>n Lorbeerschatten <strong>die</strong> Sonn’ und <strong>de</strong>r Wein und Augen und Lippen uns glänzten – es war ein<br />

einzig Leben und unser Geist umleuchtete, wie ein glänzen<strong>de</strong>r Himmel, unser jugendlich Glück. (Schmidt,<br />

1994: 140 f.)<br />

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