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die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València

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Hyperion behauptet, er wähnt manchmal, <strong>die</strong> Kunst, und in <strong>die</strong>sem Fall höchstwahrscheinlich <strong>die</strong><br />

Dichtung, habe eine solche schöpferische Kraft, dass sie Lebendiges zusammensetzen könne;<br />

aber <strong>die</strong>s ist seiner Meinung nach falsch, sie kann doch nichts auf <strong>de</strong>r Welt verbessern.<br />

Ich bin zu müßig gewor<strong>de</strong>n, rief ich, zu frie<strong>de</strong>nslustig, zu himmlisch, zu träg! – Alabanda sieht in <strong>die</strong> Welt,<br />

wie ein edler Pilot, Alabanda ist fleißig und sucht in <strong>de</strong>r Woge nach Beute; und dir schlafen <strong>die</strong> Hän<strong>de</strong> im<br />

Schoß? und mit Worten möchtest du ausreichen, und mit Zauberformeln beschwörst du <strong>die</strong> Welt? Aber<br />

<strong>de</strong>ine Worte sind, wie Schneeflocken, unnütz, und machen <strong>die</strong> Luft nur trüber und <strong>de</strong>ine Zaubersprüche<br />

sind für <strong>die</strong> Frommen, aber <strong>die</strong> Ungläubigen hören dich nicht. (Schmidt, 1994: 107)<br />

Auf Satzebene vermitteln <strong>die</strong> Wörter <strong>die</strong> Vorstellung, dass man durch Sprache etwas bewirken<br />

kann. Auf Absatzebene wird jedoch klar, dass durch Ironie, Spott und Negation <strong>die</strong>se Be<strong>de</strong>utung<br />

umgekehrt wird, so dass Sprache zu nichts taugen soll. Auf Werkebene, wenn man <strong>de</strong>n ganzen<br />

Roman betrachtet, wird sich später zeigen, dass Hyperion von seinen gewalttätigen Abenteuern<br />

zutiefst enttäuscht wird, so dass er zur Einsicht kommt, dass <strong>die</strong> Welt nur durch heilige Worte<br />

verän<strong>de</strong>rt und verbessert wer<strong>de</strong>n kann. Diese Werkebene ist aber im Moment zu abstrakt, wir beschäftigen<br />

uns nur mit <strong>die</strong>ser konkreten Stelle hier. Wenn <strong>die</strong> Ungläubigen Hyperion nicht hören,<br />

dann wird präsupponiert, dass sie taub sind. Aber <strong>die</strong>s kann in <strong>die</strong>sem Kontext nicht gemeint<br />

sein, und <strong>de</strong>swegen wird impliziert, dass <strong>die</strong> Ungläubigen nicht auf Hyperion hören, dass sie seine<br />

weltverän<strong>de</strong>rn<strong>de</strong> Botschaft nicht verstehen und nicht empfangen, dass Sprache also nichts bewirken<br />

kann.<br />

O Hyperion! was soll ich weiter sagen? Es war aus und unsre Klagen weckten sie nicht mehr. (Schmidt,<br />

1994: 164)<br />

Dies schreibt Notara an Hyperion, um ihn vom Tod Diotimas zu unterrichten. So sehr <strong>die</strong> Menschen<br />

auch klagen, können sie dadurch, durch Sprache nämlich, Diotima nicht wie<strong>de</strong>r lebendig<br />

machen.<br />

B.I.a.2. Sprache und Kommunikation<br />

B.I.a.2.1. Man versteht sich manchmal ohne Worte sehr gut<br />

Wer sagt <strong>de</strong>m Kin<strong>de</strong>, dass <strong>die</strong> Mutter ihre Brust ihm nicht versage? Und siehe! es sucht sie doch. (Schmidt,<br />

1994: 31)<br />

Das Kind braucht nicht, dass man es ihm sagt: Seine Verständigung mit <strong>de</strong>r Mutter fin<strong>de</strong>t ohne<br />

Worte statt.<br />

Sie schien immer so wenig zu sagen, und sagte so viel. (Schmidt, 1994: 66)<br />

Das Personalpronomen „sie“ bezieht sich auf Diotima. Dieser anscheinend wi<strong>de</strong>rsprüchliche<br />

Satz Hyperions meint, dass Diotima wenige Wörter aussprach, doch viel Be<strong>de</strong>utung vermittelte.<br />

Sie war fähig, ohne Worte o<strong>de</strong>r mit sehr wenigen Worten zu kommunizieren.<br />

Da wir uns ferne waren, rief ich, da, wie Harfengelispel, unser kommend Entzücken uns erst tönte da wir<br />

uns fan<strong>de</strong>n, da kein Schlaf mehr war und alle Töne in uns erwachten zu <strong>de</strong>s Lebens vollen Akkor<strong>de</strong>n, göttliche<br />

Natur! da waren wir immer, wie du, und nun auch da wir schei<strong>de</strong>n und <strong>die</strong> Freu<strong>de</strong> stirbt, sind wir, wie<br />

du, voll Lei<strong>de</strong>ns und doch gut, drum soll ein reiner Mund uns zeugen, dass unsre Liebe heilig ist und ewig,<br />

so wie du. (Schmidt, 1994: 113)<br />

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