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die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València

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B.I.b.2. Sprache und Kommunikation<br />

B.I.b.2.1. Zwischenmenschliche Vereinigung bzw. Verbindung<br />

durch Aufhebung <strong>de</strong>r Sprache<br />

Habe, wenn in reicher Stille<br />

wenn in einem Blick und Laut<br />

seine Ruhe, seine Fülle<br />

mir ihr Genius vertraut,<br />

wenn ihr Geist, <strong>de</strong>r mich begeistert,<br />

an <strong>de</strong>r hohen Stirne tagt,<br />

von Bewundrung übermeistert,<br />

zürnend ihr mein Nichts geklagt. (Schmidt, 1992: 174)<br />

Ältere Fassung <strong>de</strong>s Gedichts. Der Dichter spricht hier von Diotimas Genius. Ausdrücklich sagt er<br />

hier, dass sie ihm ihre Ruhe und Fülle sowohl durch vielsagen<strong>de</strong> „Stille“ als auch durch Blick<br />

und Laut vermittelt. Durch Stille wird also nicht bloß Information bzw. eine bestimmte Gefühlslage,<br />

son<strong>de</strong>rn ein Lebensgefühl vermittelt. Der Dichter benutzt nicht <strong>de</strong>n Namen Diotimas, son<strong>de</strong>rn<br />

<strong>die</strong> Substantive „Genius“ und „Geist“, welche eine geistigere Dimension präsupponieren,<br />

als es zwischen Menschen üblich ist. Diotimas Geist begeistert <strong>de</strong>n Dichter, und <strong>die</strong>ses Wortspiel<br />

<strong>de</strong>utet daraufhin, dass ihr Geist in <strong>de</strong>n seinen eindringt. Daher darf man hier nicht nur von Kommunikation,<br />

son<strong>de</strong>rn sogar von Vereinigung bei<strong>de</strong>r Menschen sprechen.<br />

Habe, wenn in reicher Stille,<br />

wenn in einem Blick und Laut<br />

seine Ruhe, seine Fülle<br />

mir ihr Genius vertraut,<br />

wenn <strong>de</strong>r Gott, <strong>de</strong>r mich begeistert,<br />

mir an ihrer Stirne tagt,<br />

von Bewundrung übermeistert,<br />

zürnend ihr mein Nichts geklagt (Schmidt, 1992: 177)<br />

Mittlere Fassung <strong>de</strong>s Gedichts. Hierzu gilt <strong>die</strong>selbe Erläuterung wie zur älteren Fassung, <strong>die</strong> beinahe<br />

i<strong>de</strong>ntisch ist.<br />

B.I.b.2.2. Vereinigung bzw. Verbindung <strong>de</strong>s Menschen mit<br />

<strong>de</strong>r Natur durch Aufhebung <strong>de</strong>r Sprache<br />

Da ich noch in Kin<strong>de</strong>rträumen,<br />

friedlich, wie <strong>de</strong>r blaue Tag,<br />

unter meines Gartens Bäumen<br />

auf <strong>de</strong>r warmen Er<strong>de</strong> lag,<br />

und in leiser Lust und Schöne<br />

meines Herzens Mai begann,<br />

säuselte, wie Zephirstöne,<br />

Diotimas Geist mich an. (Schmidt, 1992: 176)<br />

Das Adjektiv „leise“ be<strong>de</strong>utet hier so viel wie 'still, wortlos'. Der Dichter war noch unentwickelt<br />

wie ein Kind und noch im vollen Einklang mit <strong>de</strong>r Natur. Aber da hatte er noch keine Sprache<br />

und hatte sich selbst noch nicht erkannt. Dann begann er zu erwachen.<br />

201

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