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die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València

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ein Tier bzw. ein kleines Kind bleibt, o<strong>de</strong>r durch Erkenntnis und Erleuchtung, wie es in <strong>de</strong>r Vorre<strong>de</strong><br />

zum Fragment von Hyperion heißt:<br />

Es gibt zwei I<strong>de</strong>ale unseres Daseins: einen Zustand <strong>de</strong>r höchsten Einfalt [...] und einen Zustand <strong>de</strong>r höchsten<br />

Bildung, wo dasselbe statt fin<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>. (Schmidt, 1994: 177)<br />

Zwar wünscht man sich <strong>de</strong>n durch <strong>die</strong> Sprachlosigkeit gekennzeichneten Zustand <strong>de</strong>r glücklichen<br />

Erleuchtung herbei, jedoch ist <strong>die</strong> Sprache das einzige Mittel. Die Sprache ist eine Brücke,<br />

<strong>die</strong> man unbedingt betreten, aber auch unbedingt zurücklassen muss, um hinüber zu kommen.<br />

Die Sprache muss also untergehen, um sich selbst zu retten. Sie verkörpert „das Wer<strong>de</strong>n im Vergehen“,<br />

„das untergehen<strong>de</strong> Vaterland“ 152 .<br />

Wilhelm Michel meint, dass das Sprechen <strong>de</strong>s Dichters ein Schweigen und wenigstens ein Näherungswert<br />

<strong>de</strong>s Verstummens ist, jenes Verstummens, in <strong>de</strong>m das Namenlose sich ausdrückt 153 .<br />

Thomas Schrö<strong>de</strong>r fin<strong>de</strong>t, dass bei Höl<strong>de</strong>rlin nur das Stummwer<strong>de</strong>n, das Schweigegebot, <strong>de</strong>r Begegnung<br />

gerecht zu wer<strong>de</strong>n scheint, weil <strong>die</strong> dichterische Sprachgebung und <strong>die</strong> Erfahrung <strong>de</strong>s<br />

Höchsten sich ausschließen 154 . Jürgen Wertheimer weist auf <strong>die</strong> Stelle <strong>de</strong>s Hyperion hin, in <strong>de</strong>r es<br />

heißt, dass <strong>die</strong> Sprache ein großer Überfluss sei, und beweist durch viele Beispiele, dass sich für<br />

Höl<strong>de</strong>rlin das Wesentliche oft im Bereich jenseits <strong>de</strong>r Sprache vollzieht 155 . In <strong>die</strong>sem Sinne ist es<br />

hier vielleicht angebracht, auf das sogenannte metakommunikative Axiom hinzuweisen. Paul<br />

Watzlawicks erstes pragmatisches Axiom besagt nämlich, dass es unmöglich ist, nicht zu kommunizieren.<br />

Für ihn ist auch Schweigen eine kommunikative Tätigkeit. Dies ist nur anscheinend<br />

wi<strong>de</strong>rsprüchlich, <strong>de</strong>nn Sprachtätigkeit und Schweigen gelten zwar als Gegensätze, aber innerhalb<br />

<strong>de</strong>r Kommunikation haben sowohl das Sprechen als auch das Schweigen immer eine Be<strong>de</strong>utung,<br />

da je<strong>de</strong> gesellschaftliche Situation notwendigerweise ein Ort <strong>de</strong>r Kommunikation ist 156 .<br />

Zum Thema <strong>de</strong>r Sprachlosigkeit bei Höl<strong>de</strong>rlin eröffnet Jochen Schmidt eine ganz neue Perspektive,<br />

<strong>de</strong>nn für ihn hat Höl<strong>de</strong>rlins I<strong>de</strong>alismus ein gewisses eskapistisches Moment, weil <strong>die</strong> Realität<br />

als Verhängnis ohne Alternative erfahren wird. Der Eskapist geht dabei irre und seine für <strong>die</strong><br />

Mitmenschen nunmehr unverständliche Sprache ist „himmlisch Gespräch“ gewor<strong>de</strong>n 157 .<br />

2.2.3. Sprache, Erinnerung, Geschichte, Bewusstsein<br />

In Übereinstimmung mit Höl<strong>de</strong>rlin und mit Martin Walser meint Dieter Kimpel 158 , dass <strong>die</strong> Sprache<br />

für <strong>de</strong>n Schriftsteller – o<strong>de</strong>r allgemeiner: für je<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r ausdrucksfähig ist – ein Gedächtnis<br />

sei. Alle drei sind <strong>de</strong>r Meinung, dass <strong>de</strong>r Sinn <strong>de</strong>r Entwicklung <strong>de</strong>r Geschichte darin liege, dass<br />

immer mehr Menschen mündig wer<strong>de</strong>n. 'Mündig' soll hier auch so viel wie 'ausdrucksfähig' heißen,<br />

weil <strong>de</strong>r mündig sei, <strong>de</strong>r einen Mund habe, um sich auszudrücken, und ihn dazu verwen<strong>de</strong>.<br />

Mündig sein, im Sinn von 'sprachfähig', sei weiter nach Kimpel <strong>die</strong> Voraussetzung, um ge­<br />

152<br />

„Das Wer<strong>de</strong>n im Vergehen“, „das untergehen<strong>de</strong> Vaterland“: Es han<strong>de</strong>lt sich um zwei verschie<strong>de</strong>ne Titel, welche<br />

<strong>die</strong> verschie<strong>de</strong>nen Herausgeber einem von Höl<strong>de</strong>rlin unbetitelt gelassenen Aufsatz gegeben haben: vgl. Schmidt,<br />

1994: 1197.<br />

153<br />

Michel, 1943: 2 f.<br />

154<br />

Schrö<strong>de</strong>r, 1995: 20 f.<br />

155<br />

Wertheimer, 1995: 219.<br />

156<br />

Watzlawick, 1969: 53 ff.<br />

157<br />

Schmidt, 1978: 177.<br />

158<br />

Kimpel, 1980: 47.<br />

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