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die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València

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B.II.b.2.3. Die heilige Sprache verbin<strong>de</strong>t <strong>die</strong> Menschen miteinan<strong>de</strong>r<br />

Habe, wenn in reicher Stille<br />

wenn in einem Blick und Laut<br />

seine Ruhe, seine Fülle<br />

mir ihr Genius vertraut,<br />

wenn ihr Geist, <strong>de</strong>r mich begeistert,<br />

an <strong>de</strong>r hohen Stirne tagt,<br />

von Bewundrung übermeistert,<br />

zürnend ihr mein Nichts geklagt. (Schmidt, 1992: 174)<br />

Ältere Fassung <strong>de</strong>s Gedichtes. Der Dichter spricht hier von Diotimas Genius. Ausdrücklich sagt<br />

er hier, dass sie ihm ihre Ruhe und Fülle durch Blick und Laut vermittelt. Das Substantiv „Laut“<br />

steht hier metonymisch für <strong>die</strong> im engen Sinn verstan<strong>de</strong>ne Sprache. Das Verb „vertrauen“ ist hier<br />

synonym für 'vermitteln'. Es wird also nicht bloß Information bzw. eine bestimmte Gefühlslage,<br />

son<strong>de</strong>rn ein Lebensgefühl vermittelt. Der Dichter benutzt nicht <strong>de</strong>n Namen Diotimas, son<strong>de</strong>rn<br />

<strong>die</strong> Substantive „Genius“ und „Geist“, welche eine geistigere Dimension präsupponieren, als sie<br />

zwischen Menschen üblich ist. Diotimas Geist begeistert <strong>de</strong>n Dichter, und <strong>die</strong>ses Wortspiel <strong>de</strong>utet<br />

daraufhin, dass ihr Geist in <strong>de</strong>n seinen eindringt. Daher darf man hier nicht nur von Kommunikation,<br />

son<strong>de</strong>rn sogar von Vereinigung bei<strong>de</strong>r Menschen sprechen. Und <strong>die</strong> heilige Sprache ist<br />

eben <strong>die</strong>jenige, <strong>die</strong> eine solche Leistung zu vollbringen vermag.<br />

Habe, wenn in reicher Stille,<br />

wenn in einem Blick und Laut<br />

seine Ruhe, seine Fülle<br />

mir ihr Genius vertraut,<br />

wenn <strong>de</strong>r Gott, <strong>de</strong>r mich begeistert,<br />

mir an ihrer Stirne tagt,<br />

von Bewundrung übermeistert,<br />

zürnend ihr mein Nichts geklagt. (Schmidt, 1992: 177)<br />

Mittlere Fassung <strong>de</strong>s Gedichtes. Die Bemerkung zur älteren Fassung gilt hier ebenso.<br />

B.II.b.2.4. Die heilige Sprache verbin<strong>de</strong>t <strong>de</strong>n Menschen mit<br />

<strong>de</strong>r Natur bzw. Gottheit<br />

Die uns trifft mit ihren Mittagsstrahlen,<br />

uns entflammt mit ihren I<strong>de</strong>alen,<br />

wie vom Himmel, uns Gebote schickt,<br />

<strong>die</strong> <strong>die</strong> Weisen nach <strong>de</strong>m Wege fragen (Schmidt, 1992: 169)<br />

Das Verb „schicken“ präsupponiert Absicht, und <strong>die</strong> Absicht präsupponiert als Subjekt einen<br />

Menschen. Diese Gottheit ist menschenähnlich, sonst könnte sie unmöglich <strong>de</strong>n Menschen I<strong>de</strong>ale<br />

und Gebote vermitteln, und <strong>die</strong> Weisen wür<strong>de</strong>n sie nicht nach <strong>de</strong>m Wege fragen, wenn sie wüssten,<br />

dass sie keine Antwort von ihr erwarten können. Die „Weisen“ sind <strong>die</strong> heiligen Menschen,<br />

<strong>die</strong> vermögen, sich durch ihre Fragen – durch Sprache also – in direkten Kontakt mit <strong>de</strong>r Gottheit<br />

zu setzen.<br />

Aber, wie in zarten Zweigen,<br />

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