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die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València

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Hyperion will mit Alabanda für ein befreites Griechenland kämpfen. Da beschwört er Joniens<br />

Himmel und seine Vaterlandser<strong>de</strong>, sie mögen ihn hören. Da aber „hören“ präsupponiert, dass ein<br />

menschliches o<strong>de</strong>r tierisches Ohr etwas akustisch wahrnimmt, und da we<strong>de</strong>r Himmel noch Er<strong>de</strong><br />

Ohren haben, muss es sich um Personifikationen han<strong>de</strong>ln. Die so gemeinten Himmel und Er<strong>de</strong><br />

könnten Gottheiten o<strong>de</strong>r Geister sein, <strong>die</strong> Heimat eine konkrete, geistige o<strong>de</strong>r sogar menschliche<br />

Gestalt. Durch <strong>die</strong> Worte „höre mich“ glaubt Hyperion anscheinend, <strong>die</strong> Anwesenheit o<strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st<br />

<strong>die</strong> Aufmerksamkeit <strong>de</strong>r Heimatgottheit herbeibeschwören zu können.<br />

Es ist aus, Diotima! unsre Leute haben geplün<strong>de</strong>rt, gemor<strong>de</strong>t, ohne Unterschied, auch unsre Brü<strong>de</strong>r sind erschlagen,<br />

<strong>die</strong> Griechen in Misistra, <strong>die</strong> Unschuldigen, o<strong>de</strong>r irren sie hilflos herum und ihre tote Jammermiene<br />

ruft Himmel und Er<strong>de</strong> zur Rache gegen <strong>die</strong> Barbaren, an <strong>de</strong>ren Spitze ich war. (Schmidt, 1994: 130)<br />

Die im weiten Sinne als semiotisches Kommunikationsmittel verstan<strong>de</strong>ne Sprache, <strong>die</strong> sich hier<br />

durch Miene ausdrückt, soll Götter und Menschen beschwören und zur Rache nötigen.<br />

B.II.c.1.2. Der Sprache wohnt eine große, Welt verän<strong>de</strong>rn<strong>de</strong><br />

Kraft inne<br />

Es ist erfreulich, wenn Gleiches sich zu Gleichem gesellt, aber es ist göttlich, wenn ein großer Mensch <strong>die</strong><br />

kleineren zu sich aufzieht.<br />

Ein freundlich Wort aus eines tapfern Mannes Herzen, ein Lächeln, worin <strong>die</strong> verzehren<strong>de</strong> Herrlichkeit <strong>de</strong>s<br />

Geistes sich verbirgt, ist wenig und viel, wie ein zauberisch Losungswort, das Tod und Leben in seiner einfältigen<br />

Silbe verbirgt, ist, wie ein geistig Wasser, das aus <strong>de</strong>r Tiefe <strong>de</strong>r Berge quillt, und <strong>die</strong> geheime Kraft<br />

<strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> uns mitteilt in seinem kristallenen Tropfen. (Schmidt, 1994: 19)<br />

Hyperion schreibt hier über seinen verehrten Lehrer und Mentor Adamas. Im semantischen Parallelismus<br />

mit <strong>de</strong>m Oxymoron „viel und wenig“, mit <strong>de</strong>m Oxymoron einer einzigen Silbe, <strong>die</strong><br />

<strong>die</strong> Ganzheit <strong>de</strong>r Welt umfassen kann, gibt es jetzt ein „Wasser“, das „geistig“ ist und in einem<br />

einzigen kleinen Tropfen <strong>die</strong> ganze Kraft <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> mitsamt ihren Geheimnissen mitteilen kann.<br />

Dieser kleine Wassertropfen scheint eine Kleinigkeit zu sein, und trotz<strong>de</strong>m kann er eine so ungemeine<br />

Kraft übertragen. Sprache im weiten Sinne gibt es immer, wenn ein Sen<strong>de</strong>r eine Botschaft<br />

an einen Empfänger sen<strong>de</strong>t, d.h. wenn ein Kommunikationsprozess stattfin<strong>de</strong>t. Das Wort „mitteilen“<br />

präsupponiert einen solchen Kommunikationsprozess. Laut Hyperion kann eine heilige,<br />

„zauberische“ Sprache so viel Kraft verleihen, dass <strong>die</strong> ganze Lebenshaltung eines Menschen<br />

verän<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n kann, wie hier <strong>de</strong>r Fall ist. Diese immense Wirkung nennt Hyperion „göttlich“.<br />

ich wollte, <strong>die</strong> Menschheit machte Diotima zum Losungswort und malt’ in ihre Paniere <strong>de</strong>in Bild, und<br />

spräche: heute soll das Göttliche siegen! Engel <strong>de</strong>s Himmels! das müsst’ ein Tag sein! (Schmidt, 1994: 78)<br />

Diotima ist für Hyperion <strong>die</strong> Verkörperung <strong>de</strong>r Gottheit und <strong>de</strong>r Schönheit. Er sagt, er will, dass<br />

Diotima zum Motto <strong>de</strong>r Menschheit wird, und mit ihrem Namen meint er das Göttliche. Wenn<br />

<strong>die</strong> Menschen <strong>die</strong>ses Leitwort annehmen wür<strong>de</strong>n, wür<strong>de</strong> das Göttliche siegen und <strong>die</strong> ganze<br />

Welt, <strong>die</strong> wir heute kennen, umwälzen.<br />

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