die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València
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Die Mutter fragt liebevoll nach ihrem Liebsten, und <strong>de</strong>r kommt sofort – allerdings sind alle ihre<br />
Liebsten –. Durch Sprache hat sie erreicht, dass <strong>die</strong> Kin<strong>de</strong>r geschmeichelt sind und gehorchen.<br />
Wenn sie, wun<strong>de</strong>rbar allwissend, je<strong>de</strong>n Wohlklang, je<strong>de</strong>n Misslaut in <strong>de</strong>r Tiefe meines Wesens, im Momente,<br />
da er begann, noch eh ich selbst ihn wahrnahm, mir enthüllte, wenn sie je<strong>de</strong>n Schatten eines Wölkchens<br />
auf <strong>de</strong>r Stirne, je<strong>de</strong>n Schatten einer Wehmut, eines Stolzes auf <strong>de</strong>r Lippe, je<strong>de</strong>n Funken mir im Auge<br />
sah, wenn sie <strong>die</strong> Ebb’ und Flut <strong>de</strong>s Herzens mir behorcht’ und sorgsam trübe Stun<strong>de</strong>n ahnete, in<strong>de</strong>s mein<br />
Geist zu unenthaltsam, zu verschwen<strong>de</strong>risch im üppigen Gespräche sich verzehrte, wenn das liebe Wesen,<br />
treuer, wie ein Spiegel, je<strong>de</strong>n Wechsel meiner Wange mir verriet, und oft in freundlichen Bekümmernissen<br />
über mein unstet Wesen mich ermahnt’, und strafte, wie ein teures Kind – (Schmidt, 1994: 71 f.)<br />
Hyperions Gespräch mit Diotima hat für ihn gefühlsmäßige Folgen, <strong>die</strong> gewissermaßen stark<br />
sind, <strong>de</strong>nn sein Geist verzehrte sich dabei.<br />
Wir lächelten über <strong>de</strong>m Worte, wiewohl das Trauern uns näher war. (Schmidt, 1994: 106)<br />
Diotima hat Hyperion gera<strong>de</strong> etwas Liebliches erzählt. Darüber lächeln bei<strong>de</strong>, obwohl ihnen eigentlich<br />
zum Trauern zumute ist, weil sie sich bald trennen müssen. Die Sprache hat ihre Gefühlslage<br />
momentan aufgeheitert.<br />
Ich sollte dir zürnen, du hast mein Kind mir genommen, hast alle Vernunft mir ausgere<strong>de</strong>t, und tust, was<br />
dich gelüstet, und gehest davon; aber vergebt es ihm, ihr himmlischen Mächte! wenn er Unrecht vorhat,<br />
und hat er Recht, o so zögert nicht mit eurer Hilfe <strong>de</strong>m Lieben! Ich wollte re<strong>de</strong>n, aber eben kam Notara mit<br />
<strong>de</strong>n übrigen Freun<strong>de</strong>n herein und hinter ihnen Diotima. (Schmidt, 1994: 112)<br />
Diotimas Mutter klagt über Hyperion, <strong>de</strong>r Diotima für sich gewonnen hat und dann doch in <strong>de</strong>n<br />
Krieg ziehen will. Sie meint, Hyperion hat sie mit seinen Worten dazu gebracht, <strong>die</strong>s alles zu akzeptieren.<br />
Nun will er sich wie<strong>de</strong>r mit Worten verteidigen und <strong>die</strong> schlechte Laune seiner<br />
Schwiegermutter besänftigen, aber er fin<strong>de</strong>t keine Gelegenheit mehr.<br />
So geh nur, seufzte sie, es muss ja sein; geh nur, du teures Herz!<br />
O süßer Ton aus <strong>die</strong>sen Wonnelippen! rief ich, und stand wie ein Beten<strong>de</strong>r, vor <strong>de</strong>r hol<strong>de</strong>n Statue – süßer<br />
Ton! (Schmidt, 1994: 114)<br />
Diotima verabschie<strong>de</strong>t sich von Hyperion, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n Krieg zieht. Ihre süßen Worte entzücken<br />
ihn.<br />
Und ich will künftig noch so viel davon sagen, bis du es glaubst. (Schmidt, 1994: 115)<br />
Dies schreibt Hyperion an Bellarmin. Durch sein „Sagen“ wird er schließlich bewirken, dass<br />
Bellarmin etwas glaubt, was er vorher nicht glaubte.<br />
Voll rächerischer Kräfte ist das Bergvolk hieherum, liegt da, wie eine schweigen<strong>de</strong> Wetterwolke, <strong>die</strong> nur<br />
<strong>de</strong>s Sturmwinds wartet, <strong>de</strong>r sie treibt. Diotima! lass mich <strong>de</strong>n Atem Gottes unter sie hauchen, lass mich ein<br />
Wort von Herzen an sie re<strong>de</strong>n, Diotima. Fürchte nichts! Sie wer<strong>de</strong>n so wild nicht sein. Ich kenne <strong>die</strong> rohe<br />
Natur. Sie höhnt <strong>de</strong>r Vernunft, sie stehet aber im Bun<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>r Begeisterung. Wer nur mit ganzer Seele<br />
wirkt, irrt nie. Er bedarf <strong>de</strong>s Klügelns nicht, <strong>de</strong>nn keine Macht ist wi<strong>de</strong>r ihn. (Schmidt, 1994: 117)<br />
Hyperion schreibt an Diotima und erzählt ihr, wie er <strong>die</strong> Herzen seiner rohen Soldaten gewinnen<br />
will: durch seine begeisterten Worte.<br />
Lieb’ und Hass und je<strong>de</strong>r Laut von uns muss <strong>die</strong> gemeinere Welt befrem<strong>de</strong>n und auch kein Augenblick<br />
darf Einmal noch uns mahnen an <strong>die</strong> platte Vergangenheit! (Schmidt, 1994: 124)<br />
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