die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València
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Meine Seele ist voll von Tatenlust und voll von Liebe, Diotima, und in <strong>die</strong> griechischen Täler blickt mein<br />
Auge hinaus, als sollt’ es magisch gebieten: steigt wie<strong>de</strong>r empor, ihr Städte <strong>de</strong>r Götter!<br />
Ein Gott muss in mir sein, <strong>de</strong>nn ich fühl’ auch unsere Trennung kaum. Wie <strong>die</strong> seligen Schatten am Lethe,<br />
lebt jetzt meine Seele mit <strong>de</strong>iner in himmlischer Freiheit und das Schicksal waltet über unsre Liebe nicht<br />
mehr.<br />
HYPERION AN DIOTIMA<br />
Ich bin jetzt mitten im Peloponnes. In <strong>de</strong>rselben Hütte, worin ich heute übernachte, übernachtete ich einst,<br />
da ich, beinahe noch Knabe, mit Adamas <strong>die</strong>se Gegen<strong>de</strong>n durchzog. Wie saß ich da so glücklich auf <strong>de</strong>r<br />
Bank vor <strong>de</strong>m Hause und lauschte+ <strong>de</strong>m Geläute <strong>de</strong>r fernher kommen<strong>de</strong>n Karawane, und <strong>de</strong>m Geplätscher<br />
<strong>de</strong>s nahen Brunnens, <strong>de</strong>r unter blühen<strong>de</strong>n Akazien sein silbern Gewässer ins Becken goss.<br />
#*117*#Jetzt bin ich wie<strong>de</strong>r glücklich. Ich wan<strong>de</strong>re durch <strong>die</strong>s Land, wie durch Dodonas Hain, wo <strong>die</strong><br />
Eichen tönten+ von Ruhm weissagen<strong>de</strong>n+ Sprüchen+. Ich sehe nur Taten, vergangene, künftige, wenn ich<br />
auch vom Morgen bis zum Abend unter freiem Himmel wandre. Glaube mir, wer <strong>die</strong>ses Land durchreist,<br />
und noch ein Joch auf seinem Halse dul<strong>de</strong>t, kein Pelopidas wird, <strong>de</strong>r ist herzleer, o<strong>de</strong>r ihm fehlt es am<br />
Verstan<strong>de</strong>.<br />
So lange schlief’s – so lange schlich <strong>die</strong> Zeit, wie <strong>de</strong>r Höllenfluss, trüb und stumm+, in ö<strong>de</strong>m Müßiggange<br />
vorüber?<br />
Und doch liegt alles bereit. Voll rächerischer Kräfte ist das Bergvolk hieherum, liegt da, wie eine<br />
schweigen<strong>de</strong>+ Wetterwolke, <strong>die</strong> nur <strong>de</strong>s Sturmwinds wartet, <strong>de</strong>r sie treibt. Diotima! lass mich <strong>de</strong>n Atem<br />
Gottes unter sie hauchen, lass mich ein Wort+ von Herzen an sie re<strong>de</strong>n+, Diotima. Fürchte nichts! Sie<br />
wer<strong>de</strong>n so wild nicht sein. Ich kenne <strong>die</strong> rohe Natur. Sie höhnt <strong>de</strong>r Vernunft, sie stehet aber im Bun<strong>de</strong> mit<br />
<strong>de</strong>r Begeisterung. Wer nur mit ganzer Seele wirkt, irrt nie. Er bedarf <strong>de</strong>s Klügelns nicht, <strong>de</strong>nn keine Macht<br />
ist wi<strong>de</strong>r ihn.<br />
HYPERION AN DIOTIMA<br />
Morgen bin ich bei Alabanda. Es ist mir eine Lust, <strong>de</strong>n Weg nach Koron zu erfragen+, und ich frage+ öfter,<br />
als nötig ist. Ich möchte <strong>die</strong> Flügel <strong>de</strong>r Sonne nehmen und hin zu ihm und doch zaudr’ ich auch so gerne<br />
und frage+: wie wird er sein?<br />
Der königliche Jüngling! warum bin ich später geboren? warum sprang ich nicht aus Einer Wiege mit ihm?<br />
Ich kann <strong>de</strong>n Unterschied nicht lei<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r zwischen uns ist. O warum lebt’ ich, wie ein müßiger<br />
Hirtenknabe, zu Tina, und träumte nur von seinesgleichen noch erst, da er schon in lebendiger Arbeit <strong>die</strong><br />
Natur erprüfte und mit Meer und Luft und allen Elementen schon rang? trieb’s <strong>de</strong>nn in mir nach<br />
Tatenwonne nicht auch?<br />
#*118*#Aber ich will ihn einholen, ich will schnell sein. Beim Himmel! ich bin überreif zur Arbeit. Meine<br />
Seele tobt nur gegen sich selbst, wenn ich nicht bald durch ein lebendig Geschäft mich befreie.<br />
Hohes Mädchen! wie konnt’ ich bestehen vor dir? Wie war dir’s möglich, so ein tatlos Wesen zu lieben?<br />
HYPERION AN DIOTIMA<br />
Ich hab’ ihn, teure Diotima!<br />
Leicht ist mir <strong>die</strong> Brust und schnell sind meine Sehnen, ha! und <strong>die</strong> Zukunft reizt mich, wie eine klare<br />
Wassertiefe uns reizt, hinein zu springen und das übermütige Blut im frischen Ba<strong>de</strong> zu kühlen. Aber das ist<br />
Geschwätz+. Wir sind uns lieber, als je, mein Alabanda und ich. Wir sind freier umeinan<strong>de</strong>r und doch ist’s<br />
alle <strong>die</strong> Fülle und Tiefe <strong>de</strong>s Lebens, wie sonst.<br />
O wie hatten <strong>die</strong> alten Tyrannen so Recht, Freundschaften, wie <strong>die</strong> unsere, zu verbieten! Da ist man stark,<br />
wie ein Halbgott, und dul<strong>de</strong>t nichts Unverschämtes in seinem Bezirke! –<br />
Es war <strong>de</strong>s Abends, da ich in sein Zimmer trat. Er hatte eben <strong>die</strong> Arbeit bei Seite gelegt, saß in einer<br />
mondhellen Ecke am Fenster und pflegte seiner Gedanken. Ich stand im Dunkeln, er erkannte mich nicht,<br />
sah unbekümmert gegen mich her. Der Himmel weiß, für wen er mich halten mochte. Nun, wie geht es?<br />
rief+ er. So ziemlich! sagt’+ ich. Aber das Heucheln+ war umsonst. Meine Stimme+ war voll geheimen<br />
Frohlockens. Was ist das? fuhr er auf; bist du’s? Ja wohl, du Blin<strong>de</strong>r! rief+ ich, und flog ihm in <strong>die</strong> Arme.<br />
O nun! rief+ Alabanda endlich, nun soll es an<strong>de</strong>rs wer<strong>de</strong>n, Hyperion!<br />
Das <strong>de</strong>nk’ ich, sagt’+ ich und schüttelte freudig seine Hand.<br />
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