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die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València

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B.I.a.3. Sprache und Gefühle<br />

B.I.a.3.1. Durch Sprache kann man keinen Einfluss auf <strong>die</strong><br />

Menschen ausüben<br />

Was? vom Wurme soll <strong>de</strong>r Gott abhängen? Der Gott in uns, <strong>de</strong>m <strong>die</strong> Unendlichkeit zur Bahn sich öffnet,<br />

soll stehn und harren, bis <strong>de</strong>r Wurm ihm aus <strong>de</strong>m Wege geht? Nein! nein! Man fragt nicht, ob ihr wollt! Ihr<br />

wollt ja nie, ihr Knechte und Barbaren! Euch will man auch nicht bessern, <strong>de</strong>nn es ist umsonst! man will<br />

nur dafür sorgen, dass ihr <strong>de</strong>m Siegeslauf <strong>de</strong>r Menschheit aus <strong>de</strong>m Wege geht. O! zün<strong>de</strong> mir einer <strong>die</strong> Fackel<br />

an, dass ich das Unkraut von <strong>de</strong>r Hei<strong>de</strong> brenne! (Schmidt, 1994: 37)<br />

Dies sagt Alabanda im Gespräch mit Hyperion. Der Wurm wird mit <strong>de</strong>n Knechten und Barbaren<br />

gleichgesetzt, und <strong>de</strong>r heilig gesinnte Mensch mit Gott. Der höhere Mensch fragt <strong>de</strong>n verkommenen<br />

Menschen nicht, ob er ihm aus <strong>de</strong>m Wege gehen will, <strong>de</strong>nn er will nie. Die Juxtaposition hat<br />

hier kausale Be<strong>de</strong>utung. Normalerweise wäre es schon sinnvoll, jeman<strong>de</strong>n zu bitten, dass er aufhört,<br />

seinen Mitmenschen zu stören. Aber bei störrischen Menschen hilft es nichts, sie lassen<br />

sich nicht überre<strong>de</strong>n, und <strong>de</strong>shalb fragt Alabanda sie nicht einmal. Die Sprache hat völlig versagt,<br />

wenn <strong>die</strong> an<strong>de</strong>ren gar nicht hören wollen. Nur durch Gewalt lassen sich <strong>die</strong> unbeugsamen<br />

Menschen auf <strong>de</strong>n richtigen Weg bringen, meint Alabanda.<br />

Endlich schrieb ich auch nach Smyrna, und es war, als sammelt’ alle Zärtlichkeit und alle Macht <strong>de</strong>s Menschen<br />

in Einen Moment sich, da ich schrieb; so schrieb ich dreimal, aber keine Antwort, ich flehte, drohte,<br />

mahnt’ an alle Stun<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Liebe und <strong>de</strong>r Kühnheit, aber keine Antwort von <strong>de</strong>m Unvergesslichen, bis in<br />

<strong>de</strong>n Tod geliebten – Alabanda! rief ich, o mein Alabanda! du hast <strong>de</strong>n Stab gebrochen über mich. Du hieltest<br />

mich noch aufrecht, warst <strong>die</strong> letzte Hoffnung meiner Jugend! Nun will ich nichts mehr! (Schmidt,<br />

1994: 53)<br />

Beim Schreiben sammelt Hyperion all seine Zärtlichkeit und Macht, er fleht, droht und mahnt,<br />

aber alles ist vergebens. Durch seine angeblich mächtige und wirkungsvolle Sprache kann er gar<br />

nichts erreichen. Vielleicht, weil <strong>die</strong> Briefe Alabanda nicht erreichen, wahrscheinlich aber, weil<br />

sie ihn nicht zur Besinnung bringen können.<br />

Lieber! Lieber! rief Diotima, sei doch still! ich sage dir kein Wort mehr. Du sollst gehn, sollst gehen, stolzer<br />

Mensch! Ach! wenn du so bist, hab’ ich keine Macht, kein Recht auf dich. (Schmidt, 1994: 109)<br />

Diotima versucht, Hyperion vom Krieg abzuhalten. Aber er lässt sich durch ihre Worte nicht<br />

überre<strong>de</strong>n und Diotima merkt, ihre Mühe ist umsonst, durch Sprache kann sie seine Gefühlslage<br />

nicht beeinflussen.<br />

B.I.a.3.2. Manchmal ist Schweigen würdiger als Sprechen<br />

und Klagen<br />

Ja! ja! es ist recht sehr leicht, glücklich, ruhig zu sein mit seichtem Herzen und eingeschränktem Geiste.<br />

Gönnen kann man’s euch; wer ereifert sich <strong>de</strong>nn, dass <strong>die</strong> bretterne Scheibe nicht wehklagt, wenn <strong>de</strong>r Pfeil<br />

sie trifft, und dass <strong>de</strong>r hohle Topf so dumpf klingt, wenn ihn einer an <strong>die</strong> Wand wirft?<br />

Nur müsst ihr euch beschei<strong>de</strong>n, lieben Leute, müsst ja in aller Stille euch wun<strong>de</strong>rn, wenn ihr nicht begreift,<br />

dass andre nicht auch so glücklich, auch so selbstgenügsam sind, müsst ja euch hüten, eure Weisheit zum<br />

Gesetz zu machen, <strong>de</strong>nn das wäre <strong>de</strong>r Welt En<strong>de</strong>, wenn man euch gehorchte. (Schmidt, 1994: 48 f.)<br />

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